Bildungspolitische Illusionen/Sozialer Vergleich
FG Bildungspolitik - Bildungspolitische Illusionen |
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"Sozialer Vergleich" klingt schon mal gut. Jedenfalls weit besser als "assozial". Meint letztlich aber genau das.
Eine "Vier" ist nur noch halb so tragisch, wenn es genug Leute mit "Fünfern" und "Sechsern" gibt. Man kann damit vielleicht sogar noch "überdurchschnittlich" sein, wenn der Klassenschnitt insgesamt entsprechend schlecht ausfällt.
Der "Schnitt" ist wichtig. Er sollte in einem akzeptablen Bereich liegen. In allen Klassen. Weil es ja ungerecht wäre, wenn er bei bestimmten LehrerInnen in bestimmten Klassen regelmäßig besonders gut ausfällt. Zumindest, wenn man selbst in einer anderen Klasse steckt. Und weil Ziffernoten Lebenschancen bestimmen.
Viele merken das recht heftig nach dem Übertritt aufs Gymnasium. Man ist gute Noten gewöhnt, und kassiert jetzt plötzlich auch schlechte. Nicht weil man sebst plötzlich wirklich "schlechter" oder "fauler" wurde, sondern weil sich die Vergleichsgruppe geändert hat. Und die "Winner-" und "Loser-Rollen" neu verteilt wurden.
Selbst wenn man weiter "selektieren" würde, um eine Gruppe der Besten der Besten der Besten zu bilden (was immer "gut" sein mag), würde es in dieser Gruppe wieder "Gute" und "Schlechte" geben. Und "mangelhafte Leistungen".
Drehen wir das Spiel mal ins Extrem um ("mathematisch" kann man das als Grenzwert-Analyse betrachten - und Grenzwerte verraten viel darüber, wie eine Funktion wirklich funktioniert):
Eine komplette Klasse bekommt grottenschlechten Unterricht (oder gar keinen). Die SchülerInnen selbst treten in Lernstreik und tun alle nichts. Monatelang. Dann eine Klassenarbeit. Sie mag schlecht ausfallen. Aber es wird kein Schnitt von 5,0 oder schlechter herauskommen. Weil das peinlich wäre und Ärger bringen könnte. Notfalls würde man die Arbeit wiederholen. Mit leichteren Aufgaben und großzügigerer Bepunktung, bis der Schnitt endlich passt.
Die Parallelklasse hatte hervorragenden Unterricht und ist hochmotiviert. Als der Lehrer krank wurde, haben sie sich selbst organisiert und die Themen gemeinsam erarbeitet. Und sich gerade auch besonders um die gekümmert, denen der Stoff Probleme bereitet. Alle sind wirklich fit!
Der Notenschnitt der Klassenarbeit wird ihnen das Gegenteil demonstrieren. Sie dürfen ja gar nicht alle fit sein! Der Schnitt wäre sonst zu gut und die Eltern der SchülerInnen aus der anderen Klasse würden auf die Barrikaden gehen.
Konkret: Ob in der Klasse ALLE was lernen oder ALLE nichts lernen, spielt für das System nicht wirklich eine Rolle.
Guter Unterricht und Kooperation von SchülerInnen (auf Klassenebene) ist im Prinzip erfolgsneutral.
Fürs "schulische Überleben" es interessiert eigentlich nicht wirklich, ob man was kann. Solange es nur genug Leute in der eigenen Klasse gibt, die noch weniger können. Dass alle gemeinsam besser werden könnten, ist vom System her gar nicht vorgesehen.
SchülerInnen lernen diese Tatsache recht frühzeitig ("Hidden Curriculum"). Es ist eine der Hauptursachen für "bulimisches Lernen".
Ein Wort noch zur oft angestrebten "Gaußschen Glockenkurve" ("Normalverteilung"):
Mathematisch nutzt man sie, um eine zufällige Verteilung nachzuweisen. Das heißt, eine Verteilung von Werten, die nicht systematisch beeinflusst wurden. Zum Beispiel durch Unterricht.
Ein Lehrer, der stolz ist, dass seine Noten sich an dieser Kurve orientieren, IST letztlich stolz darauf, wissenschaftlich nachgewiesen zu haben, dass sein Unterricht die Kompetenzen seiner SchülerInnen nicht beeinflusst hat. Er hätte sich den Unterricht sparen können.
(Die Schuld trägt nicht der einzelne Lehrer. Das System lässt ihm nicht den Spielraum, auf diesen Unsinn zu verzichten und misst seine eigene "Kompetenz" ja auch maßgeblich daran, wie eng er sich an diese informellen Spielregeln hält. Gerade die, die diesen Müll durchschauen, werden sich in einem erheblichen Dilemma wiederfinden. Und bald im "Burn-Out".)