Bundesparteitag 2011.2/Antragsportal/Q056

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2011.2. Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

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Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Antragsnummer

Q056

Einreichungsdatum

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Antragstitel

Positionspapier der Piratenpartei Deutschland zur Reform des Bundeswahlrechts

Antragsteller

Xander Dorn

Antragstyp

Positionspapier

Antragstext

Kein Gesetz darf erlassen, kein Urteil gesprochen und kein Mensch bestraft werden ohne die Legitimation durch das Volk. Der Kern einer jeden Demokratie besteht darin, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Zentral für das Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie ist daher eines: Das Wahlrecht.


Wahlrecht ist Bürgerrecht. Und jeder Wähler verdient das Recht, dass seine Stimme etwas bewirken kann. Die Stimmabgabe ist der wichtigste Hebel mit dem die Politik in unserem Land gesteuert werden kann. Mit ihr wird die Zusammensetzung aller Parlamente, vom Gemeinderat bis zum Bundestag, bestimmt. Das Wahlrecht zu schützen und auszubauen ist daher zentrales Anliegen der Piratenpartei Deutschland.

Es ist gleichfalls wichtig für eine freiheitliche demokratische Grundordnung, dass ein Wahlsystem nicht zu Verzerrungen führt oder einzelne bevorzugt oder benachteiligt. Ein gleichbehandelndes Wahlsystem in dem der Wählerwille der alleinige beeinflussende Faktor ist, stellt daher das Ziel der Piratenpartei Deutschland dar, damit jede Stimme zählt.

Die PIRATEN setzen sich ein für:

  • Wahlrecht ab 16 Jahren
  • eine Herabsetzung des Wahlalters
  • Wahlrecht für langjährige Einwohner ohne deutsche Staatsbürgerschaft
  • die Abschaffung der 5%-Hürde
  • die Abschaffung von Sperrklauseln
  • ein Wahlsystem mit gleichen Stimmen (statt Erst- und Zweitstimme)
  • ein Verhältniswahlrecht
  • eine Wahl mit offenen Listen (Kumulieren und Panaschieren)
  • besseren Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses
  • mehr Einfluss der Wähler auf die Zusammensetzung des Bundestages
  • ein Wahlsystem ohne Überhangmandate
  • ein Wahlsystem ohne negatives Stimmgewicht
  • ein Wahlsystem, das den Wählerwillen bestmöglich abbildet

Antragsbegründung

Das seit Bestehen der Bundesrepublik angewandte Wahlsystem ist eines der kompliziertesten weltweit. Einerseits bewirkt die Zweitstimme eine grundsätzliche Zusammensetzung des Bundestages nach einer Verhältniswahl. Andererseits wird mit der Erststimme noch zusätzlich ein Mehrheitswahlsystem angewandt, durch welches sichergestellt werden sollte, dass jede Region Deutschlands einen Abgeordneten im Bundestag hat. Jeder Bürger sollte auf diese Weise angemessen im Parlament vertreten werden. Der Grundgedanke hinter diesem Ideal wird daher auch nicht kritisiert.

Jedoch entstehen durch die Verrechnung zweier bereits im Ansatz grundverschiedener Wahlsysteme verschiedene Paradoxien und Verzerrungen. Dazu zählen Überhangmandate und das negative Stimmgewicht. Überhangmandate treten dabei vor allem dann auf, wenn in vielen Wahlkreisen Direktmandate errungen werden, das Zweitstimmenergebnis jedoch schwach ist. Dadurch erhielt die CDU bei der Bundestagswahl 2009 mit 32.0% der Erststimmen bereits 57.9% der Direktmandate und infolgedessen mit 27.3% der Zweitstimmen 31.1% der Sitze im Bundestag. Die Zahl der Überhangmandate erreicht inzwischen Fraktionsstärke (2009: 24 Überhangmandate).

Die Erststimme führt noch zu einer weiteren Problematik. Im Durchschnitt benötigte ein Wahlkreisbewerber etwa 40% der Erststimmen um das Direktmandat zu erhalten. Damit blieben 60% der Erststimmen ohne Einfluss auf die zahlenmäßige oder personelle Zusammensetzung des Bundestages und hatten damit dieselbe Wirkung wie nicht abgegebene oder ungültige Stimmen.

Eine weitere Verzerrung tritt durch die 5%-Hürde auf. Zum einen eine sehr direkte. Alle Zweitstimmen, die an Parteien gehen, welche die 5%-Hürde nicht überwinden, bleiben bei der Zusammensetzung des Bundestages unberücksichtigt. Dies waren bei der Bundestagswahl 2005 3.9% der gültigen abgegebenen Stimmen, im Jahr 2009 waren es sogar 6.0%. Abgesehen von der Parteienfinanzierung, für die sich eine Partei mit einem Ergebnis von 0.5% (auf Bundesebene) qualifiziert, haben Zweitstimmen für Parteien, die unter 5% bleiben, ebenfalls dieselbe Wirkung wie ungültige oder nicht abgegebene Stimmen.

Gerade letzteres ist den Wahlberechtigten sehr bewusst und kann daher einen Einfluss auf die Wahlentscheidung haben, da die meisten Wähler ihre Stimme nicht „wegwerfen“ wollen. Die 5%-Hürde ist daher sowohl als Ursache objektiver als auch subjektiver Verzerrung abzulehnen.

Das negative Stimmgewicht ist eine Paradoxie des deutschen Wahlsystems. Dahinter verbirgt sich das Phänomen, dass eine Partei durch Zuwachs von Zweitstimmen Sitze verlieren könnte oder umgekehrt ein Verlust von Zweitstimmen zu Sitzgewinnen führen kann. Besonders prominent wurde das negative Stimmgewicht bei der Bundestagswahl 2005. Im Wahlkreis Dresden I war ein Wahlbewerber kurz vor der Wahl verstorben, wodurch für diesen Wahlkreis eine Nachwahl angesetzt wurde. Da zum Zeitpunkt der Nachwahl das Ergebnis der restlichen Bundesrepublik bereits bekannt war, konnte hier errechnet werden, welche möglichen Auswirkungen die Nachwahl in diesem Wahlkreis haben konnte. Dabei kam heraus, dass die CDU ab etwa 42 000 Stimmen (ca. 27%) einen Sitz im Bundestag verlieren würde. Infolgedessen wurden seitens der CDU Wahlempfehlungen für die FDP ausgesprochen, damit nicht zu viele Stimmen für die CDU dieser schadeten.

Die Bundestagswahl von 2005 mit der Nachwahl im Wahlkreis Dresden I brachte so das negative Stimmgewicht in die öffentliche Diskussion. Darüber hinaus wurde das Bundeswahlgesetz auch vom Bundesverfassungsgericht geprüft und das negative Stimmgewicht mit Urteil vom Juli 2008 für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Der Gesetzgeber wurde beauftragt, bis zum 30. Juni 2011 ein reformiertes Bundeswahlgesetz zu erlassen, welches diese Problematik löst. Der Bundestag beschloss am 29. September 2011, also mit dreimonatiger Verspätung, mit der Stimmenmehrheit von CDU, CSU und FDP eine Änderung des Bundeswahlgesetzes. In diesem wird die Auswertung des Wahlergebnisses durch Veränderungen des Sitzzuteilungsverfahrens deutlich verkompliziert und entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch sehr viel schwerer verständlich. Zudem wurde die Problematik des negativen Stimmgewichts nicht gelöst, nicht einmal in Bezug auf den konkreten Fall zur Wahl von 2005. Auch andere verzerrende Bestandteile des Wahlsystems wie Überhangmandate, wurden nahezu unverändert beibehalten. Der Mehr Demokratie e.V. und wahlrecht.de organisieren daher bereits eine neuerliche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Piratenpartei könnte sich an dieser Klage durch Mitarbeit, organisatorisch, finanziell oder anderweitig beteiligen, jedoch ist dies für eine Partei nicht ausreichend. Da das Wahlrecht eine so zentrale Rolle in einer parlamentarischen Demokratie einnimmt, Wahlrecht Bürgerrecht ist und die Piratenpartei die eine Bürgerrechtspartei der deutschen Politik ist, bleibt es ungenügend, nur zu kritisieren ohne selbst konkrete Gegenvorschläge in einem Kernthema der Partei zu bieten. Als Startpunkt soll daher dieses Positionspapier dienen. Mit diesem können grundsätzliche Standpunkte der Partei durch Abstimmung auf dem Bundesparteitag zur Basis der weiterführenden Arbeit werden. Es gibt noch keine ausreichend weit fortgeschrittene Ausarbeitung eines konkreten Entwurfs für ein neues Bundeswahlgesetz, aber mit einem Beschluss für dieses Positionspapier kann einerseits die Richtung festgelegt werden, in die eine solche Entwicklung gehen soll und andererseits ermöglicht es eine effektive Pressearbeit, da so in der Öffentlichkeit auf eine durch den Bundesparteitag legitimierte Beschlusslage Bezug genommen werden kann.

Daher wurde dieser Antrag ganz gezielt nur als Positionspapier und noch nicht als Programmantrag gestellt. Ein hierauf aufbauender Programmantrag ist jedoch zu einem nachfolgenden Bundesparteitag nicht nur denkbar und möglich sondern sollte gerade die Folge dieses Positionspapiers sein.

Anmerkung: Über die Spiegelstriche soll einzeln abgestimmt werden. Diese überlappen sich teilweise inhaltlich, wie etwa die ersten beiden. Außerdem lässt sich ggf. nicht für jeden einzelnen Punkt eine Mehrheit finden und das Positionspapier soll nicht in seiner Gänze daran scheitern, dass ein einzelner Punkt nicht mehrheitsfähig ist.

Weiterführende Links zur Thematik:

Liquid Feedback

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Wiki-Antragsfabrik

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Piratenpad

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Konkurrenzanträge

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    Datum der letzten Änderung

    16.11.2011

    Antragsgruppe

    Demokratie

    Status des Antrags

    Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft