BW:Piratentreff Freiburg/Aktionen/2010-01-14 - Adhocracy-Schulung
Datum: 14.01.2010 19:00
Ort: Wegpunkt in Google-Maps Raum 03 - 026 (3. Stock)
Was: Im Zuge der Diskussion über die Satzung des zu gründenden Bezirksverbands Freiburg haben wir uns überlegt, das Liquid Democracy-Tool Adhocracy versuchsweise für die Abstimmung der Satzung zu nutzen. Um das Vorhaben in die Tat umzusetzen, wäre es sinnvoll, wenn wir Piraten auch wissen, wie man mit einem solchen Tool umgehen soll. Deshalb haben wir für diesen Termin eine Schulung bzw. Demo des Tools durch Friedrich angesetzt. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten.
Koordination: Andre
Vortrag: Friedrich
Raumreservierung: Christoph (ok, Raumreservierung bestätigt)
Homepage des Tools: http://habermas.liqd.de/Adhocracy, veraltete Demo-Version: http://adhocracy.cc
Inhaltsverzeichnis
Liquid Democracy
Falls jemandem das Konzept der Liquid Democracy bisher noch fremd ist, kann er dies auf der genannten Seite im Piratenwiki nachlesen. Außerdem gab es beim letzten Chaos Communications Congress (26C3) einen Vortrag über Liquid Democracy. Hier lassen sich Download- und Torrent-Links zu den Vorträgen finden. Es lassen sich dort übrigens noch viele andere Vorträge finden, die sich piratigen Themen widmen.
Vortrag
Wir haben uns in Freiburg darauf geeinigt, dass es sich nicht um einen klassischen Vortrag mit Slides handeln soll, sondern dass wir am besten zusammen die Real-Life-Situation der Bezirksverbandssatzung in Adhocracy abbilden. Dazu werden wir gemeinsam mit Pudos Unterstützung direkt das Tool benutzen.
Wer möchte, kann einen Laptop mitbringen. Guschtel kann uns ein Zertifikat freischalten, damit wir heute Zugang zum WLAN haben. Kein Laptop wäre aber auch nicht schlimm, weil der Focus auf der Vorführung und der Diskussion liegen soll.
Videostream
Um auch Piraten die Teilnahme zu ermöglichen, die sich nicht auf den langen Weg nach Freiburg machen möchten oder können, wäre es sinnvoll, von der Schulung einen Stream zur Verfügung zu stellen. Wer sich hier konstruktiv einbringen möchte, ist hiermit aufgefordert, an dieser Stelle Streamingmöglichkeiten vorzuschlagen.
- Ich selbst habe mit mal Livestream.com angesehen, bin aber eher nicht davon begeistert, weil es nicht möglich zu sein scheint, den Stream privat zu halten. Navigator 19:37, 8. Jan. 2010 (CET)
- Wär das so schlimm? Wie wärs mit ner Skype-Videokonferenz als Alternative? Hinterher einen Mitschnitt, Vortragsfolien etc. rumschicken würde m.E. auch reichen LifeScientology
- Mitschnitt des Redner-Pults ist kein Problem, Streaming schon. --Guschtel 10:57, 11. Jan. 2010 (CET)
- Ich habe mich jetzt mit Guschtel darauf geeinigt, dass wir einen Mitschnitt des Bildschirms und des Redner-Pult-Tons machen. Ich hoffe, wir bekommen auch irgendwie die Diskussionen audiotechnisch mit drauf. Danach wird das Video an noch zu definierender Stelle hochgeladen. Navigator 21:11, 13. Jan. 2010 (CET)
Protokoll
Protokollant: Andre
Dies ist ein Kurzprotokoll der wichtigsten Punkte, die wir besprochen haben und ist hauptsächlich als Ergänzung zum Videomitschnitt gedacht.
Es waren 10 Teilnehmer anwesend. Begonnen hat Guschtel mit einer kurzen Einführung, wonach er gleich das Wort an Friedrich weiterreichte.
Liquid Democracy
Zunächst referierte Friedrich ein wenig darüber, wie er dazu gekommen ist, Adhocracy zu schreiben. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Seite common-future.org, die dazu gedacht ist, global über Politikthemen zu diskutieren und deren Zielsetzung es war, im Vorfeld der Klimakonferenz in Kopenhagen zu Ergebnissen zu kommen. Die Betreiber der Seite haben prinzipiell die gleichen Erfahrungen wie wir Piraten gemacht und sind deshalb schon bei der dritten Inkarnation ihrer Website. Erster Versuch war ein Forensystem. Bei den Piraten kennt man das auch. Dort werden Themen endlos diskutiert und am Ende kommt man zu keinem vernünftigen Ergebnis. Der zweite Versuch war einer, der auf einem Wiki basierend war. Dort gab es zwar richtig ausformulierte Anträge, aber die Diskussion brach ab. Momentan wird dort ein Versuch auf der Basis von Social Networks durchgeführt.
Die grundlegende Frage dabei ist immer: Wie kann man Entwürfe, wie gemeinsam Politik machen. Das soll natürlich demokratisch passieren. Das Problem an Demokratie ist aber, dass sie zwar dazu geeignet ist, Gerechtigkeit zu schaffen, aber als Prozess ist sie extrem ineffizient. Es ist im übrigen ein Irrglaube, dass das Internet allein zu mehr Demokratie führt.
Aus Informatikersicht ist der Parlamentarismus ein Design-Pattern. Die Regeln sind evolutionär entstanden und haben sich so bewährt wie sie sind. Um die Effizienz zu steigern, brauchen wir allerdings neue Regeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die eigentliche Antragsentwicklung viel aufwändiger als die letztendliche Abstimmung ist.
Friedrich hat zwischen zwei verschiedenen Arten von Entscheidungen unterschieden zwischen denen der Übergang allerdings fließend ist. Am einen Ende des Spektrums gibt es operative Entscheidungen wie "Wann machen wir den nächsten Infostand?". Am anderen Ende sind es strategische Entscheidungen wie die Positionierung zum Urheberrecht. Seiner Ansicht nach ist LiquidFeedback eher für die operativen Entscheidungen geeignet. Er sprach auch an, dass man auch der Basisdemokratie gewisse Grenzen setzen muss. Sie darf nicht im Micromanagement enden, bei dem am Ende über jedes einzelne Plakat und dessen Aufstellungsort abgestimmt wird.
Eine Eigenart des Liquid Democracy-Prozesses in seinem Tool Adhocracy ist das Fehlen von festen Terminen für das Ende einer Abstimmung. Das ist absichtlich so gewählt, weil feste Termine zur Wahlmanipulation einladen. Stattdessen gibt es ein variabel einstellbares Zeitfenster, das vorgibt, über welchen Zeitraum ein Vorschlag eine bestimmte Zustimmungsschwelle überschritten haben muss, um als angenommen zu gelten. In der umgekehrten Richtung wird auch in Art einer Hysterese erwartet, dass die Zustimmung eine bestimmte Zeit unter einem festgelegten Wert sein muss, um als abgelehnt zu gelten. Das ist notwendig, um Entscheidungen nicht permanent toggeln zu lassen.
Nach diesen einleitenden Worten kam es zur konkreten Vorstellung von Adhocracy. Für den Feldtest mit den Piraten hat er die Domain www.liqp.org als Plattform eingerichtet. Die dort installierte Software ist seiner Aussage nach eher in einem Alpha- statt in einem Beta-Stadium. Das ist zwar ein Risiko, aber gleichzeitig auch die Chance für uns Piraten, noch Ideen in das System einzubringen. Nachdem man sich einen Account angelegt hat, ist insbesondere wichtig, sich im Profil einzustellen, wieviele Benachrichtigungen man von Adhocracy haben möchte.
Schaut man sich die Vorschläge im System an, fällt auf, dass einige Texte blau hinterlegt sind. Das sind die Beschlusstexte. Die farbliche Markierung dient dazu, diese Texte von den Diskussionen abzuheben, die keine farbliche Kennzeichnung haben. Es sind am Ende nur die blau hinterlegten Texte, über die abgestimmt wird. In dem System lässt sich übrigens alles edieren. Sowohl die Beschlusstexte als auch die Kommentare anderer User sind veränderbar. Das mutet zunächst etwas seltsam an, soll aber dazu dienen, den Inhalt vom Inhaltsersteller zu entkoppeln, da es nur um die Suche nach dem besten Argument geht und nicht auf die antragsstellende Person ankommen soll. Alle Texte werden allerdings versioniert, so dass man erkennen kann, wer welche Aussage gemacht und wer was geändert hat.
Innerhalb der Texte gibt es eine Sprache, die auf Markdown basiert und ähnlich wie im Wiki ist. Mit Gleichheitszeichen kann man Überschriften markieren, mit Sternen Aufzählungen einleiten und mit der Syntax (linkname)[linktarget] Weblinks beschreiben. Wie bei Twitter werden Antworten an andere User mit einem @name eingeleitet.
Wichtig für das Tool ist es, dass nicht nur der Entwurf selbst strukturiert dargestellt werden muss, sondern auch die Diskussion, die drum herum stattfindet. Ein weiteres wichtiges Strukturierungsfeature ist, dass logische Beziehungen zwischen Vorschlägen angelegt werden können.
Etwas problematisch wird es, wenn es mehrere Vorschläge gibt, die sich nur in sehr kleinen Teilen unterscheiden. Text-Diffs würden nicht wirklich weiterhelfen, weil man mit relativ viel textuellem Unterschied nur kleine inhaltliche Unterschiede ausdrücken kann, während in einem anderen Kontext vielleicht nur ein unterschiedliches Wort den ganzen Sinn umkehrt. Man bräuchte also so etwas wie Social Diffs. Wenn zwei Kontrahenten mit entgegengesetzten Meinungen den selben Vorschlag bearbeiten, sind Edit-Wars vermutlich unvermeidlich. Ziel der Pilotphase ist daher auch, herauszufinden, wie oft so etwas wirklich passiert.
Ist erst einmal eine Abstimmung eingeleitet, was jeder Teilnehmer triggern kann, so ist das Ändern der Antragstexte verboten. So lange allerdings ein Zustimmungsthreshold nicht überschritten wurde, kann die Abstimmung auch wieder von jedem User unterbrochen werden. Daher kam die Frage auf, ob das wirklich jedem User erlaubt sein sollte. Andere Möglichkeiten wären daher die Bestimmung von Admins oder aber eine Meta-Abstimmung, die nur dazu dient, herauszufinden, ob man über das eigentliche Thema jetzt schon abstimmen möchte.
Friedrich hat noch eine ganze Menge Konzepte, die er gern realisieren möchte, aber bei denen er noch Vorschläge bräuchte, wie das sinnvoll umgesetzt werden könnte. So schwebt ihm die Erweiterung um Bündnisse vor, denen man zu bestimmten Themen beitreten kann (z.B. Umweltschützer). Wer also Vorschläge zu solchen oder ähnlichen Themen hat, ist hiermit aufgefordert, sich mit Friedrich in Verbindung zu setzen.
Ein kleiner Schwachpunkt in Bezug auf unsere Pilotphase mit dem Satzungsentwurf ist, dass Themen in Adhocracy immer nach Relevanz sortiert werden. Die Reihenfolge spielt ansonsten keine Rolle. Deshalb haben wir überlegt, die jeweiligen Paragraphen-Nummern des Wiki-Satzungsentwurfs mit in den Namen aufzunehmen, um diese zu einem endgültigen Text einfach sortieren lassen zu können. Derzeit fehlt auch noch eine Funktion, zwischen vorhandenen Absätzen neue Absätze einzufügen. Darum will sich Friedrich noch kümmern.
Alles in allem kann ich sagen, dass der Vortrag von Friedrich sehr gut vorbereitet und noch viel interessanter als erwartet war. Ich habe eine Menge über demokratische Mechanismen und die damit verbundenen Detailprobleme gelernt. Schaut Euch das Video an. Ihr werdet es nicht bereuen. -- Navigator 00:00, 15. Jan. 2010 (CET)
Einwände?
Uns in Freiburg ist klar, dass die Planung der Schulung etwas kurzfristig ist. Außerdem ist mit Piraten außerhalb des Freiburger Stammtisches die Benutzung des Tools nicht abgesprochen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle explizit die Möglichkeit einräumen, Bedenken anzumelden. Ich selbst halte die Benutzung des Tools aber für eine große Chance auf dem Weg zu mehr Basisdemokratie innerhalb der Partei. Die Experimente mit LiquidFeedback in Berlin wurden auch seitens der Presse sehr wohlwollend aufgenommen. Wir wären, was die Diskussion einer Satzung im Vorfeld zu einer Gründung eines Verbands angeht, Pioniere der LD-Umsetzung. Natürlich dienen die Ergebnisse der Abstimmung in Adhocracy nur der Vorbereitung der Satzung, die wir dann auf dem Gründungstag hoffentlich nur gemeinschaftlich abnicken müssen. Navigator
Bin dabei:
- Andre
- Christoph (muss ja ;-))
- Friedrich
- Skl8em
- Stefan
- Anita (wenn nicht kurzfristig noch krank, so wie heute)
- Benni Stark (erfahren wir denn noch den schulungsraum?)
- Jan
- Christian - hoechstwahrscheinlich, aber nur bis kurz nach 8.
- Du?
Bin nicht dabei:
- DanielG ->leider zu kurzfristig, würde gerne teilnehmen, habe aber keine Zeit an diesem Tag, eine Doodle-Umfrage zum Termin hätte ich gut gefunden. Aber da der Termin schon steht, kann man da ja nichts mehr machen. Es würde mich freuen, wenn das Video Online gestellt werden würde.
- Ich weiß, dass es kurzfristig war. Das Problem ist aber, dass nicht nur der Vortragende und möglichst viele Leute Zeit haben müssen, sondern auch der Schulungsraum zur Verfügung stehen muss. Eine Doodle-Umfrage, die dann vielleicht noch eine Woche gelaufen wäre, hätte das Problem, dass wir mit bisher nicht reservierten Terminen für den Schulungsraum hätten jonglieren müssen. Wir hätten keine Garantie gehabt, dass der per Doodle bestimmte Termin dann überhaupt zur Verfügung gestanden hätte. Wir können ja nicht alles auf Verdacht im Voraus reservieren. Da wir zumindest von 20 Leuten gestern instantan Feedback bekommen konnten (ja, ich weiß, alles Freiburger), war die Terminwahl schnell getroffen. Das waren immerhin viermal so viele Entscheider wie beim Termin für den BPT 2001.1. ;-) Navigator 21:57, 8. Jan. 2010 (CET)