Teilers Kommentar zur Gründung des Frankfurter Kollegiums

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Mit großem Unmut nahm ich die Ausrufung dieses Vereins innerhalb der PP zur Kenntnis, in dem sich auffallend viele Landesvorstände (und andere Posteninhaber) und der Ex- und Vize-Bundesvorsitzende Sebastian Nerz tummeln.

Fefe sprach:

die Neocons um den CDUler Nerz spalten sich ab. Deren Position ist:
  So wenig Staat wie möglich, so viel wie nötig
Ich schlage vor, die schließen sich direkt mit der FDP zusammen, und dann können 
sie zusammen unter  5% rumgammeln.  Auch deren Themen erinnern stark an FDP-Neusprech:
 Man habe außerdem schon über Themen wie Bürokratieabbau für kleine und 
 mittelständische Unternehmen oder eine Reform der Industrie- und Handelskammern
 gesprochen.

Wobei dieses "Kollegium" keine Spaltung darstellt wie Fefe sie fälschlich einordnet. Es handelt sich viel mehr um einen Klüngelverein oder Karrierenetzwerk, wie wir es aus anderen Parteien kennen, welches dazu dient Seilschaften zu etablieren und Posten zu vergeben. Die Parallelen zum Seeheimer Kreis innerhalb der SPD, in dem sich parteirechte Karrierepolitiker wie z. B. Schröder, Steinmeier, Müntefering, Steinbrück, Clement & Co. organisier(t)en, sind frappierend.

Der Name

Eines hat Fefe richtig erkannt: Das "Kollegium" verrät sich durch seine Sprache. Fangen wir beim Namen an: Was ist eigentlich ein Kollegium?

eine Gemeinschaft von Personen gleichen Amtes

Aha. So wie Lehrerkollegium. Auch wenn die Franfurter beteuern, jeder Pirat könne mitmachen, der von ihnen gewählte Name suggeriert Exklusivität und, ja Privilegiertheit. Eine Gemeinschaft von Amtsträgern. Wie z. B. Landes- und Bundesvorständen (und solchen, die es werden wollen).

Rein zufällig existiert auch ein Lobbyverein, der sich "Das Collegium" nennt. Wie gesagt, reiner Zufall dass die den Namen Kollegium gewählt haben. Wenn man dran glauben will.

Offenbar hat man sich in Frankfurt zur Vorbereitung getroffen, das erklärt den Präfix. Vielleicht soll das auch eine Abgrenzung zum einflusstarken, progressiven Berliner Landesverband ausdrücken (EDIT: auch wenn MdA Susanne Graf und Christopher Lang zu den Unterstützern gehören).

Sozial-Liberale in der Piratenpartei? O RLY?

Das Frankfurter Kollegium bezeichnet sich selbst als "sozial-liberal". Das klingt zunächst beruhigend, die meisten Piraten verstehen sich schließlich als linksliberal. Ist aber auch ein bisschen wie Christen in der CDU oder Sozialdemokraten in der SPD. Der Begriff liberal ist außerdem längst durch die FDP verbrannt. Und auch "sozial" ist ein dehnbarer Begriff, man denke nur an die SPD oder die Initiative neue soziale Marktwirtschaft. Letztendlich sind solche Begriffe nur Federn, mit denen sich jeder der will schmücken kann. Für mich sieht es so aus, als wolle das Frankfurter Kollegium Definitionshoheit über den Begriff ergreifen.

Wir wollen sozialliberale Themen weiter voranbringen

Irritierend ist, wo die Notwendigkeit für das forcieren dieser Themen ist. Es wird unterstellt, die Partei drifte in eine gegensätzliche Richtung. Konkrete Beispiele für nicht sozial-liberale Entwicklungen können die Frankfurter Kollegen merkwürdigerweise nicht benennen. Trotzdem, sie sehen die Notwendigkeit einer sozial-liberale Gruppe innerhalb einer sozial-liberalen Partei.

Das Manifest

Eine Textwüste voller redundantem Geschwurbel und Allgemeinplätze rund um Mensch, Gesellschaft und 'Freiheit. Was das Kollegium konkret stört, oder was es konkret ändern will, bleibt schleierhaft. Es finden sich auch ein paar Beispiele für altbekannten neoliberalen Zwiesprech:

Der Staat hat die Aufgabe, die grundsätzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen um die freie Entwicklung   
der Gesellschaft und der Menschen sicher zu stellen

Ein Gassenhauer der ordoliberalen Wirtschaftstheorie: Der Staat schafft nur die Rahmenbedingungen, den Rest regelt der Markt.

Ein freier Mensch kann nur existieren, wenn er frei von Zwängen ist. Das befreit den Menschen aber nicht  
von Verantwortung

Ausgehend von ebendieser Verantwortung argumentieren auch Befürworter des ALG II-Systems gerne. Fördern und fordern. Wer Kohle vom Staat will, der soll sich auch um einen Job bemühen.

Nur Bildung für alle bringt nachhaltig soziale Gerechtigkeit.

Die abgestandene Mär vom Aufstieg durch Bildung verbreitet heute sogar die CDU auf Wahlplakaten. Und kann irgendwer das Wort nachhaltig noch hören?

Wir bekennen uns daher zu den Idealen einer sozialen Marktwirtschaft.

Soziale Marktwirtschaft ist ebenfalls ein Gassenhauer von CDU und FDP, mit dem der immer weiter eskalierende Kapitalismus beschönigend umschrieben wird, und implizit grundsätzliche Alternativen zur herrschen Wirtschaftsordnung abgelehnt werden.

Disclaimer: Ich unterstelle den Autoren damit keine bösen Absichten. Die Übernahme solcher Phrasen aus den Medien und von den etablierten Parteien geschieht automatisch und unterbewusst. Ihre Verwendung ist aber unreflektiert und naiv. Mein Hauptkritikpunkt am Manifest ist, dass es mit sehr vielen Worten sehr wenig sagt und vage bleibt.

Die Gründer

Da die Positionen zwischen butterweich und verschwommen rangieren und man ALLES in das Manifest hineinlesen kann, ist evtl. die Liste der Initiatoren aufschlussreicher. Es stellte sich als gar nicht mal leicht heraus, Namen und eventuell bekleidete Parteiämter der Gründungsmitglieder herauszufinden. Bekannt sind so weit:

  • Sebastian Nerz: Dürfte allseits bekannt sein und gehört klar zum rechsliberalen Teil innerhalb der Piratenpatei. War 3 Jahre lang in einem CDU-Ortsverein aktiv. Mir ist er auch in Erinnerung mit der Verharmlosung von NPD-Mitgliedschaften als "Jugendsünden"
  • Sven Schomacker, Generalsekretär im Bundesvorstand der Piratenpartei
  • Andreas Neugebauer, Vorsitzender Landesvorstand Niedersachsen
  • Thomas Gaul, stellv. Vorsitzender Landesvorstand Niedersachsen
  • Astrid Semm, Beisitzerin im Landesvorstand Bayern
  • Aleks Lessmann, ehemaliger Pressesprecher der Piratenpartei Deutschland. Das ist derjenige, den SpOn mit "So wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig" zitiert
  • Wolfgang Steinert, Beauftragter für IT des Landesverbands Bayern
  • Christian Reidel, Vorsitzender Bezirksverband Niederbayern
  • Mario Tants, Vorsitzender Kreisverband Bremerhaven.

Quelle

  • Andree Martens aka @Brainvibes auf Twitter und ehemaliger BW-Landesvorstand und BT-Listenkandidat

Update: Hier hat sich jemand mal die Mühe gemacht das herauszuarbeiten. Imposante Liste: http://t.co/Aab63J7R

Vereinsmeierei

Wenn ich richtig verstanden habe, soll das Kollegium auch noch ein offiziell eingetragener Verein sein. Also mit Mitgliedsstatus und dem ganzen Strukturfoo wie Satzung, Vorstand, Schatzmeister etc. Natürlich kann man niemandem verbieten, gleichzeitig Miglied einer Partei und in einem Verein zu sein. Aber ein Verein speziell für Mitglieder einer Partei? Untergräbt meiner Meinung nach die Struktur der Partei und schürt Interessenskonflikte.

Impressum Benutzer:Teiler's Kommentar

Eure speziellen Fragen können hier gestellt werden