SN:Kreisverband/Mittelsachsen/Programm
Programm des Kreisverbandes Mittelsachsen
zuletzt beschlossen am 09.12.2012
Programm
Über große Zeiträume wurde ein wesentlicher Teil des Reichtums des Kurfürstentums Sachsen in den Silberminen von Freiberg erwirtschaftet. Diese Zeit ist bereits seit Jahrzehnten Geschichte: 1913 wurde die letzte staatliche Silbermine in Freiberg geschlossen, 1969 der Bergbau in der Region Freiberg beendet. Zwar gibt es aktuell durchaus Bestrebungen im sächsischen Landtag, den Abbau von Rohstoffen in Sachsen wieder auszudehnen. Diese Bestrebungen werden aber gewiss keine Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage in der heutigen Zeit bedeuten. In einer Region wie Mittelsachsen, in der der Grund und Boden nicht von sich aus das hergibt, was die fast 330.000 Menschen im Landkreis für ihr Leben benötigen, ist einzig die Ausbildung, die Fertigkeit und die Fähigkeit der hier lebenden Menschen entscheidend für den Wohlstand. Bildung ist das Silber des neuen Zeitalters.
Bildung darf und soll allerdings nicht nur wirtschaftlich betrachtet werden. Dem Wort Bildung kommt in ganz bedeutendem Maße das Moment der Selbständigkeit, also des Sich-Bildens der Persönlichkeit zu. Hierbei sind neben fachlicher Kompetenz somit vor allem die Befähigung zum selbstbestimmten Handeln, eine Herausbildung von Urteils- und Kritikfähigkeit, von Leistungsfähigkeit und Leistungswille Ziele, die unsere Gesellschaft strikt verfolgen muss. Bildung darf folglich nicht einfach das Vermitteln von Fakten sein, sondern die Befähigung zur Eigenständigkeit, ja die Befähigung sich stetig selbst weiterentwickeln, weiterbilden zu können. Auf diese Weise jungen Menschen ein Fundament für ihr Leben zu geben, ist die dringlichste Aufgabe unserer Zeit. Nur wenn wir dies garantieren, können wir der Zukunft gelassen entgegen sehen. Was mögen Wirtschafts- und Finanzkrisen einer Gesellschaft anhaben, die arbeitsfreudig und leistungswillig auftretende Probleme flexibel angeht?
Wir Piraten fordern und fördern ein bildungsfreundliches Klima, das diesem Ziel dient. Wenn wir von Bildung reden geht es uns wohlgemerkt nicht darum, dass möglichst viele hohe akademische Titel verliehen werden. Diese in der aktuellen politischen Debatte vorherrschende Zielsetzung halten wir für einen Irrweg, den wir verlassen sollten. Nicht zusätzliche in Massenveranstaltungen "ausgebildete" Akademiker brauchen wir, sondern Menschen, die das oben skizzierte Verständnis für Bildung leben.
Nun mag man dem zustimmen und doch einwerfen, dass Bildung ein landespolitisches und nun mal kein kreispolitisches Thema ist. Ja, Bildung ist ein landespolitisches Thema und wir können aus unserer Position in Mittelsachsen heraus weder Lehrziele, noch Lehrpläne festlegen. Dennoch gibt es genug Verantwortlichkeiten des Landkreises in diesem politischen Feld. Und wir wären keine Piraten, wenn wir diese Verantwortlichkeiten nicht erkennen, und daraus konkrete Gestaltungsmöglichkeiten und realisierbare Vorschläge ableiten würden, die eine Verbesserung aktueller Verhältnisse von der Basis im Landkreis ausgehend ermöglichen. Hierfür tragen wir folgende fünf konkrete Forderungen und Vorschläge in die politische Debatte in Mittelsachsen hinein, die unsere übergeordneten Ziele reflektieren:
Modul 1:
1. Erhalt von Schulen im ländlichen Raum
Das Problem der Schulschließungen ist in Mittelsachsen allgegenwärtig und umfasst jede Schulform. Wir fordern ein klares Bekenntnis des Landkreises zu einem flächendeckenden Schulangebot. Die Schule im Ort soll kein Luxus sein, den sich nur reiche Gemeinden leisten können. Eine Schule bedeutet gerade für kleine Orte lebenslange Verbundenheit und einen nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftsfaktor.
Es gilt privates Engagement für den Erhalt und Ausbau von Bildungsangeboten zu fördern. Hierbei ist insbesondere für Unterstützung von freien Trägern zu werben, für die bestehende bürokratische Hürden abzubauen sind. Um auf den aktuellen Lehrermangel flexibel reagieren zu können, soll auf das große
Potenzial älterer Menschen in Mittelsachsen zurückgegriffen werden, die im Bereich der Grundlagenbildung ehrenamtlich eingebunden werden können.
Modul 2:
2. Schaffung von Angeboten zur Verbesserung von Medienkompetenz
Wir stellen aktuell sehr hohen Nachholbedarf in Sachen Medienkompetenz, allgemein im Bereich des Umgangs mit Computern und dem Internet, in allen gesellschaftlichen Schichten fest. Teils liegen Situationen vor, in denen Lehrer mit dem Kenntnisstand ihrer Schüler, Eltern mit dem Kenntnisstand ihrer Kinder nicht mithalten können. Andererseits werden neue Medien, vor allem soziale Netzwerke von Jugendlichen in unbedarfter Weise verwendet.
Diesen offenkundigen Missständen wollen wir entgegentreten. Hierzu sind Kursangebote durch den Landkreis zu etablieren, die von jedem Kenntnisstand ausgehend Kompetenz im Umgang mit Computern und dem Internet entwickeln. Diese Angebote sind vor allem auch für Eltern und Lehrer anzubieten. Neben Grundlagenkursen sollen auch fortgeschrittene Kurse angeboten werden, die Themen wie freie Software und Softwareentwicklung aufgegriffen. Die Angebote sollen flächendeckend verfügbar gemacht werden. Hierzu soll durch den Kreistag gemeinsam mit Volkshochschulen, freien Dozenten und Schulen ein Detailkonzept ausgearbeitet werden.
Modul 3:
3. Etablierung eines Fernstudienzentrums in Mittelsachsen
Sachsen bietet mit seinen etablierten Universitäten bereits zahlreiche Möglichkeiten des Präsenzstudiums und der Präsenzweiterbildung. Im Gespräch mit vielen Menschen haben wir die Erfahrung gesammelt, dass durchaus häufig der Wunsch besteht, parallel zum jeweiligen Beruf ein Studium durchzuführen oder eine persönliche fachliche Weiterbildung zu betreiben. Hierfür eignet sich ein Fernstudium, das beispielsweise in Teilzeit absolviert wird. Die in Deutschland vorhandene Infrastruktur für das Fernstudium ist aktuell schlecht entwickelt. Fernstudium heißt hier meist, dass Anwesenheit zu bestimmten Zeiten an entfernten Orten erforderlich ist. Um dieses Problem zu beseitigen, soll in Mittelsachen ein Fernstudien- und Weiterbildungszentrum entabliert werden, das in Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen beispielsweise das Durchführen von Präsenzveranstaltungen oder das Ablegen von Prüfungen ohne weite Wege ermöglicht. Ein solches Zentrum kann auch auf angrenzende Landkreise eine hohe Strahlkraft ausüben. Hier hat der Landkreis Mittelsachsen die Chance, Vorreiter für Weiterbildungsangebote zu werden, die den aktuellen Lebensanforderungen gerecht werden.
Modul 4:
4. Schaffung einer Dualen Hochschule in Mittelsachsen
Wir erachten eine praxisnahe Ausbildung als ein wichtiges Standbein unserer Region. Hierfür eignen sich in besonders hervorragender Weise die Ausbildungsmodalitäten an Berufsakademien. In diesem Zusammenhang ist der Landkreis aktuell unterrepräsentiert. Zwar bietet er mit der TU Bergakademie Freiberg und der Fachhochschule in Mittweida zwei etablierte Bildungseinrichtungen, eine strukturierte duale Ausbildung im Sinne der Berufsakademien bzw. Dualen Hochschulen wird durch diese allerdings nicht angeboten. Um hier ein fundiertes Bildungsangebot zu sichern, soll das in Freiberg und Mittweida bestehende Bildungsangebot um eine Berufsakademie bzw. Duale Hochschule ergänzt werden.
Modul 5:
5. Etablierung und Unterstützung regionaler ingenieurtechnischer und künstlerischer Wettbewerbe
Wir haben in den letzten Jahren mehrfach Initiativen beobachtet, die für bestimmte Themenfelder in Form von Wettbewerben zu begeistern suchten. Einige dieser Initiativen sind durchaus auf große Resonanz gestoßen, sind nach einiger Zeit häufig allerdings aufgrund mangelnder strukturierter Unterstützung wieder verschwunden. Der Landkreis soll bestehende Initiativen mit einem Fokus auf ingenieurtechnische und künstlerische Ausrichtung gezielt organisatorisch, personell wie auch finanziell unterstützen. Der dabei erforderliche Aufwand ist im Vergleich zu der erzielten Breitenwirkung und der Aktivierung und Motivation von Menschen geradezu zu vernachlässigen. Ein Beispiel eines unterstützenswerten Projektes ist etwa der Wettbewerb "RoboSax".
Modul 0:
Abstrakt und allgemein gesprochen bezeichnet der Begriff Infrastruktur den Unterbau (infra - „unter“, structura -„der Bau”)
unseres gemeinsamen, gesellschaftlichen Wirkens. Dieser Unterbau umfasst vor allem das Transport- und Kommunikationswesen wie auch die Energieversorgung. Das politische Feld der Infrastruktur ist ein Querschnittsthema, das mit verschiedenen anderen Feldern verbunden ist. In kaum einem Bereich existieren eine so starke Verknüpfung und eine Vermischung der Verantwortlichkeiten auf verschiedenen politischen Ebenen.
Denkt man an Infrastruktur, ist man schnell bei dem Gedanken an Baumaßnahmen, die endlos geplant und über Jahre diskutiert werden. Ein sehr gutes Beispiel ist die im Landkreis seit Jahren geführte Debatte rund um eine Freiberger Umgehungsstraße, die einem ewigen Hin und Her gleicht. Gemäß der Forderungen der Piratenpartei nach einer verstärkten Basisdemokratie halten wir es bei derartigen Bauvorhaben sehr einfach: Bei umfassenden Infrastrukturvorhaben sollten die Einwohner der betroffenen Städte und Gemeinden befragt werden. Das Ergebnis eines solchen Volksentscheids ist anschließend bindend. Dies kürzt bei einer fundierten Gestaltung der Umfrage Debatten ab und vergrößert unsere Handlungsfähigkeit, anstatt unsere Ressourcen für endlose Diskussionen und ständig wechselnde Planungsansätze zu vergeuden. Die Forderung nach Volksentscheiden bei infrastrukturellen Bauvorhaben bildet die Kernforderung der Piraten in Mittelsachsen. Parallel zu dieser Forderung haben wir einige Vorschläge ausgearbeitet, die ergänzend zur bestehenden Infrastruktur zur Erhöhung der Attraktivität unserer Region – sei es für Familien, für Studenten und für Unternehmen – beitragen werden. Kernherausforderung ist hierbei, dass mit immer knappen Mitteln eine solide und lebenswerte Infrastruktur erhalten und sogar verbessert werden soll. Die Maßnahmen sollen einen Beitrag zu unserer übergeordneten Zielsetzung leisten, den ländlichen Raum zu stärken.
Modul 1:
1. Flächendeckende Breitbandversorgung
Wir setzen und für eine flächendeckende Breitbandversorgung im Landkreis Mittelsachsen ein. Hierdurch soll der gesamten Bevölkerung und hier ansässigen Unternehmen ein gleichwertiger und kostengünstiger Zugriff auf das Internet und die darüber zur Verfügung gestellten Dienste gewährt und das Angebot eigener Dienste ermöglicht werden. Wir begrüßen grundsätzlich die Breitbandinitiative des Landkreises, kritisieren daran allerdings, dass einerseits manche Gemeinden und Ortsteile nach wie vor von der Versorgung ausgeschlossen sein werden und dass andererseits eine einseitige technologische Lösung durchgesetzt wird. Letzteres führt zu überhöhten Kosten und einem teils unnötigen Eingriff in den Erdraum. Wir setzen uns in den bisher unerschlossenen Gebieten für einfach realisierbare Richtfunkstrecken ein, die diese Probleme vermeiden.
Modul 2:
2. Privates Carsharing fördern und Verknüpfung mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Laut namenhafter Carsharing-Anbieter gibt es in Mittelsachsen und erreichbarer Umgebung nur wenige registrierte Carsharing-Autos. Die Anzahl ist deutlich ausbaufähig. Viele Menschen wissen gar nicht, dass es Anbieter für privates Carsharing und sogar entsprechende Versicherungen dafür gibt. Wir wollen privates Carsharing im Landkreis bekannter machen und fördern. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass gewerbliche Carsharing-Anbieter bei der Planung des öffentlichen Verkehrsnetzes einbezogen werden. Auf diese Weise kann eine gute Kombination aus Carsharing und
öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden. Weiterhin soll im Landkreis ein Webportal etabliert werden, in dem man sich registrieren und Daten zu regelmäßig/zu bestimmten Zeiten gefahrenen Strecken hinterlegen kann, um so Mitfahrgelegenheiten der Bürger Mittelsachsens besser zu koordinieren.
Modul 3:
3. Studententickets für Nahverkehr in Sachsen
Im Gegensatz zu anderen sächsischen Hochschulen erhalten die Studenten der TU Bergakademie Freiberg und der Hochschule Mittweida kein in ganz Sachsen gültiges Studententicket. Um in diesem Zusammenhang die mittelsächsischen Hochschulen attraktiver zu machen, möchten wir ein vergleichbares Angebot an den mittelsächsischen Hochschulen durchsetzen.
Modul 4:
4. Fahrradfreundliches Wegenetz
Wir setzen uns für ein qualitativ hochwertiges und durchgängig befahrbares
Radverkehrsnetz ein. Neben der Pflege bestehender Radwege soll das existierende Netz erweitert werden. Der Landkreis sollte die aktuell verfügbaren Wege publizieren und so insgesamt die Nutzung des Rads als reguläres Verkehrsmittel unterstützen.
Modul 5:
5. Elektromobilität
Elektromobilität ist einer der Ansätze, der Antworten auf die zunehmende Verknappung nicht regenerativer Ressourcen bieten soll. Elektromobilität ist eines der zentralen Themen aktueller Forschungs- und Entwicklungsbestrebungen. Jenseits von wenigen Forschungsprojekten existieren aktuell kaum Erkenntnisse zur Realisierbarkeit eines elektromobilen öffentlichen und privaten Nahverkehrs im ländlichen Raum. Hier soll der Landkreis Mittelsachsen eine Vorreiterrolle einnehmen und eine solide umfassende Evaluierung der Technologie durchführen. Neben Pilotprojekten soll in diesem Zusammenhang verstärkt Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden, um das technologische Verständnis im Landkreis zu vergrößern. Bei allen angestrebten Projekten sollen hierbei offene Standards berücksichtigt werden. In unserem Landkreis soll eine Modellregion für Elektromobilität im ländlichen Raum geschaffen werden. Die dabei gesammelten einmaligen Erfahrungen und Kompetenzen können dabei ein Alleinstellungsmerkmal des Landkreises bilden und anderen Landkreisen zur Verfügung gestellt werden.
Bisher ist in der Verwaltung des Landkreises maßgeblich kommerzielle Software bekannter US-amerikanischer Firmen im Einsatz. Zahlreiche Beispiele, etwa aus München, zeigen, dass es solide, ausgereifte und äußerst benutzerfreundliche freie Software gibt, die vollwärtige Alternativen zu den aktuell eingesetzten Lösungen bilden. Der Einsatz dieser Alternativen resultiert in immensen Kosteneinsparungen. Wir setzen uns dafür ein, dass auf allen Ebenen des Landkreises freie und quelloffene Software verwendet wird. Hierzu werden wir die Erarbeitung von Konzepten für einen möglichst breiten Einsatz dieser Software im Landkreis Mittelsachsen initiieren und vorantreiben.
Begründung:
Beispiel für Kosteneinsparung im Millionenbereich: Linux-spart-in-Muenchen-Millionen
Unser weltweites Finanzsystem steht in kontinuierlicher Kritik. Befragt man Experten zu offensichtlichen Problemen wie einer Schuldenexplosion, erhält man komplett unterschiedliche Erklärungs- und Lösungsansätze. Wir sehen aktuell an, dass unser Finanzsystem durch Menschen kaum noch verstanden werden kann und fast nicht beherrschbar ist. Aus diesem Grunde ist es entscheidend, Alternativen zum dominierenden Finanzsystem zu entwickeln, die im Falle eines Kollaps wirtschaftsstabilisierend wirken können und zugleich regionale Wirtschaftskreisläufe unterstützen. Wir setzen uns für die Förderung und Unterstützung von Regionalwährungen durch den Landkreis ein. Hierbei soll auf bestehende Kompetenzen - etwa die im Kontext des Zschopautalers erarbeiteten - zurückgegriffen werden.
Unternehmensgründungen können als Indikator für die Innovationsfähigkeit und positive Dynamik einer Gesellschaft gesehen werden. In diesem Zusammenhang existiert in Mittelsachsen klarer Nachholbedarf. Ursachen für die schlechte Position des Landkreises bei Unternehmensgründungen sind u.a. das Fehlen kaufmännischer Kompetenzen und die geringe Gründungsneigung wie auch geringe Bereitschaft unternehmerische Verantwortung zu übernehmen – dies ist insbesondere im Zusammenhang mit Gründungsvorhaben aus den Hochschulen der Fall. In diesem Zusammenhang fordern wir im Landkreis eine solidere und stärkere Gründerkultur, die eine dauerhafte Beratung von Gründern in den zentralen Gründungsphasen garantiert. Hierzu soll ein dauerhaftes und unabhängiges Gründungszentrum etabliert werden.