Recht und Flughafenausbau Frankfurt

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Neben dem politischen und dem öffentlichen Druck bildete schon sehr früh auch das Beschreiten aller Rechtswege ein starkes Mittel der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in ihrem Einsatz gegen den Flughafenausbau und für mehr Lebensqualität. Dieser Einsatz begann bereits bei den ersten Maßnahmen des Verwaltungsverfahrens.

Seit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest kommen für die Anwohner zusätzlich Maßnahmen wie Schadenersatzforderungen, Erstattung von Lärmschutzmaßnahmen, Grundsteuerermäßigung bzw. Ermäßigung des Einheitswertes in Betracht.

Verwaltungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren zum Ausbau des Flughafens und zum Bau der Landebahn folgt dem für derartige Großmaßnahmen üblichen Verfahren. Danach ist zunächst ein sogenanntes Raumordnungsverfahren (§ 15 ROV und die entsprechenden Landesplanungsgesetze – hier das LPG Hessen) vorgesehen. Zweite Stufe ist dann das sogenannte Planfeststellungsverfahren selbst (§§ 72 bis 78 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVerfG).

Raumordnungsverfahren

Das Raumordnungsverfahren wird vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren durchgeführt, wenn das entsprechende Vorhaben raumbedeutsam ist. Raumbedeutsam ist es dann, wenn die geplante Maßnahme eine Flächenbeanspruchung vornimmt, die erhebliche Auswirkungen auf die Funktionen dieser Fläche innerhalb des betreffenden Gebietes hat. Dies ist bei den Verfahren zum Flughafenausbau gegeben.

Das Raumordnungsverfahren gliedert sich dabei in verschiedene Teilabschnitte. Zunächst werden in einem sogenannten Scoping-Termin der Umfang und der Inhalt der dem Antrag des Vorhabenträgers beizufügenden Unterlagen festgelegt. Nach Eingang der Unterlagen wird das sogenannte Anhörungsverfahren eingeleitet. Dabei wird den betroffenen Kommunen, den Trägern öffentlicher Belange und den Bürgern die Gelegenheit zu Einwendungen und Stellungnahmen gegeben, die im anschließenden Erörterungstermin besprochen werden. Das Ergebnis der durch das Regierungspräsidium zu erfolgenden Abwägung des Vorhabens zwischen den Interessen des Vorhabenträgers und den Einwendungen der Beteiligten ist dann eine sogenannte landesplanerische Beurteilung durch das Regierungspräsidium.

Verfahrensverlauf

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 hat der Präsident des Regierungspräsidiums Darmstadt (RP Darmstadt) Dieke das Raumordnungsverfahren für den Flughafenausbau eingeleitet. Anschließend wurden vom 12. November bis zum 21. Dezember 2001 die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren (15 Ordner mit Gutachten und Plänen gefüllt) in den betroffenen Kommunen zur öffentlichen Einsicht ausgelegt. Bürgerinnen und Bürger konnten aufgrund dieser Unterlagen ihre Einwendungen bis zum 5. Januar 2002 einreichen. Insgesamt wurden von den Bürgerinnen und Bürgern 45.000 Einwendungen beim PR Darmstadt eingereicht. Viele Kommunen haben ebenfalls entsprechende Stellungnahmen und Einwendungen vorgebracht.

Der anschließende Erörterungstermin fand vom 8. April bis 25. April 2002 in Frankfurt- Sossenheim statt. Der Erörterungstermin war nicht öffentlich, so dass ausschließlich die Kommunen und die Träger öffentlicher Belange zu dem Erörterungstermin zugelassen waren.

Im Anschluß an den Erörterungstermin hat das PR Darmstadt die Unterlagen auszuwerten und als Ergebnis des Raumordnungsverfahrens eine sogenannte „landesplanerische Beurteilung“ zu erstellen. Diese wurde am 11. Juni 2002 veröffentlicht. [1] Im Ergebnis wurde die Südvariante als nicht raumverträglich angesehen, während die Nord-West- und die Nord-Ost-Variante als „grundsätzlich mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar“, beurteilt wurden. Bei diesen beiden Varianten kann also die Raumverträglichkeit hergestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass zum einen die Ziele des Regionalplans Südhessen 2000 hinsichtlich des regionalen Grünzugs, der Siedlungsbeschränkungsbereiche und des Siedlungsbereiches Zuwachs angepasst werden und dass zum anderen die Bannwaldeigenschaften betroffener Waldabteilungen aufgehoben wird.

EU-Beschwerden gegen die landesplanerische Beurteilung

Einige südhessische Gemeinden sowie auch Bürgerinitiativen (hier vorallem die BI Sachsenhausen) und Privatpersonen haben Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die vom dem PR Darmstadt vorgelegte „Landesplanerische Beurteilung“ eingereicht mit der Hoffnung, dass wegen dieser Verstöße ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird mit der Folge einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.


Planfeststellungsverfahren

Allgemeine Darstellung des Verfahrens

Ähnlich dem Raumordnungsverfahren gliedert sich auch das Planfeststellungsverfahren in verschiedene Abschnitte. So werden ebenfalls in einem Scoping-Termin die Anforderungen und das Ausmaß der einzureichenden Unterlagen festgelegt, die im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig sind. Anschließend wird der Vorhabenträger, hier die Fraport AG, als Antragstellerin die notwendigen Unterlagen beim Regierungspräsidium einreichen (§ 73 Abs. 1 VwVerfG).

Das Regierungspräsidium dient dabei als zuständige Anhörungsbehörde, während die planfeststellende Behörde das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) ist. Nach der Einreichung der Unterlagen wird das Anhörungsverfahren eröffnet, in dem die Antragsunterlagen öffentlich in den betroffenen Kommunen ausgelegt werden und die Kommunen, Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu Einwendungen haben. Zur Erläuterung und Besprechung dieser Einwendungen wird ein Erörterungstermin festgelegt. Im anschließenden Abwägungsverfahren wertet das Regierungspräsidium die Einwendungen und die Ergebnisses des Erörterungstermins aus und gibt gegenüber der Planfeststellungsbehörde eine entsprechende Stellungnahme ab. Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens ist dann der sogenannte Planfeststellungsbeschluss, der dem Vorhaben die Zustimmung oder Ablehnung erteilt und dem Vorhabenträger zugestellt wird. Darüber hinaus wird der Planfeststellungsbeschluss auch öffentlich bekannt gemacht, damit auch die Einwänder entsprechende Rechtsmittel einlegen können.

Verfahrensverlauf

Der Scoping-Termin für das Planfeststellungsverfahren fand vom 7. April bis zum 11. April 2003 statt. Am 9. September 2003 hat die Fraport AG die Antragsunterlagen zu dem Planfeststellungsantrag mit insgesamt über 50 Ordnern eingereicht. Nach formeller Prüfung und Prüfung auf Vollständigkeit sowie der Nachforderung von Unterlagen hat das PR Darmstadt das Anhörungsverfahren eröffnet. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 17. Januar 2005 bis 16. Februar 2005 in insgesamt 53 Kommunen zur Einsicht offen gelegt. Nunmehr konnten die Bürgerinnen und Bürger Einwendungen gegen das Vorhaben vorbringen. Die Einwendungsfrist endete am 2. März 2005. Bis zum Ende der Einwendungsfrist sind beim PR Darmstadt insgesamt 127.000 Einwendungen eingegangen.

Der anschließende Erörterungstermin wurde in der Zeit vom 12. September 2005 bis zum 27. März 2006 in der Stadthalle Offenbach durchgeführt. Während der 101 Tage des Erörterungstermins wurden die Schwerpunkte des geplanten Vorhabens diskutiert. Neben dem Thema Lärm gehören die Themen Luftverkehrprognose, Wirtschaftlichkeit, Bannwald und Luftschadstoffe zu den Schwerpunkten. Über den Erörterungstermin wurde ein umfangreiches Wortprotokoll mit ca. 15.000 Seiten erstellt.

Als Ergebnis der Zusammenstellung und Beurteilung sowohl der Einwendungen als auch der Auswertung des Wortprotokolls der Anhörung hat die Anhörungsbehörde, RP Darmstadt, die Unterlagen und eine zusammenfassende Stellungnahme an die Planfeststellungsbehörde, das HMWVL, abzugeben. Diese hat am 4. Januar 2008 den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens dem Vorhabenträger Fraport AG zugestellt. [2] Er wurde mit seiner Übergabe wirksam. Der Planfeststellungsbeschluss umfasst insgesamt 2.515 Seiten nebst diversen Plänen und Verzeichnissen.

Rechtsmittel

Nach Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses beträgt die Rechtsmittelfrist einen Monat. Innerhalb dieser Zeit konnten entsprechende Klagen gegen das Land Hessen bei dem Verwaltungsgerichtshof Hessen in Kassel (VGH Kassel) eingelegt werden.

Gerichtsverfahren

Verwaltungsgerichtshof (I. Instanz)

Klage

Nach Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses hatten die Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen, aber auch der Vorhabenträger selbst die Möglichkeit, Klage beim hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu erheben. Es sind insgesamt 260 Klagen beim VGH Kassel eingegangen. Neben 30 Kommunen haben mehrere Klagevereine, insbesondere Bürgerinitiativen, der BUND sowie vom Flughafenausbau bzw. einer eventuellen Einschränkung durch das Nachtflugverbot betroffene Unternehmen, wie z.B. die Lufthansa und Lufthansa Cargo geklagt. Darüber hinaus haben einige Kläger Anträge auf sogenannten vorläufigen Rechtsschutz im Eilverfahren eingereicht, um den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses solange außer Kraft zu setzen, bis über diese Klage entschieden ist. Diese Eilanträge sind vom VGH Kassel alle am 15. Januar 2009 abgelehnt worden.

Zur besseren Verhandlungsdurchführung sind aus der Gesamtheit der Klagen 11 Musterkläger ausgewählt worden. Dabei handelt es sich um verschiedene Kommunen, die Klinikum Offenbach GmbH sowie die von der BI Sachsenhausen unterstützten Privatkläger.

Mündliche Verhandlung und Urteil

Die mündliche Verhandlung vor dem VGH Kassel fand in der Zeit vom 2. bis zum 26. Juni 2009 statt. Das Urteil des Gerichts wurde am 21. August 2009 verkündet. [3]

Danach hat der 11. Senat des VGH Kassel für Recht erkannt:

„Der Beklagte (das Land Hessen) wird verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr in Teil A II 4.1.2. des Planfeststellungsbeschlusses des hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. Dezember 2007 und über den Bezugszeitraum für die Zulassung von durchschnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht in Teil A II 4.1. Sätze 2, 3 und 4 des Beschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegensteht, wird er aufgehoben.“

Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen und die Revision zugelassen.

Nach diesem Urteil ist die Nachtflugregelung, wie sie in dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde gelegt wurde, nicht mit dem gesetzlich gebotenen Schutz der Bevölkerung vor zusätzlichem Fluglärm zu vereinbaren. Diese Mängel der Nachflugregelung können nur durch ein ergänzendes Planverfahren ausgeräumt werden. Dem Plan insgesamt stehen aber keine grundsätzlichen Bedenken entgegen, so dass dieser Plan mit Ausnahme der Nachtflugregelung zunächst Bestand hat.

Vorläufiger Rechtschutz

Auf die Eilanträge einiger Kläger zur Durchsetzung des Nachtflugverbots hat der VGH Kassel am 10. Oktober 2011 vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Danach ist der Planfeststellungsbeschluss vorläufig nicht durchführbar hinsichtlich der geplanten Flüge in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr. Daher waren ab dem neuen Winterflugplan 2012 keine geplanten Nachtflüge erlaubt.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (II. Instanz)

Revisionen

Gegen das Urteil des VGH Kassel haben die Kommunen, Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG) wegen der Zulassung des Planfeststellungsbeschlusses insgesamt eingelegt. Ebenso haben verschiedene Luftverkehrs-gesellschaften wegen der eingeschränkten Nachtflugbestimmungen Revision eingelegt.

Darüber hinaus hat auch das Land Hessen selbst als Beklagte Revision gegen die Nachtflugregelung eingelegt mit der Begründung, dass sie vom Gericht eine rechtssichere Nachtflugregelung erwartet.

Verhandlung und Urteil

Am 12./13.3.2012 wurde in acht Musterklagen verhandelt. Strittig waren inbesondere folgende Punkte:

  • Das Verkehrsministerium hat Ende 2007 17 Nachtflüge zwischen 23 und 5 Uhr genehmigt, ohne zuvor die davon betroffenen Bürger anzuhören.[4]
  • 150 Nachtflüge zwischen 22 und 6 Uhr
  • In den Vorinstanzen wurden Beweisanträge z.B. zur Schadstoffbelastung abgelehnt, obwohl sie hätten zugelassen werden müssen.
  • Der Lärm wurde falsch berechnet. Laut Prognose wäre z.B. Offenbach zu 60% in seinen Entwicklungsmöglichkeiten beschränkt (Neubau/Erweiterung Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser). Tatsächlich erreichen die Baubeschränkungen nun 90%.

Weitere Klageverfahren

Neben den direkten Klagen gegen den Flughafenausbau wurden von mehreren Kommunen auch Klagen gegen den hessischen Landesentwicklungsplan (LEP) vom 22. Juni 2007 eingereicht. Dabei handelt es sich um sogenannte Normenkontrollklagen. Diese hat der VGH Kassel im Februar 2010 abgewiesen.

Darüber hinaus hatte die Frankfurter Stadtverordnetenfraktion FAG Flughafenausbaugegner, eine Wählergemeinschaft, die sich hauptsächlich aus Mitgliedern der BI Sachsenhausen rekrutiert, Beschwerde bei der EU-Kommission wegen der Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts eingelegt. Die neue Landebahn Nord-West verstoße gegen die Seveso-II-Richtlinie. Danach handelt es sich bei dem Chemiewerk Ticona, das in unmittelbare Nähe zu der neuen Landebahn liegt, um einen sogenannten Störfallbetrieb im Sinne der Seveso-II-Richtlinie. Für diese Störfallbetriebe gelten gewisse Abstandsregelungen. Die EU-Kommission hat darauf reagiert und am 30. März 2004 ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung der Seveso-II-Richtlinie eingeleitet. Den Schlusspunkt unter das EU-Verfahren und die Auseinandersetzungen zwischen der EU, der Bundesrepublik Deutschland und der hessischen Landesregierung stellt die Einigung zwischen der Fraport AG und dem Betreiber des Chemiewerks Ticona dar. Danach wird das Chemiewerk Ticona das Werk in Kelsterbach bis zum Jahre 2011 schließen und erhält dafür von der Fraport AG eine Entschädigung von EUR 670 Millionen EURO. Das Verfahren wurde somit eingestellt.

Einzelnachweise