Presse/ARGULINER-Vorratsdatenspeicherung
Inhaltsverzeichnis
- 1 INHALTLICHER ÜBERBAU
- 1.1 Aktueller Anlass
- 1.2 Kommunikations-Ziel für Piratenpartei
- 1.3 Unsere Positionierung im Thema
- 1.4 Unser Programm
- 1.5 Insights
- 1.6 Wer sind unsere Sprecher im Thema
- 1.7 Thema & Subthemen
- 1.8 Argumente gegen eine Vorratsdatenspeicherung und für den Schutz der Kommunikation
- 1.9 Einwandbehandlung: Argumente für VDS und wie wir diesen begegnen können
- 1.10 Mögliche Argumentationsmuster
- 2 KOMMUNIKATIVER ÜBERBAU
- 3 HINTERGRUND / WISSENSWERTES
INHALTLICHER ÜBERBAU
Aktueller Anlass
Europa
- Nach anfänglichen Überlegungen pro VDS erklärt EU-Kommission einem Neuanlauf der VDS eine Absage
Deutschland
- Koalition will trotz EUGH- und BVerfG-Urteil eine "verfassungskonforme VDS" einführen. Am 15. April 2015 haben Thomas de Maiziere und Heiko Maas die Leitlinien für die VDS vorgestellt und behaupten:
- Eng begrenzte Pflicht für alle TK-Anbieter zur Speicherung von genau bezeichneten Verkehrsdaten
- Verkehrsdaten: Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt & Dauer des Anrufs, bei Mobilfunk auch Standortdaten, sowie IP-Adressen einschließl. Zeitpunkt & Dauer der Vergabe einer IP-Adresse
- Nicht gespeichert werden dürfen: Inhalt der Kommunikation, aufgerufene Internetseiten, Daten von Diensten der elektronischen Post (E-Mail)
- Speicherfristen: Bei Standortdaten 4 Wochen (da sensible Daten, die Erstellung von Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen ermöglichen), bei restlichen Daten 10 Wochen; diffus sind die Regelungen zu "aus geschäftlichen Gründen gespeicherte Standortdaten" (da kann es sein, dass "noch ältere Daten" vorhanden sein können)
- Verpflichtung zur unverzüglichen Löschung der gespeicherten Daten nach Ablauf der Speicherfrist
- Strafverfolgungsbehörden dürfen zu "eng definierten Strafverfolgungszwecken" ("enger Straftatenkatalog") gespeicherte Daten abrufen (Regelung in Strafprozessordnung (StPO) und Polizeigesetzen)
- Regelungen zum Schutz der Grundrechte:
- Schutz von Berufsgeheimnisträgern beim Abruf der Daten durch Verwendungs- und Verwertungsverbote (sind von Speicherpflicht ausgenommen; Umsetzung bleibt diffus)
- Datenabruf nur bei schwersten Straftaten
- Strenger Richtervorbehalt mit Verhältnismäßigkeitsprüfung und ohne Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft
- Transparenz und Rechtsschutzmöglichkeiten für diejenigen, deren Daten abgerufen werden (Ausnahmen: heimliche Verwendung & Nichtbenachrichtigung mit gerichtlicher Prüfung/Bestätigung möglich)
- Besonders hohe Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit bei den speicherverpflichteten TK-Anbietern (Speicherung im Inland, sichere Verschlüsselung, gesonderte "Speichereinrichtungen", hoher Schutz vor Zugriffen aus dem Internet, revisionssichere Protokollierung des Zugriffs, Vier-Augen-Prinzip)
- Löschverpflichtung nach Ablauf der Höchstspeicherfrist
- Eng begrenzte Pflicht für alle TK-Anbieter zur Speicherung von genau bezeichneten Verkehrsdaten
- Einschätzungen von Netzaktivisten, was nach Urteilen von BVerfG und EuGH möglich ist
- Quick Freeze-Ansatz, "kleine VDS": Temporäre Sicherstellung von Daten bei Verdacht. Gericht schreibt Einschränkung vor (zeitlich, geografisch, Personenkreis) (Anm.: sehr vage Definition)
- Mindestspeicherfrist absenken. EUGH hat "nur" bemängelt, dass es keine objektiven Kriterien für Speicherung über 6 Monate gibt
- Materiell- und verfahrensrechtliche Voraussetzungen: Zweckbindung an strafrechtliche Ermittlung; Richtervorbehalt; fristgerechte Löschung; besserer Missbrauchsschutz; sorgfältigere Datenaufbewahrung
- Konservative Politiker fordern bei jeder Gelegenheit Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung
- Union 6 Monate Speicherfrist
- SPD und CSU ca. 3 Monate Speicherfrist
- Einige Arbeitsgemeinschaften in der SPD wollen 7 Tage IP-Speicherfrist
- Land Schleswig-Holstein hat im Bundesrat gegen VDS gestimmt
- In NRW Antrag, im Bundesrat gegen VDS zu stimmen, auch mit Stimmen der Grünen (!!) abgelehnt
Kommunikations-Ziel für Piratenpartei
- Vermittlung der VDS als grundrechts- und bürgerfeindliches Überwachungsinstrument
- Wahrnehmung / Bekanntheit der Piratenpartei als Gegner der VDS
- Starke Positionierung der Piratenpartei als Bürgerrechts- und Datenschutzpartei
Unsere Positionierung im Thema
- Wir fordern die Aufgabe aller Pläne für eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung
- Die VDS stellt einen massiven Eingriff in die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung dar
- Die VDS widerspricht der Unschuldsvermutung & stellt den Bürger unter Generalverdacht
- Die VDS widerspricht allen freiheitlich-demokratischen Prinzipien
- Kontrollwahn schafft ein Klima der Angst und des Misstrauens und ist damit eine ernsthaftere Bedrohung als der internationale Terrorismus
- Wir fordern stattdessen Alternativen in der Polizei- und Ermittlungsarbeit zur Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung:
- Erweiterung des Briefgeheimnisses zu einem allgemeinen Kommunikationsgeheimnis
- Stärkung der Ursachenforschung: Direkt bei den Ursachen ansetzen, nicht bei der Wirkung
- Stopp des Personalabbaus bei der Polizei und Aufstockung des Personals bei Polizei und beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Es fehlt gut ausgebildetes Personal und entsprechende Ausstattung im präventiven Bereich und in der Ermittlungsarbeit
- Schnelles Einfrieren und Speicherung der Daten konkret Verdächtiger (wie in der Cybercrime-Konvention des Europarats vorgesehen) mit Richtervorbehalt
Unser Programm
- Grundsatzprogramm, Absatz "Privatsphäre": Ablehnung VDS https://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Privatsph.C3.A4re
- BTW 2013: Verdachtsunabhängige Datenspeicherung verhindern https://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm#Verdachtsunabh.C3.A4ngige_Datenspeicherung_verhindern
- Europawahl 2014: Stopp der Vorratsdatenspeicherung https://wiki.piratenpartei.de/Europawahl_2014/Wahlprogramm#Weg_mit_der_Vorratsdatenspeicherung_und_anlasslosem_Datenaustausch
Insights
- Bürger lehnen anlasslose VDS mit 2/3-Mehrheit ab, es besteht aber Offenheit gegenüber einer "grundrechtskonformen VDS" bzw. VDS, die auf konkrete Strafverdachtsfälle begrenzt ist
- Umfrage mingle-trend von 2012: 65,5% der Befragten lehnen VDS ab http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/702/55/lang,de/
- Umfrage Allensbach von 2011: 2/3 der Befragten lehnen anlasslose VDS ab. 69% befürworten VDS, wenn auf Strafverdachtsfälle begrenzt: http://www.heise.de/tp/news/Deutsche-lehnen-Vorratsdatenspeicherung-mit-Zwei-Drittel-Mehrheit-ab-1993448.html
Wer sind unsere Sprecher im Thema
- Stefan Körner (BuVo, Piratenpartei)
- Patrick Breyer (Themenbeauftragter Datenschutz)
Thema & Subthemen
- Keine Subthemen. VDS selbst Subthema von Innerer Sicherheit und Terrorismusbekämpfung
Argumente gegen eine Vorratsdatenspeicherung und für den Schutz der Kommunikation
1. Überwachung allgemein schränkt Freiheit als höchsten Wert einer demokratischen Gesellschaft ein
- Die Freiheit ist der höchste Wert, an dem sich eine demokratische Gesellschaft orientieren kann
- Jede Politik der inneren Sicherheit muss sich daran messen, ob sie mehr oder weniger Freiheit bringt
- Es gibt keine perfekte Sicherheit für die es sich lohnt, die Freiheit aufzugeben
- Freiheit ist nicht gleich Unsicherheit: Im Vergleich zu Kontrollstaaten wir Großbritannien leben wir wesentlich sicherer. Tod, Krankheit oder Behinderung beruhen bei uns nur zu 0,2% auf Gewalt und Straftaten. Tabak, Alkohol, Cholesterin, Übergewicht, Fehlernäherung, Bewegungsmangel, Suizid, Stürze und der Straßenverkehr kosten ein Vielfaches an Menschenleben
2. Die Vorratsdatenspeicherung ist massiver und unverhältnismäßiger Eingriff in die verfassungsgarantierten Grundrechte
- Die VDS greift unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Menschen ein und macht sie damit verletzlich gegenüber Übergriffen des Staates auf ihr Leben
- Auch Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff lehnt VDS inzwischen ab: "Wenn ich den massiven Eingriff durch eine Vorratsspeicherung in die Persönlichkeitsrechte aller Bürger abwäge gegen den zu erwartenden Nutzen für die Sicherheit, kann ich eine solche Maßnahme nicht mehr befürworten."
3. Die Vorratsdatenspeicherung stellt jeden Bürger unter Generalverdacht und überschreitet damit eine rote Linie
- Die Vorratsdatenspeicherung speichert Daten ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat hin
- Die Vorratsdatenspeicherung stellt damit jeden Bürger unter Generalverdacht und hebelt Unschuldsvermutung aus
- Jeder Bürger wird zu einem potentiellen Terroristen oder Schwerverbrecher erklärt
- Wir speichern auch nicht, wer wann wo mit seinem Auto hinfährt, nur weil es viele Verkehrstote gibt
4. Die Vorratsdatenspeicherung ist für die Ermittlungsarbeit weitgehend wertlos und überflüssig
- Für den Bereich Kriminalität: Jeder potenzielle Straftäter weiß, wie er eine Telefonüberwachung und damit auch eine VDS umgeht (z.B. mit gekauften Handynummern, Fake-Daten). Gerade im Bereich organisierter Strukturen wird nicht mit Klarnamen und echter Handynummer gearbeitet
- Für den Bereich Terrorismus: Der radikalisierte Syrienrückkehrer entspricht oft eher dem Typus des Einzelkämpfers. Da ist mit Blick ins Kommunikationsmuster oft nicht viel zu holen.
- BKA-Gesetz: Ermittlungs-Instrumentarium jetzt schon gut bestückt und Hürde zur Datensammlung sehr niedrig. Es wird jetzt bereits viel gespeichert. Mit den bereits jetzt verfügbaren Mitteln konnten im Bereich „Islamismus“ bereits über 100 Beschuldigte ermittelt und Verfahren gestartet werden. Der Rückgriff in einen vorsorglich angelegten Pool aus Verbindungsdaten könnte dabei helfen, die letzten Fugen im Beweisgebäude zu kitten. Integraler Bestandteil der Ermittlungen ist er nicht (Vgl. http://www.sueddeutsche.de/digital/innere-sicherheit-warum-vorratsdatenspeicherung-nicht-mehr-anschlaege-verhindert-1.2404577-2)
- Noch mehr gesammelte Daten machen keine Sinn, wenn die Bedeutung bestimmter Daten am Ende nicht erkannt wird: Pariser Attentäter standen auf allen möglichen Gefährder-Listen, waren einschlägig vorbestraft, hatten teilweise Terrorcamps besucht, standen in Kontakt mit bekannten Terrorzellen, hatten schon einmal Waffen besorgt, wurden von französischen Behörden überwacht etc.
- Mehrere Studien und Gutachten haben inzwischen belegt, dass VDS weitgehend nutzlos:
- Max Planck Instituts (MPI) für ausländisches und internationales Strafrecht: In keinem EU-Land wurden empirische Belege gefunden, dass VDS positiven Einfluss auf Aufklärung hat. Rechtsvergleichende Betrachtung zwischen Deutschland und der Schweiz weist weiterhin darauf hin, dass die in der Schweiz seit Jahren praktizierte Vorratsdatenspeicherung nicht zu einer systematisch höheren Aufklärungsquote geführt hat
- Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags : Die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung hat in keinem der 21 untersuchten EU-Mitgliedsstaaten zu signifikanten Änderungen der Aufklärungsquote geführt hat. In diesem Gutachten wird eine Studienergebnisse des BKA zitiert, dass nur 0,006 Prozent der Straftaten unaufgeklärt blieben, weil zuvor vorhandene Daten bereits gelöscht waren
- Vor EUGH konnte kein Mitgliedstaat überzeugende Zahlen für eine VDS liefern
- Antworten auf mehrere parlamentarische Anfragen konnten keine Aufklärungsquote belegen
- Es gibt also weitgehend nur subjektive Eindrücke von Polizeibeamten und Sicherheitspolitikern
5. Die Vorratsdatenspeicherung ist als Ermittlungsinstrument für die Jagd auf Trickbetrüger und Kleinkriminelle eine vollkommen unverhältnismäßige Maßnahme
- Der einzige Bereich, in dem der Wegfall der VDS bemerkbar ist, ist der Bereich der Klein- und Computerkriminalität (Computersabotage, Ausspähen von Passwörtern, Kinderpornografie etc.). Hier ist IP-Adresse wohl oft der entscheidende und einzige Ansatzpunkt. In diese Kategorie gehört auch der „Enkeltrick“ hin.
- Für die Bekämpfung von Enkeltricks und Internetkriminalität ist der Preis, den wir mit VDS zahlen - die Einführung einer anlasslosen Massenüberwachung unverdächtiger Bürger - einfach zu hoch
6. Die Vorratsdatenspeicherung kann keine Terroranschläge verhindern
- Die Vorratsdatenspeicherung ist für die Verbrechensprävention vollkommen wertlos
- Terror-Anschlag auf "Charlie Hebdo" faktischer Beweis, dass VDS nicht wirkt (Frankreich hat VDS seit 2006)
- In den letzten fünfzehn Jahren wurde beinahe jeder größere terroristische Angriff auf den Westen von Leuten ausgeführt, die den Behörden längst bekannt waren.
- Sogar Unionisten nehmen inzwischen Abstand von früherer Argumentation und behaupten, dass VDS dafür geplant
7. Überwachung allgemein befördert eine tiefenpsychologische Selbstzensur, Anpassung und damit Einschränkung der Meinungs-, Informations- und Handlungsfreiheit
- Das Gefühl, überwacht zu werden, führt zu einer tiefenpsychologischen Selbstzensur und freiwilligen Anpassung (hoher latenter Anpassungsdruck)
- Man verhält sich in Gegenwart von Kameras anders als “Off the Record”
- Jeder, der in der derzeitigen Überwachungsatmosphäre überlegt, welche Begriffe er auf der Suche nach Informationen in die Suchmaschine gibt, unterwirft sich bereits inneren Zensurprozessen
- Wer weiß, dass er beobachtet wird, verändert sein Verhalten, passt sich an, gibt seine Selbstbestimmung auf, was zu einer Einschränkung der im Grundgesetz garantierten Handlungsfreiheit (GG Art. 2, Abs 1) und Einschränkung des Rechts zur freien Meinungsäußerung (Art. 5, Abs. 1GG) führt
- Interessanter Artikel dazu: Harvard-Prof. Peter Galison über Selbstzensur durch Massenüberwachung: Das Gefühl, überwacht zu werden, entspricht einer Impfung gegen vermeintlich unerwünschte Kommunikation und sogar Gedanken. Je tiefer die vernetzte Technologie in das Leben eingreift, um so radikaler die Wirkung.
8. Die Vorratsdatenspeicherung gefährdet die Pressefreiheit und das Berufsgeheimnis
- Auch Daten von Geheimnisträgern wie Journalisten, Ärzten, Geistlichen etc. betroffen
- VDS gefährdet Quellenschutz und damit Berufsgeheimnis und Pressefreiheit
- In einer Umfrage des DFJV berichteten Journalisten von negativen Auswirkungen auf Kontakte mit Quellen
- Es sind auch bereits Missbrauchsfälle bei Journalisten bekannt (Polen und Frankreich): In einem Korruptionsfall recherchierende Journalisten wurden in Polen 2010 gezielt durch Staatsbehörden ausgespäht. Man hat versucht, die Quelle der Journalisten zu enttarnen, die Details zum Korruptionsfall weitergegeben hatte. In Frankreich wurden im Dezember 2011 im Korruptionsfall »Bettencourt« recherchierende Journalisten von Polizei und Geheimdiensten mit Hilfe von Verbindungsdaten ausspioniert.
9. Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation in Bereichen, in denen Menschen berechtigterweise auf Nicht-Rückverfolgbarkeit angewiesen sind
- Vorratsdatenspeicherung dringt auch in Bereiche ein, in denen Nicht-Rückverfolgbarkeit essentiell ist: Kontakte zu Psychotherapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Eheberatern, Drogenmissbrauchsberatern und sonstigen Beratungsstellen
- Jeder zweite Deutsche würde nach einer Umfrage wegen der Vorratsdatenspeicherung darauf verzichten, per Telefon, E-Mail oder Handy Kontakt zu einer Eheberatungsstelle, einem Psychotherapeuten oder einer Drogenberatungsstelle aufzunehmen.
- VDS gefährdet damit indirekt die körperliche und psychische Gesundheit von Menschen, die Hilfe benötigen, aber auch der Menschen in ihrem Umfeld
10. Die Vorratsdatenspeicherung ist der technische Dammbruch hin zu einer massenhaften und unkontrollierten Speicherung hochsensibler Daten
- VDS speichert jeden Schritt (Standortdaten), jedes Einloggen (IP-Adresse) und jeden Kontakt über elektronische Medien (Verbindungsdaten bei Telefon und Mail)
- Alltag heute viel vernetzter als noch 2006, dementsprechend viel tiefere Eingriffe
- Daten, auch Metadaten, sind ein/das Machtinstrument, denn sie enthalten mehr Information über uns und unser Leben als wir uns üblicherweise vorstellen: 2010 fanden Forscher des MIT heraus, dass sich zum Beispiel anhand der Metadaten eines Smartphones herausfinden lässt, ob eine Person in den kommenden Tagen an Grippe erkranken wird (PDF). Und zwar, bevor sie es selbst bemerkt. Vgl. auch Kolumne Sascha Lobo: Wer davon spricht, es würden "nur Metadaten" gespeichert, überblickt entweder nicht die Tiefe dieser Daten, oder folgt dem Weg in die Überwachungsgesellschaft: Alle überwachen, weil alle Daten relevant werden könnten.
- Beispiel: Überbordende Abfragen in Polen: 2011 1,86 Mio. jährlich bei 40 Mio. Einwohnern
11. Die mit Vorratsdatenspeicherung erhobenen Daten sind nicht sicher vor Missbrauch
- Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Datensicherheit kann nicht gewährleistet werden
- Risiko des Datenverlusts, des Datenmissbrauchs und der Datenverwechslung bei erhebenden Stellen
- Was wir von TK-Anbietern erwarten können, hat uns deren Rolle im NSA-Überwachungsskandal deutlich gemacht
- Einziger effektiver Schutz gegen Daten-Missbrauch ist, Daten gar nicht erst zu erheben
12. Eine Vorratsdatenspeicherung nach strengen Auflagen vollkommen wertlos ist
- Vorratsdatenspeicherung mit den strengen Auflagen des BVerfG und des EuGH erzielt nicht den Effekt, den die Sicherheitsbehörden mit diesem Instrument erreichen wollen.
13. Die Vorratsdatenspeicherung verlagert das staatliche Gewaltmonopol auf die Privatwirtschaft
- VDS wird von Telekommunikationsunternehmen umgesetzt
- Wirksame Qualitätssicherung und Kontrolle durch den Staat fehlt
Siehe auch Argumente-Sammlung AK Vorrat: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Vds-kurzargumentation-bruessel.pdf
Einwandbehandlung: Argumente für VDS und wie wir diesen begegnen können
Hier ein paar aktuelle Argumente der VDS-Befürworter. Einwandbehandlung folgt.
1. Der Islamismus gefährdet die innere Sicherheit Deutschlands. Deshalb brauchen wir VDS als polizeiliches Ermittlungsinstrument
- Jede Sicherheitsmaßnahme muss auf ihre Verhältnismäßigkeit hin geprüft werden
2. Die VDS ist ein wertvolles und wirksames Instrument in der Ermittlungsarbeit, Verbrechensaufklärung und Strafverfolgung
- Studien des Max Planck Instituts (MPI) für ausländisches und internationales Strafrecht: Gibt keinen empirischen Beleg für kein EU-Land, dass VDS positiven Einfluss auf Aufklärung hat. Rechtsvergleichende Betrachtung zwischen Deutschland und der Schweiz weist darauf hin, dass die in der Schweiz seit Jahren praktizierte Vorratsdatenspeicherung nicht zu einer systematisch höheren Aufklärungsquote geführt hat
- Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hat ergeben, dass die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in keinem der 21 untersuchten EU-Mitgliedsstaaten zu signifikanten Änderungen der Aufklärungsquote geführt hat.
- Auch vor EUGH:� konnten Mitgliedstaaten keine überzeugenden Zahlen liefern
- Es gibt allein subjektive Eindrücke von Polizeibeamten und Sicherheitspolitikern
3. Eine Vorratsdatenspeicherung trotz hoher Hürden durch das Bundesverfassungsgericht und das EUGH weiter machbar
- Bereits BVerfG-Urteil stellt hohe Anforderungen bei Themen Datensicherheit, Datenverwendung, Transparenz und Rechtsschutze
- EUGH-Urteil geht noch weiter. Dürfte kaum rechtssicher umzusetzen sein
- Es gibt keine Vorstellung darüber, wie verfassungskonforme Regelung aussehen muss
4. Mit einer ausreichenden Datenbasis und Analyse können Terroristen erkannt und Anschläge verhindert werden
- In den letzten fünfzehn Jahren wurde beinahe jeder größere terroristische Angriff auf den Westen von Leuten ausgeführt, die den Behörden längst bekannt waren.
- Pariser Attentäter standen auf allen möglichen Gefährder-Listen, waren einschlägig vorbestraft, hatten teilweise Terrorcamps besucht, standen in Kontakt mit bekannten Terrorzellen, hatten schon einmal Waffen besorgt, wurden von französischen Behörden überwacht etc.
- Problem sind schon heute nicht fehlende Daten, sondern dass Behörden Bedeutung der Daten, die sie bereits haben, nicht erkennen
5. Jedes einzelne Opfer ist dramatisch, deshalb brauchen wir eine VDS auch bei geringen Aufklärungsquoten. (Z.B. auch mit Verweis auf KiPo und Gewalt an Kindern)
- Jede Sicherheitsmaßnahme muss auf ihre Verhältnismäßigkeit hin geprüft werden
- Das Leid einzelner zu instrumentalisieren, ist unsachlich und zynisch
6. Terrorismus, Kleinkriminalität und vor allem die "alltäglichen Untaten ", die das Leben der Bürger beeinflussen, sind ein Grund, weshalb wir VDS brauchen.
- Es ist mal begrüßenswert, dass zumindest benannt wird, wofür VDS eigentlich ist
- Allerdings gibt es bereits heute hohe Aufklärungsquoten in der Massenkriminalität. Zusatzeffekt gering
- Eine ausführliche Einwandbehandlung hat der AK Vorrat zusammengestellt: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/83/87/lang,de/
Mögliche Argumentationsmuster
- Standpunkt zu Vorratsdatenspeicherung formulieren (politische Diskussion)
- Standpunkt/These:
- Dass Konservative bei jeder Gelegenheit und trotz klarer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs immer wieder Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordern, ist zynisch und ein Affront gegenüber der Rechtsstaatlichkeit
- Argumente:
- Vorratsdatenspeicherung ist schwerer Eingriff in die Grundrechte, konkret die Persönlichkeitsrechte und die Meinungs- und Pressefreiheit
- VDS speichert anlasslos (= ohne konkreten Verdacht) die Kommunikationsdaten von jedem speichert, also alle Verkehrsdaten, die beim Telefonieren, Simsen, Surfen entstehen
- VDS stellt allen Menschen unter Generalverdacht und hebelt die Unschuldsvermutung aus
- Gleichzeitig bringt sie keine Fortschritte in präventiver und ermittelnder Polizeiarbeit mit sich
- Schlimmer noch: Sie verleitet als Datensammlung zum Datenmissbrauch
- Ein Beispiel:
- Beispiel 1 für Datenmissbrauch gegenüber Journalisten: 2010 wurden in Polen Journalisten, die über Korruptionsfall recherchierten, gezielt durch Staatsbehörden ausgespäht. Man hat versucht, die Quelle der Journalisten zu enttarnen, die Details zum Korruptionsfall weitergegeben hatte
- Beispiel 2 für Datenmissbrauch gegenüber Journalisten: 2011 wurden in Frankreich Journalsiten, die im Korruptionsfall »Bettencourt« recherchierten, von Polizei und Geheimdiensten mit Hilfe von Verbindungsdaten ausspioniert
- Zwecksatz: Um uns in Zukunft vor neuen Forderungen nach einer VDS zu schützen, sollten wir diese klar verbieten. Wie auch alle anderen Überwachungsmaßnahmen ohne Verdacht und Richtervorbehalt.
- Standpunkt/These:
- Verbot der Vorratsdatenspeicherung als Problemlösungsvorschlag (Gespräch mit Bürgern als Verbrauchern)
- Ist-Situation mit Defiziten:
- Nutzung moderner Kommunikationsmedien zur Vernetzung und Vorbereitung von Verbrechen
- Schwachstellen in der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung, das aufzudecken
- Ziel:
- Verbesserung der präventiven Verbrechensbekämpfung
- Gezielte Unterstützung der Ermittlungsarbeit
- Lösungsalternativen:
- Insbesondere konservative Parteien setzen auf umfassende Überwachungsmaßnahmen
- Anlasslose und breite Bürgerüberwachung Verstoß gegen Bürger- und Grundrechte
- Gleichzeitig keine Nachweise, dass Überwachung Polizeiarbeit verbessert
- Beste Problemlösung:
- Wir lehnen deshalb den Einsatz von Bürgerüberwachungsmaßnahmen ab
- Wir setzen auf Ursachenforschung und gezielten Personalausbau und Schulungen bei Polizei
- Zwecksatz:
- Wir brauchen keine nutzlose, sinnlose und grundrechtsfeindliche Vorratsdatenspeicherung
- Wird Zeit, dass das auch der letzte erkennt
- Ist-Situation mit Defiziten:
KOMMUNIKATIVER ÜBERBAU
Leitidee / Leitmotto
TBD
Zielgruppe(n)
- Alle Bürger, die Telefon und elektronische Kommunikationsmittel nutzen
- Journalisten und andere Geheimnisträger
Benefit für Zielgruppen
- Alle Menschen - Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Meinungsfreiheit: Für alle Menschen, die unbeobachtet mit anderen Menschen telefonieren, mailen oder simsen wollen, ist ein Verbot der Vorratsdatenspeicherung besonders wichtig, da sie nur so vor einer anlasslosen und verdachtsunabhängigen Speicherung ihrer Kommunikationsdaten geschützt sind. Im Gegensatz zum jetzigen Zustand, in dem immer wieder die Vorratsdatenspeicherung gefordert wird, ist ein verbindliches Verbot der VDS ein klares Bekenntnis für den Schutz der Persönlihchkeitsrechte und der Meinungsfreiheit.
- Journalisten und andere Geheimisträger - Schutz der Pressefreiheit und des Berufsgeheimnisses: Für alle Journalisten, die investigativ recherchieren, ist ein klares Verbot der Vorratsdatenspeicherung besonders wichtig, da sie nur ihren Quellen und Whistleblowern den Schutz vor Aufdeckung garantieren können. Im Gegensatz zum jetzigen Zustand, in dem immer wieder die Vorratsdatenspeicherung gefordert werden kann, ist ein verbindliches Verbot der VDS ein klares Bekenntnis für den Schutz der Pressefreiheit und des Berufsgeheimnisses.
Wording
TBD/Offen
Do's and Don'ts
TBD/Offen
Erste Kampagnenideen
TBD / offen
HINTERGRUND / WISSENSWERTES
- Was ist Vorratsdatenspeicherung (VDS, Mindestspeicherung)?
- Der Begriff "Vorratsdatenspeicherung" bezeichnet die Speicherung personenbezogener Daten (meist Verkehrsdaten, die beim beim Telefonieren, Surfen, Chatten, SiMSen etc. anfallen) durch oder für öffentliche Stellen mit dem Ziel einer verbesserten Möglichkeit zur Verhütung und Verfolgung von schweren Straftaten. Problematisch ist, dass für die Datenspeicherung kein konkreter Anlass, kein Anfangsverdacht oder eine konkrete Gefahr bestehen muss und somit potentiell jede Kommunikation - eben auf "Vorrat" - gespeichert wird. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Vorratsdatenspeicherung und auch https://wiki.piratenpartei.de/Vorratsdatenspeicherung.
- Chronik
- 2005: EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung -> dieser folgen alle EU-Länder bis auf Deutschland & Ungarn
- 2010: Bundesverfassungsgericht erklärt die deutschen Vorschriften zur VDS für verfassungswidrig (Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 GG). Begründung: Keine Konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit. Hürden für staatliche Zugriffe zu niedrig
- 2012: EU-Kommission verweigert die Veröffentlichung der Dokumente zum Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich; Sie hat dem Fraktionsvorsitzenden der Schleswig-Holsteiner Piratenfraktion, Patrick Breyer, sogar mit rechtlichen Konsequenzen gedroht, wenn er seine Klage auf Offenlegung der Akten im Netz veröffentlicht.
- 2014: EUGH erklärt EU-VDS-Richtlinie für verfassungswidrig