Planungszelle

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 AG Bürgerbeteiligung: Konzepte und Praxisedit

Die Planungszelle ist ein Verfahren der Bürgerbeteiligung. Entwickelt in den späten 60ern und veröffentlicht in den früher 70ern, ist sie bis heute in Deutschland und international fortgesetzt im Einsatz. Sie wurde hunderte Male durchgeführt. Eine Variante die sich parallel zu ihr im englsichsprachigen Raum entwickelt hat, ist die "Citizens Jury". Planungszellen führen zu Bürgergutachten.

Das Verfahren

  • Der Auftraggeber bestimmt das Problem, das zu einer Lösung gebracht werden soll.
  • Der Auftraggeber bestimmt Moderatoren, die das Verfahren vorbereiten und durchführen sollen
  • 25 Bürger ("Laienplaner") ab 16 Jahren werde zufällig ausgewählt (z.B. aus dem Datenbestand der Einwohnermeldeämter).
  • ausgeschlossen sind Mitglieder von Verwaltung, Rat, Parteien, etc., auf diese Weise wird Unabhängigkeit der Laienplaner sichergestellt.
  • Laienplaner werden 4-x Tage von der Arbeit frei gestellt und erhalten eine Entlohnung
  • die Laienplaner werden nur für diese eine Zelle ausgewählt, sie werden nicht wieder (oder nur zufällig) für eine nächste eingeladen werden. Sie entwickeln also keine eigenen Interessen.
  • Planer, Verwaltungsleute, Experten, Betroffene, andere Involvierte werden eingeladen und tragen ihre Standpunkte zum Problem den Laienplanern vor
  • Die Laienplaner erarbeiten die Problematik (im Plenum, in wechselnden Kleingruppen etc.) und finden informierte Lösungsvorschläge
  • Es können mehrere Planungszellen parallel am selben Problem arbeiten
  • Am Ende erarbeiten die Moderatoren zusammen mit den Laienplanern eine schriftliche Fassung der Lösungsvorschläge, das "Bürgergutachten", das dem Auftraggeber übergeben wird.

Die Rollen

Laienplaner
normale Bürger ohne weitere eigenen Interessen, nicht Mitglied irgend eines involvierten Apparates, der wiederum seine eigenen Interessen erzeugt, repräsentativ für die Bevölkerung einer betroffenen Gegend, motiviert durch Möglichkeit der Mitarbeit, aus allen sozialen und Bildungsschichten, Männer und Frauen, Alte und Junge, nicht nur "aktive", sondern auch "passive", nicht nur "Internetaffine".
Moderatoren
ausgebildete Mitarbeiter meist spezialisierter Firmen, leiten den Prozess, stellen korrekte Arbeitsbedingungen her, motivieren, kümmern sich um Gruppendynamiken, mediieren, moderieren, etc. und enthalten sich jeder eigenen Stellungnahme. Sie fassen die Ergebnisse für das Bürgergutachten zusammen
Experten, Parteien, Betroffene
diese tragen ihre Informationen und Standpunkte den Laienplaner vor. Sie müssen so ausgewählt und eingeladen werden, dass die kontroversen Linien des Problems für die Laienplaner sichtbar werden. Da die PZ vier Tage dauert, können sie in Details gehen, die sie sonst Bürgern nicht vermitteln können
Auftraggeber
meist engagierte Verwaltungen, Bürgermeister, Räte (siehe unten, Politik). Sie grenzen das Problem ein, sie stellen die Frage. Die Fragen müssen ergebnisoffen gestellt werden.
Budgetgeber
derzeit meist irgendwelche Forschungstöpfe für Sozialforschung etc., aber kann generell jede Verwaltung etc. sein.

Die Vorteile

  • die Laienplaner sind unabhängig, vertreten keinerlei eigene oder institutionelle Interessen, aber sind repräsentativ für die Bevölkerung.
  • die Entscheidungen sind informiert, die Laienplaner bekommen alle Informationen die sie brauchen und können selbst nachhaken (z.B. Vor-Ort-Besuche, etc.)
  • optimale Entscheide durch Gruppenarbeit, Politikfreiheit und Unabhängigkeit
  • insbesondere geeignet für kontroverse Problematiken (für Strategiefindungen etc. sind andere Verfahren besser geeignet, z.B. Zukunftswerkstatt)
  • hohe Legitimität der Entscheide durch Repräsentativität

Planungszellen und Piraten

Warum von Interesse für Piraten

(VolkerK 12:41, 8. Jun. 2012 (CEST))

  • radikaldemokratisches Instrument
  • Bürger entscheiden, geben Weisung, sind hier aber viel besser informiert als bei einer Volksabstimmung
  • Planungszellen sind ein Prozess der Entscheidungsfindung, Piraten sind eine "Prozesspartei", Piraten möchten Entscheidungen an den Bürger zurückgeben
  • Planungszellen sind in der "Szene" bekannt, teilweise im Denken etabliert und wurden bereits auf allen Ebenen und zu allen möglichen Themen durchgeführt, haben also längst ihren Wert bewiesen, müssen "nur noch" besser etabliert werden
Vorschläge zur Politik der Piraten in Bezug auf Bürgerbeteiligung und Planungszellen

(VolkerK 12:41, 8. Jun. 2012 (CEST))

  • Piraten sollten Planungszellen intern in der Partei verwenden um kontroverse Problematiken zu klären
  • Piraten sollten politisch und gesetzgeberisch darauf hinwirken, dass ergebnisoffene Planungszellen fester Bestandteil politischer Entscheidungsprozesse werden, und zwar bevor Entscheidungen gefallen sind, und auf allen politischen Ebenen (Kommunen, Länder, Bund, Europa)
  • Bisher sind Verwaltungen häufig Auftraggeber, es sollten aber Parlamente, Räte verstärkt Auftraggeber sein
  • Es sollen genaue gesetzliche Regeln festgelegt werden, wann Planungszellen durchgeführt werden
  • Es sollen genaue Regeln festgelegt werden, wie die Bürgergutachten in Entscheidungsprozesse einfließen sollen
  • Es sollen reguläre Budgets für Planungszellen und andere Bürgerbeteiligungsverfahren bereitgestellt werden
  • Es sollen Profile für Firmen, die die Moderation durchführen, festgelegt und zertifiziert werden
  • Piraten sollen darauf hinwirken, dass die Durchführung von Planungszellen medial besser gewürdigt wird, als Verfahren vertrauter wird und einen hohen Stellenwert in der Öffentlichkeit bekommen
  • Achtung: Der Souverän ist zwar das Volk, aber es entscheidet das Parlament (mehr oder weniger). Planungszellen können also nichts entscheiden, dazu müsste man die Verfassung ändern
Vorschläge für nächste Schritte (Piraten, AG Bürgerbeteiligung)

(VolkerK 12:41, 8. Jun. 2012 (CEST)):

  • Planungszellen und andere konkrete Bürgerbeteiligungsverfahren in das Parteiprogramm einbringen, entsprechende Anträge an den Programmparteitag (Piraten Rheinland-Pfalz haben es schon)
  • Zusammenarbeit mit Leuten suchen, die das schon mal gemacht haben: Forschungsstellen, Verwaltungen, Institute, Beratungsunternehmen, Teilnehmer, Betroffene (siehe unten)
  • Z.B. bundesweiter Kongress für Bürgerbeteiligung, ausgerichtet von Piraten, noch vor den nächsten Bundestagswahlen
  • Kaperbriefe zu Bürgerbeteiligung, Handreichungen für Piraten, die auf kommunaler Ebene arbeiten; dort können Planungszellen am leichtesten eingesetzt werden

Weitere Informationen

  1. Die Planungszelle – Zur Praxis der Bürgerbeteiligung Demokratie funkelt wieder - Artikel vom "Erfinder" (Peter C. Dienel): Peter C. Dienel, April 2002
  2. Dienel: Demokratisch Praktisch Gut - Buchempfehlung.
  3. http://de.wikipedia.org/wiki/Planungszelle - Planungszelle in Wikipedia
  4. http://www.planungszelle.uni-wuppertal.de - Das Institut, in dem das Konzept entstanden ist
  5. http://www.planungszelle.de - Zentrale Ressource eines Protagonisten und Instituts zur Durchführung
  6. http://www.partizipative-methoden.de - Nexus-Institut, Akademie für partizipative Methoden
  7. http://kommunalwiki.boell.de/index.php/Planungszelle - Planungszelle in der Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne)
  8. http://www.fes.de/forumjugend/html/Planungszelle.php - Planungszelle in der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD)
  9. http://www.fes.de/ak_buergergesellschaft/info/linksueber.htm - Planungszelle hier noch mehr
  10. http://gruen-digital.de/2011/07/buergerbeteiligung-zwischen-volksentscheid-planungszelle-und-liquid-democracy/ - nochmal Grüne
  11. http://www.mitarbeit.de/ - Stiftung Mitarbeit

Konkrete Planungszellen

(Ich stelle noch eine bessere Linkliste zusammen, es gibt sehr viel (VolkerK 12:41, 8. Jun. 2012 (CEST)))

  1. Das gute Volksempfinden - Spiegel-Redakteur Werner Dähnhardt über eine neue Form der Bürgerbeteiligung. Spiegel, 20/1995
  2. Bürgerrat Weinheim 2012
  3. Bürgergutachten Artern
  4. Ganze Liste von Beispielen
  5. Weitere Beipiele
  6. Rotlichtmilieu, Wohnquartiere und Stadtentwicklung - Empfehlungsgutachten der Anwohnerinnen und Anwohner des Unteren Kleinbasels im Rahmen des Modellprojekts PlaZe - Planungszellen zur partizipativ-integrativen Stadtentwicklung Basel-Stadt
  7. Hier eine problematische Mischform eines "Bürgergutachtens" ... - keine "korrekte" Planungszelle, denn die Auswahl der Laienplaner erfolgte nicht zufällig und es wurden Mitglieder von Verwaltungen etc. platziert
  8. Weitere Links