Piraten sollten intelligenter als Links- oder Rechts-Extreme sein
Piraten sollten intelligenter als Links- oder Rechtsextreme sein
zur Piraten-Richtungsdebatte
Die Richtungsdiskussionen, die derzeit die Piratenpartei beherrschen, erinnern mich leider an Auseinandersetzungen, die ich bei Attac erlebt habe. Als ich für die EU-AG im Rat von Attac-Deutschland war, herrschte besonders in der AG "Globalisierung und Krieg" tiefe Feindschaft zwischen zwei Gruppen, die ich als "Anti-Imperialisten" und "Anti-Faschisten" bezeichne.
Die "Anti-Imperialisten" sehen das große Feindbild in den USA und deren Bestrebungen die Welt zu beherrschen. Hier sind auch viele Sozialisten und Ostblock-Nostalgiker zu finden, für die der kapitalistische Westen schon immer der große Gegner war. Israel gehört als Verbündeter der USA natürlich auch zum Feind. Auch Pazifisten aus der im kalten Krieg von der DDR unterstützten Friedensbewegung sind dabei. Staaten, die sich "sozialistisch" nennen, sind ihre Verbündeten und werden von der "Westpresse" grundsätzlich unfair und falsch dargestellt.
Für "Anti-Faschisten" dagegen besteht die große Gefahr in einem Wiedererstarken des Faschismus, besonders in Deutschland, und in einer Unterwanderung linker Gruppen durch Neonazis. Kritik an Israel - wegen des Siedlungsbaus in Palästinensergebiet beispielsweise - geht gar nicht, besonders nicht aus Deutschland. Wodurch die "Anti-Imperialisten" im Dauerverdacht stehen von Nazis unterwandert und "Querfront"-Bestrebungen der NPD erlegen zu sein. Bei Deutschland-Fähnchen zu Fußball-Meisterschaften bekommen sie Gänsehaut. Die Extremsten unter ihnen werden als "Anti-Deutsche" bezeichnet. Ihre Angst vor einem neuen Faschismus geht so weit, dass sie alles was dem deutschen Staat oder einer deutschen Firma nützlich sein könnte, ablehnen und verteufeln. Wer die Welt anders sieht als sie, muss ein Faschist sein.
Nach meiner Einschätzung gibt es einige wenige Extremisten auf beiden Seiten: - Nationalisten und vielleicht sogar tatsächlich NPD-Agenten bei den "Anti-Imperialisten" - Anti-Deutsche bei den "Anti-Faschisten"
Anstatt dass sich die Gemäßigten beider Gruppen zusammentun, die Extremisten beider Seiten zum Teufel jagen und einsehen, dass sowohl faschistische als auch imperialistische Bestrebungen egal welcher Länder bekämpft werden müssen, lassen sich beide von ihren Extremisten immer wieder gegeneinander aufhetzen. Am leichtesten, wenn es um den Israel-Palästina-Konflikt geht. Es vereinfacht das Leben offensichtlich ungemein, wenn man alles Böse auf der Welt auf nur eine Ursache projizieren kann. Davon rückt man dann nur ungern ab, man müsste ja sonst zuviel nachdenken. >;o)
Dieser Konflikt in "linken" Organisationen zieht sich schon seit gefühlten Äonen von Jahren hin. In manchen sind die einen stärker, in anderen die anderen. "Links" sind beide, und beide wollen natürlich nur das beste für die Menschheit.
Sobald eine neue Organisation Bekanntheit erlang, versuchen beide Gruppen sie zu entern und von ihrem Blickwinkel auf die Welt zu überzeugen. Was aber nicht nur auf diese beiden Gruppen zutrifft. So manche spezielle Anliegen, die jetzt in der Piratenpartei nach Aufmerksamkeit streben, habe ich vor 10 Jahren schon bei Attac erlebt. Zwischendurch haben sie noch versucht die Linkspartei zu erobern. Mit dem Abschwung ziehen sie aber normalerweise weiter zur nächsten Organisation, die auf Basisdemokratie setzt und erstmal jeden ans Mikro lässt.
Bei Rechtsextremen gibt es ganz ähnliche Auseinandersetzungen zwischen Antisemiten und militanten Islam-Hassern, die sich auch am Israel-Palästina-Konflikt entzünden. Auch diese Gruppen versuchen basisdemokratische Organisationen zu übernehmen und zu dominieren.
Was bedeutet das jetzt für die Piratenpartei? Wie sollen wir damit umgehen? Ich habe einige Artikel gelesen, in denen es hieß, die Piratenpartei wäre von linken "Anti-Deutschen" unterwandert worden. Das halte ich für ähnlich maßlos übertrieben wie Meldungen die Piraten wären 2011 oder 2012 von Rechtsnationalen unterwandert gewesen.
Wahrscheinlich gibt es gar nicht genug echte "Anti-Deutsche", dass sie eine ganze Partei unterwandern könnten, bei einzelnen Ortsverbänden mag das anders sein. Aber der Schwarm tut das, was die Mehrheit will. Kleine Teile können ruhig zu den Seiten ausbrechen, den Flug des Schwarms wird das nicht beeinflussen.
Anne Helms Aktion war meiner Ansicht nach nicht besonders schlau, auch nicht ihrem Anliegen zuträglich. Wahrscheinlich hat sie mehr Dresdener zur NPD getrieben, als neue Anti-Faschisten gewonnen. Aber sie hat sich dafür entschuldigt. Und sie ist nicht der erste Pirat, der öffentlich mal Dinge getan oder gesagt hat, die er später bereute. Ihre Aktion mag geschmacklos gewesen sein, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung hat sie aber nicht verstoßen, und Gewalt angewendet auch nicht. Ob sie mit ihren Ansichten tatsächlich die Gesamtpartei bei einer wichtigen Wahl repräsentieren kann, ist wieder eine andere Frage. Diese Frage sollte Anne sich auch selbst stellen.
Wie auch immer es für sie persönlich ausgeht, ich möchte dafür plädieren, sich nicht gegeneinander aufhetzen zu lassen. Ich hoffe immer noch, dass die Piraten etwas intelligenter sind als die Links- und Rechtsextremen. Die Piratenpartei war immer eine Partei der Toleranz und der vielfältigen Lebensentwürfe. das sollte sich auch nicht ändern. Wir dürfen uns aber nicht von Sektierern jedweder Art aushebeln lassen, darum brauchen wir auch eine Abgrenzung zu Linksextremen, so wie es sie zu Rechtsextremen schon gibt. Und diese Abgrenzung sollte da anfangen, wo "Linke" diese Toleranz nicht mehr mitbringen, sondern ihren eigenen Lebensentwurf, ihren eigenen eingeschränkten Blickwinkel auf die Welt allen anderen aufdrängen wollen.
--Ralf Pichler 19:17, 15. Mär. 2014 (CET)