NDS:AG Bildung/Programm
Inhaltsverzeichnis
Bildung für Niedersachsen
Beschlossen vom Programmparteitag der Piratenpartei Niedersachsen 2010 in Wolfenbüttel
Frühkindliche Bildung
Die frühkindliche Bildung hat für die Ziele der Piratenpartei zentrale Bedeutung. Ihre Aufgabe ist es, alle Kinder - trotz bestehender Unterschiede in den persönlichen Kompetenzen so zu fördern, dass sie unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft sowie ungeachtet möglicher körperlich oder seelisch bedingter Nachteile oder Entwicklungsverzögerungen mit möglichst guten Grundvoraussetzungen ihre Schullaufbahn beginnen. Die Piraten Niedersachsen setzen sich deshalb für eine kostenlose (inklusive Verpflegung und Verbrauchsmitteln) und auf Wunsch ganztägige Betreuung in wohnortnahen (oder wahlweise arbeitsplatznahen) Kindertagesstätten mit sinnvollen Öffnungszeiten für Kinder ab dem dritten Geburtstag ein. Das Recht darauf ist gesetzlich festzuschreiben. Die Jugendämter sollen alle Eltern vor dem dritten Geburtstag des Kindes durch verständliche Informationen über die Vorteile des Kita-Besuchs aufklären.
Eltern sollen die Kindertagesstätte (mit Ausnahme von speziellen heilpädagogischen Einrichtungen) für ihre Kinder frei wählen dürfen; bei überzähligen Anmeldungen in einer Einrichtung entscheiden Geschwisterbonus und wahlweise Nähe zu Wohnort oder Arbeitsort der Erziehenden. Konfessionelle, soziale, kulturelle oder sonstige Zugangsbeschränkungen dürfen in ganz oder teilweise öffentlich finanzierten Einrichtungen nicht zulässig sein.
Alle Kinder sind im Alter von vier Jahren durch entsprechend geschultes Personal in ihren Entwicklungsfortschritten zu bewerten. Förderungsbedürftige Kinder müssen eine intensive sprachlich-motorische Förderung erhalten, um Defizite bis zum sechsten Lebensjahr auszugleichen. Die Zusammenarbeit mit den Eltern muss dabei aktiv gefördert werden. Die fachliche Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher soll verbessert werden, indem die Ausbildung durch Einbeziehung von Hochschulen in dualen Ausbildungsmöglichkeiten verbessert wird.
Ziel der Piraten Niedersachsen ist die Anerkennung eines konkreten Bildungsauftrags an Kindertagesstätten und die Finanzierung entsprechend der Regelung für Schulen.
Computer in der Grundschule
Da Computer zum Lebensalltag aller Grundschüler gehören, sollten sie bereits in der Grundschule zum Thema gemacht werden. Die Lehrkräfte begleiten die Schüler bei ihren ersten Erfahrungen. Es gibt Unterrichtsstoffe, die sich am Computer leichter (da interaktiver) nahe bringen lassen. Allerdings darf der Computereinsatz nicht dazu führen, dass wichtige Grundfähigkeiten wie Schreiben und Rechnen nur noch mit dem Computer ausgeübt werden können. Obwohl viele Aufgabentypen, gerade in der Grundschule, mit Computern sehr viel schneller gelöst werden können, geht es primär um die Vermittlung eines intuitiven Verständnisses von Zusammenhängen. Dieses unterbleibt, wenn Schüler hauptsächlich automatisierte Lösungswege verwenden. Auch gesundheitliche Aspekte dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Eine Vermittlung von einseitigen motorischen Fertigkeiten ist zu vermeiden. Entsprechende Studien über die gesundheitlichen Aspekte der Arbeit vor dem Bildschirm für Schüler müssen berücksichtigt bzw. in Auftrag gegeben werden.
Das gegliederte Schulsystem
Hauptschule
Im Lauf der Zeit ist der Anteil der Schüler eines Jahrgangs, welche die Hauptschule besuchen, sehr stark gesunken. Zudem wird die Hauptschule als Abschiebemöglichkeit für verhaltensauffällige Schüler missbraucht, ohne deren Potential zu berücksichtigen. Dadurch ist das allgemeine Niveau der Hauptschulen erschreckend gesunken. Diesen Problemen ist entgegenzuwirken durch z. B.: - Stärkung der Hauptschulen (geringere Klassenstärken) oder - Zusammenlegung mit Realschulen oder - Ersetzen durch Gesamtschulen Einige Hauptschulen haben einen hohen Anteil integrationsbedürftiger Kinder. Ist dies der Fall, muss mehr und ggf. besonders qualifiziertes Personal eingesetzt werden.
Realschule
Die Realschule hat in den letzten Jahren der Hauptschule den Rang der Volksschule abgelaufen. Die Realschule hat einerseits das Ziel, die Schüler zu einem Abschluss zu führen, der ihnen eine möglichst gute Ausbildung ermöglicht, andererseits die Schüler, die das Potential dazu haben, zum Abitur zu führen; dies sollte üblicherweise durch einen frühzeitigen Wechsel aufs Gymnasium erfolgen.
Als Problem der Realschule könnte sich besonders das sogenannte G8-Abitur (12jähriges Abitur) erweisen. Durch den entstehenden Selektionsdruck an den Gymnasien kommen Schüler auf die Realschule, die prinzipiell in der Lage wären, ein Abitur zu bestehen, aber mit der Geschwindigkeit der Wissensvermittlung überfordert sind. Es entsteht ein unnötiger Konkurrenzdruck durch Schüler, die mit den Anforderungen der Realschule unterfordert sind.
Gymnasium
Das ausschließliche Ziel des Gymnasium ist es, die Schüler zu einer Hochschulreife zu führen und auf ein Hochschulstudium vorzubereiten. Da in der Zukunft Bildung und Wissen Schlüsselfaktoren für das Wohlergehen der Gesellschaft sind, ist es unser Ziel, möglichst viele Schüler zu einem Abitur zu führen, das international anerkannt ist. Durch die Festlegung auf das G8-Abitur als einzige Möglichkeit wird das verhindert.
Demgegenüber stehen die Nachteile einer Abschaffung des G8-Abiturs, insbesondere die weitere Entfernung von internationalen Standards und ein erneutes Chaos, wie es die Abschaffung des G9-Abiturs nach sich zog. Die Lösung ist eine Koexistenz von G8 und G9. Diese ermöglicht Schülern nach nur 12 Jahren Schule ein Hochschulstudium zu beginnen. Trotzdem können die Schüler, die das zusätzliche Jahr benötigen, ein G9-Abitur auf dem ersten Bildungsweg abschließen.
Gesamtschule
Die Gesamtschule ist für immer mehr Eltern die Schule der Wahl für Ihre Kinder. Nach Möglichkeit sollten die Gesamtschulen ausreichende Kapazitäten besitzen, um alle angemeldeten Kinder aufzunehmen. Es gibt Gesamtschulen in verschiedenen Ausprägungen. Allen gemein ist, dass alle Abschlüsse des klassischen dreigliedrigen Schulsystems auch an Gesamtschulen erreicht werden können. Wichtig ist insbesondere, dass die Ausbildung an Gesamtschulen nicht einseitig auf die Schüler ausgerichtet ist, die dort das Abitur erlangen wollen, sondern dass auch die anderen Schüler gut gefördert werden. Dazu gehört, dass in den Klassen üblicherweise der Anteil Schüler mit einer Empfehlung für die Realschule mindestens 20 aber höchstens 50 Prozent betragen sollte. Bei alternativen Konzepten wie KGS oder Kurssystem gilt das natürlich nicht. Die Piratenpartei bekennt sich ausdrücklich auch zu kleineren Gesamtschulen, die dreizügig oder wenn organisatorisch möglich, zum Beispiel in Kooperation mit anderen Schulen, auch ein- oder zweizügig geführt werden können. Der Unterricht an Gesamtschulen erfolgt häufig im klassischen oft "Frontalunterricht" genannten Stil, getrennt nach Jahrgängen, einige oder alle Fächer nach Leistung in Kurse unterteilt. Denkbar und ausdrücklich erwünscht sind alternative Konzepte, die z. B. Kurse jahrgangsübergreifend gestalten oder sich vom Frontalunterricht lösen und alle Schüler mittels differenzierendem Lehrmaterial im Klassenverbund unterrichten.
Alternative Schulkonzepte
Momentan sind Schulen vielen Zwängen unterworfen. Ein Umsetzen alternativer Bildungskonzepte ist häufig nur an nichtstaatlichen Schulen möglich. Selbst bei der Umsetzung von Konzepten wie Projektarbeit oder Arbeitsgemeinschaften werden Schulen allein gelassen, wenn nicht sogar durch Überregulierung und starre Lehrpläne behindert.
Ein möglicher Weg das zu ändern ist eine Stärkung der Schulautonomie. Damit die Qualität der Bildung trotzdem gesichert wird, sind Evaluierungen unumgänglich. Die Evaluierung muss einerseits von einer neutralen Stelle vorgenommen werden, die Art der Evaluierungen muss dabei landes- oder sogar bundesweit gleich sein. Auch innerhalb der Schule sollten regelmäßige Evaluierungen erfolgen, die Art der Evaluierung bleibt hier aber der Schule selbst überlassen.
Damit einhergehen sollte auch eine gewisse Wahlfreiheit. Eltern dürfen nicht auf Schulbezirke eingeschränkt werden, sondern müssen die Schule wählen können (z. B. arbeitsortnah oder nach Schulkonzept). Sollten in einer Schule zu viele Anmeldungen vorliegen, sollte normalerweise - nach Berücksichtigung von Wohnortnähe und Geschwisterbonus - ein Losverfahren entscheiden. Bei weiterführenden Schulen können außerdem Kinder mit Empfehlungen zu einer bestimmten Gliederung bevorzugt werden, z. B. um an Gesamtschulen eine Ausgewogenheit herzustellen.
Medienkompetenz
Das Finden, Verstehen, Bewerten und Verbreiten von Informationen in unterschiedlichsten Darstellungen wird in Zukunft immer wichtiger. Die Menge der frei verfügbaren Information ist bereits seit einigen Jahren größer, als sie ein einzelner Mensch vernünftig verarbeiten kann. Dementsprechend kommt der halbautomatischen Auswahl von Information - und dadurch dem Verständnis derselben - eine zunehmende Bedeutung zu. Das Verständnis der gefundenen Information wird einerseits durch die größere kulturelle Entfernung zu einigen der Autoren erschwert, gleichzeitig ergibt sich durch schnelle und umfangreiche Online-Nachschlagewerke die Möglichkeit, unbekannte Termini in Sekundenbruchteilen nachzuschlagen. Ein immer größerer Teil des zum Verständnis nötigen Wissens wird also nicht durch Allgemeinbildung geliefert, sondern bei Bedarf erworben.
Der Bewertung von Informationen kommt in einer Zeit, da die Verbreitung derselben faktisch kostenlos ist, eine große Bedeutung zu. Jede fähige Interessengruppe ist bemüht, ihre eigene Sicht der Welt auf so vielen Informationskanälen wie möglich zu verbreiten. Durch die vernachlässigbaren Kosten gelingt dies in einem viel größeren Maße als früher. Gleichzeitig wandelt sich die klassische journalistische Medienlandschaft, so dass einige der Aufgaben, die früher von professionellen Journalisten erledigt wurden, nun von jedem einzelnen Leser geleistet werden müssen. Noch dazu kommt, dass die natürliche Heuristik, einigen Darreichungsformen von Informationen mehr zu vertrauen als anderen, inzwischen durch Fortschritte in der Bild- und Videobearbeitung fast nutzlos geworden ist. Die (Werbe-)Psychologie arbeitet aktiv daran, Menschen auch unterbewusst zu beeinflussen. Hier muss Medienkompetenz auch für Musik sowie olfaktorische Reize geübt werden.
Praktisch alle diese Entwicklungen geschahen in den letzten 15 Jahren. Dementsprechend wenig ausgeprägt ist die Schulbildung in diesem Bereich. In der Bildung muss die Arbeit mit verschiedenen Medien Einzug in alle Bildungsbereiche und alle Fächer finden. Weiterbildungsangebote für interessierte Lehr- und Erziehungskräfte müssen angeboten werden. Natürlich kann das Fach Medienkompetenz auch als eigenes Fach angeboten werden.
Chancengleichheit, Hochbegabung und Lernbehinderung
Chancengleichheit ist ein Begriff, der immer wieder im Bereich der Bildung gefordert wird. Allen Lernenden sollte, unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft sowie körperlichen und seelischen Benachteiligungen, ermöglicht werden, einen Bildungsstand zu erreichen, der ihren Möglichkeiten entspricht. Die Forderung nach gemeinsamem Unterricht allein greift jedoch viel zu kurz.
Benachteiligungen auf Grund sozialer oder ethnischer Herkunft wird am besten schon in der frühkindlichen Bildung begegnet. Dazu ist das Erkennen von Schwächen (z. B. Sprachschwäche), sowie ein kostenfreies Bildungsangebot vom Kindergarten bis zur Hochschule ein zentraler Punkt. Flankierende Maßnahmen, wie z. B. Erzieher an Grundschulen, Nachmittagsbetreuung in Kindergärten sowie Hortbetreuung, die an die entsprechenden Schulen angeschlossen sind, können das gut ergänzen.
Insbesondere Studiengebühren schrecken Kinder ärmerer Familien vom Studium ab. Da Intelligenz aber kaum vom Einkommen der Eltern abhängt, muss die Selektion der Studenten nach Fähigkeiten und nicht nach Geld erfolgen. Dementsprechend lehnen wir jede Form von an das Studium gebundenen Abgaben ab. Dies betrifft unter anderem Studiengebühren, die sogenannten Studienbeiträge sowie die erzwungene Anschaffung von Fachliteratur.
Auch Kinder mit Lernstörungen, sogenannten Verhaltensauffälligkeiten und Hochbegabungen haben ein Recht auf Förderung. Während Kinder mit Lernschwächen und verhaltensauffällige Kinder häufig auf Haupt- und Sonderschulen abgeschoben werden, wird bei Hochbegabten davon ausgegangen, dass sie ob ihrer hohen Intelligenz zu den Bevorzugten gehören und sich selbst genügend fördern können. Wie alle anderen Kinder, haben aber auch diese Kinder ein Recht angemessen gefördert und weder abgeschoben noch allein gelassen zu werden.
Im Allgemeinen ist das Ziel eine Integration benachteiligter Kinder in den normalen Schulunterricht, wobei bei der Frage der Integration die Interessen der Kinder im Vordergrund stehen müssen. Da der normale Unterricht unter Umständen erschwert ist, wenn Integrationskinder mit unterrichtet werden, ist ein Ausgleich durch zusätzliche Lehrkräfte oder Pädagogen zwingend erforderlich.
Zentrale Prüfungen, Quantifizierbarkeit
Obwohl zentrale Prüfungen momentan massive Probleme bei der Umsetzung haben, stellen sie ein sinnvolles Instrument zum Vergleich von Schulen und Schulformen dar. Ein weiterer Punkt ist, dass Schüler bei zentralen Prüfungen die eigenen Leistungen besser einschätzen können. Besonders in der Wirtschaft werden an verschiedenen Stellen quantifizierbare Belege für die Bildung nachgefragt. Trotzdem sind zentrale Prüfungen nicht in allen Fächern und Schulformen sinnvoll.
Kopfnoten sind nur zulässig, wenn sichergestellt ist, dass eine objektive Bewertung stattfindet. Insbesondere Fehlzeiten auf Grund von Krankheiten dürfen auf einem Zeugnis nur auf Wunsch des Schülers erscheinen.
Lernziele statt Lehrpläne
Jeder Unterricht hat das Ziel, den Lernenden etwas ihnen bisher Unbekanntes bekannt zu machen oder etwas bereits Bekanntes durch Wiederholung im Gedächtnis zu festigen.
Dies geschieht entweder durch bewusste Beschäftigung der Lernenden mit einem Thema oder durch Erlernen von Verhaltensweisen und Verfahren während der Beschäftigung mit einem anderen Thema. Sofern die Wahl von Themen oder Verfahrensweisen für das Lernziel nicht von besonderer Bedeutung ist, wird sie von den Lernenden getroffen.
Den Lernenden soll bekannt sein, welches Lernziel jeweils verfolgt wird. Die Lernziele ergeben sich so, dass die allgemeinen Ziele der Bildung ausgehend vom jeweiligen Kenntnisstand, den Fähigkeiten und den Interessen der Lernenden möglichst weitgehend erreicht werden.