MV:Schiedsgericht 1/13 Urteil

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Aktenzeichen SGMV 1/13

Urteil

im Verfahren

- 1. Antragsteller (personenbezogene Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen entfernt) -

gegen

Piratenpartei Deutschland, Kreisverband Rostock im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den Vorstand - 2. Antragsgegner -

hat das Schiedsgericht des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der Piratenpartei Deutschland durch die Schiedsrichter

Kristin Dahlke (Vorsitzende)

Isabell Haug und

Jan Magnus Schult

aufgrund mündlicher Verhandlung am Sonntag, den 17. Februar 2013, entschieden:

Die vom Kreisverband Rostock am 31.12.2012 auferlegte Ordnungsmaßnahme, den Beteiligten zu 1. für die Zeit von einem Jahr von sämtlichen Parteiämtern auszuschließen, wird aufgehoben. Dem Beteiligten zu 1. wird eine Ordnungsmaßnahme in Form der Verwarnung auferlegt.

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten um die Möglichkeit der Tätigung von ehrverletzenden Äußerungen, die das Ansehen der betreffenden Person (personenbezogene Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen entfernt), nachfolgend Mustermann genannt, ehrverletzend schädigen können beziehungsweise geschädigt haben.

Sowohl Mustermann als auch der Beteiligte zu 1. sind Mitglieder der Piratenpartei Deutschland im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern sowie in der Untergliederung des Kreisverbandes Rostock. Am 14.10.2012 fand in den Räumen der Landesgeschäftsstelle (Lange Straße 16, 18055 Rostock) des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern eine nicht-öffentliche Sitzung des Landesvorstands statt, an welcher auch Mustermann als damaliger Amtsinhalber eines Vorstandsamtes teilnahm. Der Ablauf der Sitzung wurde gestört, als der Beteiligte zu 1. die Tür zur Sitzung unaufgefordert öffnete. Daraufhin begab sich Mustermann zur Tür, geleitete den Beteiligten zu 1. hinaus und bat diesen, der nicht-öffentlichen Sitzung fernzubleiben. Dieser Aufforderung wurde durch den Beteiligten zu 1. Folge geleistet.

An dieses Zusammentreffen schlossen sich weitere Ereignisse an. Zum einen die ordentliche Landesmitgliederversammlung des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern in Groß Laasch am 03. November 2012, auf welcher sich Mustermann während der Kandidatenbefragung zur Aufstellung eines Vorstandsamtes im Landesvorstand mit für ihn unangenehm empfundenen Fragen hinsichtlich seiner Person konfrontiert sah. Diese Fragestellungen zielten inhaltlich darauf ab, ob er generell ein Problem mit Frauen habe. Grund für die Fragestellung bildete das am 14.10.2012 stattgefundene Ereignis in den Räumen der Landesgeschäftsstelle sowie auch die für außenstehende Dritte als zweideutig zu verstehenden Äußerungen des Beteiligten zu 1. auf der öffentlich einsehbaren Landes-Mailingliste des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Aufgrund dieser Geschehnisse folgten diverse Auseinandersetzungen über den Sachverhalt ebenfalls auf der Landes-Mailingliste des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der Piratenpartei Deutschland. Dies stellt nach dem persönlichen Empfinden von Mustermann eine Verletzung seines Ehrgefühls dar. Es folgte eine Verhandlung des Sachverhalts auf Kreisverbandsebene am 16.12.2012 in Rostock, auf der gegen den Beteiligten zu 1. eine Ordnungsmaßnahme erging, aufgrund welcher dieser ein Jahr lang keine Parteiämter übernehmen dürfe.

Am 07.01.2013 ging die formgerechte Anrufung des Beteiligten zu 1. beim Schiedsgericht des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der Piratenpartei Deutschland ein. Das Schiedsgericht hat das Verfahren eröffnet.

Der Beteiligte zu 1. beantragt

die Aufhebung der am 31.12.2012 verhangenen Ordnungsmaßnahme.

Die erteilte Ordnungsmaßnahme empfindet dieser als unangemessen und nicht gerechtfertigt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Kreisvorstand ist der Meinung, dass er ordnungsgemäß durch sein Mitglied Mustermann angerufen wurde und die Interessen des Mitgliedes zu vertreten habe. Der Antragsgegner geht davon aus, durch entsprechende Anwendungen von Ordnungsmaßnahmen die Interessen des Mitglieds wahren zu müssen. Die Höhe der Ordnungsmaßnahme richtet sich nach Ansicht des Antragsgegners nach ähnlich gelagerten Fällen und den darin erlassenen Urteilen anderer Schiedsgerichte innerhalb der Piratenpartei Deutschland.

Diverse Entschuldigungsversuche sowie gütliche Einigungsversuche des Beteiligten zu 1. schlugen fehl. So wurde auch das wiederholte Angebot einer Mediation, welches vom stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes durchgeführt werden sollte, durch den Vorstand des Kreisverbandes Rostock abgelehnt.

Begründung:

1. Die zulässige Anrufung ist teilweise unbegründet. Die Ordnungsmaßnahme im oben dargestellten erlassenen Maße ist aufzuheben und herabzusetzen auf eine Verwarnung.

„Verstößt ein Pirat gegen die Satzung oder gegen Grundsätze oder Ordnung der Piratenpartei Deutschland und fügt ihr damit Schaden zu, so kann der Bundesvorstand folgende Ordnungsmaßnahmen anordnen: V erwarnung, V erweis, Enthebung von einem Parteiamt, Aberkennung der Fähigkeit ein Parteiamt zu bekleiden, Ausschluss aus der Piratenpartei Deutschland. Der Vorstand muss dem Mitglied vor dem Beschluss der Ordnungsmaßnahme eine Anhörung gewähren. Der Beschluss ist dem Mitglied in Schriftform unter Angabe von Gründen zu überstellen.“

§ 6 Abs. I der Bundessatzung der Piratenpartei Deutschland bildet die Grundlage für den Beschluss auf der Ebene des Kreisverbandes Rostock im Landesverband Mecklenburg- Vorpommern der Piratenpartei Deutschland. Die Voraussetzungen sind gegeben. Nach § 4 Abs. I der Bundessatzung, welche die Grundlage anderer Satzungen bildet (so auch die im Kreisverband Rostock wie auch im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern), sind die Rechte und Pflichten der Piratenmitglieder wie folgt zusammen gefasst:

„Jeder Pirat hat das Recht und die Pflicht, im Rahmen dieser Satzung und der Satzung seines Landesverbandes die Zwecke der Piratenpartei Deutschland zu fördern und sich an der politischen und organisatorischen Arbeit der Piratenpartei Deutschland zu beteiligen.“

Der Beteiligte zu 1. ist ein aktiv beteiligtes Mitglied der Piratenpartei und kommt seinen Pflicht der Förderung der Zwecke der Piratenpartei Deutschland stets nach. Nur verwendet dieser hierbei auf den verschiedenen online erreichbaren Plattformen (Mailingliste) der Piratenpartei Deutschland oftmals nach eigener Aussage eine bildliche Sprache beziehungsweise eine blumige Ausdrucksweise, aber mit missverständlicher Doppeldeutigkeit. Außenstehende Dritte, welche den Beteiligten zu 1. nicht persönlich kennen, könnten dahingehend falsche Schlüsse ziehen. Nunmehr ist es bei politischer Arbeit und Förderung der Parteiziele zwingend notwendig, klare Ausdrucksweisen ohne spielerische Gestaltungsmöglichkeit zu verwenden, dass so wenig wie möglich Platz für schädigende Annahmen verbleibt und keine Irrtümer entstehen können. Dies setzt ein gewisses Maß an neutraler Wiedergabe von Ereignissen voraus. Dies gelang dem Beteiligten zu 1. im vorliegenden Fall nicht. Im Rahmen seiner pflichtbewussten Beteiligung am Parteialltag gerieten verschiedene Kommentare des Beteiligten zu 1. für nicht involvierte Dritte in derart doppeldeutige Wertung, dass das vom Antragsgegner vertretene Mitglied Mustermann sich in seiner Ehre verletzt fühlte. Dergestalt führte all dies zum Schaden für den Kreisverband Rostock wie auch den Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, als dass dies zu einer schlechten innerparteilichen Grundstimmung wie auch der gemeinsamen parteilichen Arbeit führte. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass dies zu schlechten Presse für die Kreis- und Landesebene führen kann und damit ein Schaden für die Partei als Ganzes nach außen eintreten kann.

Hierbei ist jedoch eine Unterscheidung vorzunehmen. Mustermann, dessen Interessen durch den Antragsgegner vertreten werden, hat sich verletzt gefühlt. Unter Ehre versteht man den verdienten Achtungsanspruch eines Rechtsgutsträgers. Ehrträger ist zunächst jeder einzelne Mensch. Eine tatsächliche Ehrverletzung durch Beleidigung oder andere ehrverletzende Äußerungen durch den Beteiligten zu 1. lag nicht vor. Jedoch ließ dessen Darstellung des Geschehens vom 14.10.2012 auf der öffentlich zugänglichen Landes-Mailingliste des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern bei außenstehenden Dritten den Schluss zu, dass Mustermann vielleicht ein Problem mit Frauen haben könnte. Weiterführend ließe sich dies letztlich auf eine Kränkung seiner persönlichen Ehre zurückführen und eine sehr subjektive Darstellung eines jeden Einzelnen, der den Beitrag gelesen hat, voraussetzen. Der Beteiligte zu 1. ist es nicht zuzumuten, dass dieser die Verantwortung der möglichen Gedanken nicht involvierter Dritter innerhalb der Partei trägt.

Dennoch ist diesem zuzumuten, eine möglichst neutrale Darstellung von Ereignissen, trotz persönlicher Beteiligung auf der Landes-Mailingliste des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern zu wählen, ohne dass aus anfangs minimalen Ereignissen große Auseinandersetzungen entstehen, was letztlich der Parteiarbeit kontraproduktiv entgegenwirkt und damit der Partei im Ganzen schadet.

Soweit sich der Antragsgegner auf Beibehaltung der erteilten Ordnungsmaßnahme von einem Jahr Ausschluss für jegliche Parteiämter stützt, ist diesem entschieden entgegenzuwirken, da das Ausmaß an Schaden für die Partei einen so geringen Umfang hat, dass diesem kaum Bedeutung zukommt. Eine Verwarnung ist in diesem Fall als völlig ausreichend anzusehen, da damit dem Ordnungsmaßnahmecharakter in der Hinsicht genüge getan wird, als dass sich der Beteiligte zu 1. zukünftig neutraler über zwischenmenschliche Zusammenkünfte auf online verfügbaren Plattformen der Piratenpartei Deutschland äußert und somit parteischädigende Ereignisse wegen Einhaltung der neutralen Berichterstattung abwenden kann. Aufgrund der erfolgten Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt ist tatsächlich eine Ordnungsmaßnahme aufzuerlegen, weil dies die Ernsthaftigkeit von öffentlichen Äußerungen auf den Foren der Piratenpartei Deutschland widerspiegelt.

Nach alledem war der Beteiligte zu 1. überwiegend antragsgemäß stattzugeben. Für eine weiterreichende Ansiedlung der Ordnungsmaßnahme sieht das Schiedsgericht dagegen keine rechtliche Grundlage und auch kein Bedürfnis.

2. Das Schiedsgerichtsverfahren ist kostenfrei. Jeder Verfahrensbeteiligter trägt seine eigenen Auslagen für die Führung des Verfahrens (§ 16 Absatz 1 der Schiedsgerichtsordnung).

3. Gegen das Urteil steht jeder Streitpartei die Berufung als Rechtsmittel zur Verfügung. Die Berufung ist innerhalb von 14 Tagen nach Urteilsverkündung beim Bundesschiedsgericht einzureichen und zu begründen. Der Berufungsschrift ist die angefochtene Entscheidung samt erstinstanzlichem Aktenzeichen beizufügen (§ 13 Absatz 1 und 2 der Schiedsgerichtsordnung).