Der Bundesparteitag möge beschließen, in das Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl unter dem Punkt "Bildung" aufzunehmen:
Modul 1: Inklusives Schulsystem
Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie darf und soll nicht bei der Bildung unserer Kinder aufhören, denn Bildung ist die Vorraussetzung für eine vollumfängliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dafür ein, dass jedes Kind, egal ob mit oder ohne Behinderung bzw. sonderpädagogischer Förderbedarf, wohnortnah einen Lernort bzw. eine Schule besuchen kann.
Alle Lernorte bzw. Schulen müssen über barrierefreie Zugänge für alle Kinder verfügen, die nicht nur auf die baulichen Vorraussetzungen beschränkt werden dürfen. Weiterhin müssen diese über eine adäquate Ausstattung und Qualifizierung an Personal, Assistenzleistungen, Lehr-, und Lernmitteln sowie sonstige Hilfsmittel für jedes Kind verfügen. Wir setzen uns dafür ein, dass kein Kind wegen fehlenden Zugangsvorraussetzungen und Ressourcen an dem Lernort bzw. der Schule ihrer Wahl abgewiesen wird. Das Wunsch- und Wahlrecht des Kindes und dessen Erziehungsberechtigten über den Lernort bzw. die Schule (Regelschule vs. Förderzentrum) muss in allen Bundesländern gesetzlich festgeschrieben werden.
Modul 2: Vermittlung von Gebärdensprache an Schulen
Wir setzen uns dafür ein, dass an Schulen Kurse zum Erlernen der deutschen Gebärdensprache (DGS) wenigstens als freiwillige Arbeitsgruppe, besser jedoch als reguläres Wahlpflichtfach angeboten werden. Darüber hinaus sollen an Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen noch existierende Lücken in den Lehrplänen geschlossen und die DGS als Pflichtfach eingeführt werden.
Der Bundesparteitag möge beschließen, in das Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl unter dem Punkt "Inklusion & Barrierefreiheit" aufzunehmen:
Modul 3: Flächendeckendes barrierefreies Notruf- und Informationssystem per Mobilfunk
Wir setzen uns für die zeitnahe Einführung eines flächendeckenden barrierefreien Notruf- und Informationssystem per Mobilfunk ein.
Modul 4: Deutsche Gebärdensprache als Amts- und Gerichtssprache
Für die Mehrheit der mehr als 80.000 Gehörlosen in Deutschland ist die Deutsche Gebärdensprache (DGS) das bevorzugte oder sogar einzige Kommunikationsmittel. Der DGS kommt damit eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung einer Teilhabe von Gehörlosen an gesellschaftlichen Prozessen zu. Die Piratenpartei Deutschland setzt sich deshalb dafür ein, die Deutsche Gebärdensprache als Amts- und Gerichtssprache anzuerkennnen.
Der Satz „Die Amtssprache/Gerichtssprache ist Deutsch“ ist in allen betreffenden Gesetzen zu ändern in „Die Amtssprachen/Gerichtssprachen sind Deutsch und Deutsche Gebärdensprache.“
Modul 5: Ergänzung des § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung "Tbl"
Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dafür ein, im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) in die Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) § 3 das Merkzeichen "Tbl" für taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen aufzunehmen und im SGB IX Teil 1 Kapitel 7 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft das Recht auf umfassende "Assistenz" für taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen festschreiben. Menschen die von Taubblindheit betroffen sind, haben andere Bedürfnisse und Bedarfe als blinde oder gehörlose Menschen. Die Kombination der aktuell vorhandenen Merkzeichen "Gl" für gehörlos und "Bl" für blind, reicht unserer Meinung nach nicht aus.
Wir fordern dazu eine vorhergehende, umfassende Prüfung, welche Leistungen mit diesem neuen Merkzeichen verbunden sein sollen. Dazu ist zwingend die Einbeziehung von Betroffenen sowie den Angehörigen von Betroffenen sicherzustellen. Weiterhin müssen vor allem die Interessensvertretungen von taubblinden und hörsehbehinderten Menschen involviert werden, die keine finanziellen Interessen an einem neuen Merkzeichen hegen. Bestehende Nachteilsausgleiche müssen allerdings weiterhin Bestandsschutz haben.
Modul 6: Inklusives Wahlrecht für Menschen mit Behinderung
Die PIRATEN setzen sich für ein uneingeschränktes aktives und passives Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung ein. Dazu sollen in allen Parlamenten in Bund und Ländern die §§ 13 Nrn. 2 und 3 BWG (Bundeswahlgesetz) sowie 6a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EuWG (Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland) beziehungsweise die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften ersatzlos gestrichen werden. Wir unterstützen damit vollumfänglich die Forderungen des Deutschen Behindertenrates, des Instituts für Menschenrechte und des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung zur Umsetzung eines inklusiven Wahlrechts.
Davon betroffen sind Menschen, denen ein Betreuer oder eine Betreuerin für alle Angelegenheiten bestellt worden ist oder die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und wegen befürchteter Allgemeingefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Es widerspricht den demokratischen Grundregeln, eine Menschen ein Recht deshalb zu versagen, weil dieser das Recht aus bestimmten tatsächlichen Gründen aller Voraussicht nach nicht oder nur stark eingeschränkt wahrnehmen kann. Beide Ausschlussvorschriften basieren auf historisch tradierten Vorurteilen, die überholt und mit dem heutigen Menschenrechtsverständnis nicht vereinbar sind. Sie führen stattdessen zu einer Ungleichbehandlung, für deren Rechtfertigung es keine plausiblen Argumente gibt.
Modul 7: Gesetz zur Sozialen Teilhabe unterstützen und umsetzen
Die Piratenpartei Deutschland unterstützt den Entwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen zum „Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX und anderer Gesetze“ zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Dies beinhaltet z. B.
- einen anderen Behinderungsbegriff als Aktivitätseinschränkung im Kontext der Umgebung
- Wunsch- und Wahlrecht für Teilhabeleistungen ermöglichen, das heute strukturell erheblich eingeschränkt ist
- Recht auf Leichte Sprache
- Leistungen für behinderte Kinder ausschließlich über das Jugendamt
- Integrationsamt wird Rehabilitationsträger für alle erwachsene behinderte Menschen (Finanzierung über den Bund)
- Trägerübergreifende Begutachtung aller Leistungen
- Leistungen zum Trägerübergreifenden Budget bleiben weitgehend bestehen
- neue Leistungsform: Persönliche Assistenz sowohl im Arbeitgebermodell als auch genossenschaftlich oder selbst organisiert.
Die Piratenpartei wird den Gesetzentwurf nach ihrer Wahl in den 18. Deutschen Bundestag nach Möglichkeit umsetzen.
Modul 8: Barrierefreiheit von öffentlichen Einrichtungen gewährleisten
Wir setzen uns für die Umsetzung und Einhaltung der Barrierefreiheit in allen öffentlichen Einrichtungen ein. Neubauten müssen zwingend den gesetzlichen Mindeststandards für Barriefreiheit entsprechen. Alte Gebäude sind nach Möglichkeit barrierefrei umzubauen. Dabei fordern wir mehr Einbeziehung von betroffenen Menschen zum Abbau von Barrieren als Grundvoraussetzung für eine inklusive Gesellschaft. Wir werden geeignete Sanktionen bei Missachtung bestehender Gesetze entwickeln. Zusätzlich wollen wir bundesweite Fördermaßnahmen als finanzielle Anreize für den Um- und Neubau schaffen.
Modul 9: Barrierefreiheit geht vor Denkmalschutz
Die Interessen von Barrierefreiheit und Denkmalschutz stehen sich häufig gegenüber. Nach unserer Meinung und der, von Deutschland unterschriebenen, UN-Behindertenrechtskonvention dürfen Menschen mit Behinderung nicht vom kulturellen Leben ausgeschlossen werden. Häufig beinhaltet Denkmalschutz verschiedene Vorstellungen von "Authentizität" (Echtheit), welche immer Kompromisse wie zeitgemäße Nutzungsanforderungen mit sich ziehen. Wir werden daher kreative Lösungen zur Vereinbarkeit fördern, uns jedoch vorrangig für Teilhabe und Barrierefreiheit einsetzen.
Wenn sich die Interessen von Barrierefreiheit und Denkmalschutz gegenüber stehen, ist sowohl der Denkmalschutzbeauftrage als auch der Beauftrage für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt in die Lösung des bestehenden Konflikts einzubeziehen. Das Ergebnis soll auf jeden Fall eine Verbesserung der Barrierefreiheit sein. Damit im zukünftigen Denkmalschutz die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden, ist es notwendig den Verantwortlichen der Denkmalpflege entsprechende Kenntnisse und Grundlagen für eine barrierefreie Gestaltung von Lebensräumen zu vermitteln. Auf Seiten der Politik für Menschen mit Behinderung muss aber auch das Wissen um den Wert und die Bedeutung des Erhalts "originaler" Bausubstanz und Baugestaltung erweitert werden.
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