Die Piratenpartei begrüßt die Freizügigkeit für Arbeitnehmer in einem EU Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten. Der gemeinsame, europäische Arbeitsmarkt muss der Förderung des Wohlstands und dem Nutzen aller dienen. Gleichzeitig müssen jedoch auch die unterschiedlichen geografischen Strukturen der Volkswirtschaften und die gewachsenen Sozialsysteme beachtet und nach Möglichkeit erhalten werden, denn diese sind historisch und kulturell bedingt und Teil des Lebens der Menschen vor Ort.
3.1 Vermeidung negativer Folgen der Freizügigkeit bei der innereuropäischen Arbeitsmigration
Der Wettbewerb darf nicht durch Vorteile, die sich durch niedrigere Sozial- oder Umweltstandards ergeben, entschieden werden. Insbesondere muss Sozialdumping, indem zum Beispiel Arbeitnehmer aus Staaten mit niedrigen Sozialstandards in EU-Ländern mit hohen Standards zu den Bedingungen ihres Herkunftslandes dauerhaft arbeiten, verhindern werden. Insofern ist die arbeitsrechtliche Gleichstellung, wie sie in der EU Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) definiert ist, für uns ein wichtiger Schritt. Ebenso der Vorrang dieser Richtlinie gegenüber dem Prinzip des freien Binnenmarkts, sofern er durch sie eingeschränkt ist.
Allerdings zeigen einige Urteile des Europäischen Gerichtshof die Mängel der Richtlinie auf. So sollte die Gleichstellung nicht nur für ausgewählte, in der Richtline aufgeführte Bereiche und Branchen gelten, sondern allgemein gültig sein. Durch die Anwendung der Richtlinine zur Gleichstellung darf zudem kein Arbeitnehmer schlechter gestellt werden, d.h. es sollte jeweils der höhere Sozialstandard angewendet werden.
Insbesondere fordern wir, dass die Grundrechte der Arbeitnehmer vorrangig und ihre gewerkschaftliche Organisationen gleichrangig sind gegenüber dem Binnenmarkt bzw. den Freiheiten der Unternehmer darin. Schließlich ist es entscheidend, dass die Richtlinie nicht in der Praxis unterlaufen wird. Bestrebungen, z.B. durch die EU-Kommission die bestehenden Kontrollmöglichkeiten vor Ort einzuschränken, lehnen wir ab.
3.2 Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit in Europa
In Europa sind derzeit 5,6 Millionen junge Menschen unter 25 Jahren ohne Job, das entspricht einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von knapp 23,5 Prozent. Vor allem in von der Krise stark getroffenen Ländern droht der Verlust einer gesamten Generation.
Um die Arbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen, fordert die Piratenpartei eine bessere Zusammenarbeit unter den europäischen Staaten - nationalstaatliches Denken verhindert effektive Lösungen. Dabei soll die Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit Vorrang genießen.
Eine weitergehende Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, die einseitig auf dem Abbau von Arbeitnehmerrechten ausgerichtet ist, kann das Problem nicht lösen, sondern wird es verschärfen. Junge Menschen werden vielfach trotz guter Ausbildung dauerhaft als Praktikanten und in prekären (unsicheren) Arbeitsverhältnissen beschäftigt.
Die Piratenpartei fordert eine Lösung, die nicht auf Einzelmaßnahmen basiert, sondern auf einem umfassenden Ansatz bestehend aus Bildung, sinnvoller Infrastruktur und einem Programm zur Förderung einer modernen Wirtschaft.
3.3 Gegenseitige Anerkennung der Berufsausbildung
Die gegenseitige Anerkennung vergleichbarer Ausbildungsabschlüsse ist derzeit mit dem Turm von Babel vergleichbar. Anstatt jedoch wie bisher mit allen Mitteln an jeweils eigenen Standards festzuhalten (und sie zum Nonplusultra zu erklären), wollen wir europaweit für gleiche Fertig- und Fähigkeiten einheitliche Ausbildungslevels schaffen, die den Arbeitnehmern die freie Wahl des Arbeits- und damit Lebensorts erleichtern.
Als erster Schritt dazu müssen die Prozeduren zur gegenseitigen Anerkennung der Ausbildungen verschlankt und gestrafft werden, um eben diese Anerkennung zu erleichtern.
3.4 Einheitliche berufliche Fort- und Weiterbildung
Unsere moderne Wirtschaft benötigt gut ausgebildete und hochspezialisierte Fachkräfte. Moderne Arbeitsplätze haben hohe Anforderungen an die Bildung, während einfache Arbeiten von Maschinen erledigt werden. Das hat gravierende Folgen, da viele Arbeitsplätze dadurch entfallen oder nicht besetzt werden können. Den betroffenen Menschen muss daher die Möglichkeit gegeben werden, ohne in finanzielle Nöte zu geraten eine neue Ausbildung, Fortbildung oder ein Studium beginnen zu können. Wir wollen den Menschen daher lebenslanges Lernen ermöglichen und fordern die baldige Einführung eines europaweiten Bildungsgrundeinkommens, um das Lernen in Vollzeitbildungsmaßnahmen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.
3.5 Kein Sozialdumping im Transportgewerbe
Im Zuge der Vereinheitlichung des Binnenmarktes hat die EU den Transport von Waren innerhalb der Gemeinschaft durch ausländische Unternehmen fast vollständig liberalisiert. Dies bezeichnet man als Kabotagefreiheit. Leider erhöht die Kabotagefreiheit nicht nur den Leistungs- und Wettbewerbsdruck , sondern führt auch zu weiterem innereuropäischen Lohndumping, unter anderem durch die Anwerbung von außereuropäischen Arbeitskräften.
Um einen fairen Wettbewerb mit anderen international agierenden Transportfirmen herzustellen, bedarf es gleicher Wettbewerbsbedingungen. Die Piratenpartei fordert daher, dass jeder Frachtführer nationalitätsunabhängig für die Anzahl seiner Arbeitsstunden, die im jeweiligen Mitgliedsstaat anfallen, mindestens den jeweils im Land gültigen Mindestlohn erhält (siehe auch unsere Forderung nach einem europäischen Grundeinkommen). Scheinselbstständigkeit muss hier absolut vermieden werden. Als Nachweis können digitale Abrechnungssysteme (erweiterte Maut bzw. Arbeitszeiterfassung) dienen. Da es sich um eine kalkulierbare Größe handelt, können diese Arbeitskosten in jedes Frachtangebot mit eingerechnet werden, unabhängig vom Firmensitz des Anbieters.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen beinhalten auch gleiche Wissensstandards. Die Piratenpartei fordert daher, dass einheitliche Fortbildungs- und Prüfstandards, die der Sicherheit im Straßenverkehr dienen, für den grenzüberschreitenden Warenverkehr hergestellt werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass Fortbildungszertifikate in anderen Ländern problemlos gekauft werden können.
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