Gustafsson
Zweck dieser Seite
Auf Copyriot.se gibt es eine vorläufige Übersetzung der Begründung des berühmten schwedischen Autors, Lars Gustafsson, warum er die Piratenpartei wählt vom Schwedischen ins Englische. Diese englische Übersetzung dient als Grundlage für die Übersetzung ins Deutsche, um den Text schnell in Deutsch verfügbar zu machen. Im Anschluss muss die Qualität der Übersetzung möglichst aus der schwedischen Originalquelle noch nachgebessert werden. Bei unklaren Passsagen habe ich ein [U] gesetzt.
Vorbemerkung: dies ist eine schnelle Übersetzung der englischen Übersetzung, die ebenfalls noch nicht ausgereift ist. --JensSeipenbusch 13:59, 28. Mai 2009 (CEST)
Mir ist inzwischen eine bessere (direkte) Übersetzung zugegangen von Stefan Schmidt, die ich nun hier eingestellt habe. --JensSeipenbusch 09:58, 4. Jun. 2009 (CEST)
Deutsche Übersetzung des Textes
Lars Gustafsson erklärt seine Wahlentscheidung bei der EU-Wahl nächste Woche.
"Deshalb wähle ich die Piratenpartei"
Der Großkönig von Persien soll, laut einer antiken Quelle, die Wellen des Meeres schlagen lassen haben, weil der Sturm ihn daran hinderte, Truppen über das Meer zu führen. Das war dumm von ihm. Heutzutage hätte er es vielleicht mit dem Stockholmer Amtsgericht versucht? Nach einem beratenden Gespräch mit dem Richter?
Es ist eigentümlich, wie stark die Situation im Frühling 2009 - auf dem Gebiet der Bürgerrechte - an das Schicksal der französischen Pressefreiheit in den Jahrzehnten vor der französischen Revolution erinnert. Eine neue Ideenwelt wächst heran und sie hätte nicht entstehen können, ohne getragen zu werden von einer stets schneller entwickelten Technologie. Razzien in geheimen Druckereien, beschlagnahmte Druckerzeugnisse und - mehr noch - beschlagnahmte Druckmaschinen. Haftbefehle und abenteuerliche nächtliche Transporte zwischen der preußischen Enklave Neuchâtel - wo nicht nur ein großer Teil der Bände des Lexikons zustande gekommen ist, sondern auch verschieden waghalsige Pornografie zwischen den atheistischen Pamphleten - und Paris. Zwischen circa den 1730ern und den 1780ern vervierfachte sich die Anzahl staatlicher Zensoren in Frankreich und die Beschlagnahme illegaler Druckereien wuchs ungefähr in demselben Tempo.
Wie wir wissen, half das nicht.
Vielmehr wirkte das Wachstum der Zensur und der Druckereirazzien stimulierend auf die neuen Ideen und brachte die Ausbreitung richtig in Fahrt.
Nun geht es um die fortgesetzte Existenz des Netzes als Ideenforum und als bürgerrechtliche Institution, geschützt gegen identitätsverletzende Eingriffe und geschützt gegen mächtige Einzelinteressen. Dass ein wahnsinniger französisch-deutscher Vorschlag jetzt im Europaparlament fallen gelassen wurde bedeutet nicht, dass Netzfreiheit und Integrität irgendwie sichergestellt sind.
Wie reell sind eigentlich diese Bedrohungen?
Lasst uns an den Fluss Dalälven im Frühlingshochwasser denken. Ein wirklich kritisches Jahr, wo das Wasser bis auf 100 Meter, 200 Meter an die Hausgrundstücke und Wiesen heranfließt. Hilft es die örtliche Polizei von Ludvika anzurufen? Bis jetzt - das zeigen die meisten der historischen Erfahrungen - hat die Gesetzgebung nie die technologische Entwicklung aufhalten können. Walter Benjamin schrieb ein einflussreiches Essay dessen Titel als Kunstwerk im Reproduktionszeitalter übersetzt zu werden pflegt, wo er eine Reihe interessanter Schlussfolgerungen zieht über die radikale Veränderung, welche die relativ einfache Reproduzierbarkeit seiner Zeit bedeutet.
Die digitale Revolution hat eine Reproduzierbarkeit herbeigeführt wie sie sich Walter Benjamin kaum erträumt haben könnte. Man sollte von der maximalen Reproduzierbarkeit sprechen können. Google beschäftigt sich damit eine Bibliothek zu bauen die, wenn sie wachsen darf, das meiste der materiellen Bibliotheken obsolet machen oder in jedem Fall veralten wird. Kinos und Papierzeitungen sind schon länger in diese neue Immaterialität verwickelt. Filme, Romane, Zeitschriften lassen sich reproduzieren. Nicht genug damit; auch dreidimensionale Gegenstände, zum Beispiel Produkte von programmgesteuerten Drehmaschinen lassen sich reproduzieren. Drahtlos und schnell. Diese Immaterialisierung enthält natürlich eine Gefahr für das materielle Urheberrecht. Und wir sprechen da nicht nur über die offensichtlichen Gefahren für die Möglichkeit des Herren Guillous und der anderen mittelmäßigen Verfasser, sich mit neuen Herrenhäusern einzudecken - ein soziales Problem, das mich ehrlich gesagt wenig kümmert.
Materielles Urheberrecht hat viel ernsthaftere Seiten als diese: Welche Bedeutung hat das Urheberrecht der großen Pharmaunternehmen für Aids-Medikamente für die dritte Welt? Oder was wird gesagt über Monsantos Anspruch auf das materielle Urheberrecht zu Saatgut und Schweinen? Alles Zusammenleben fordert Abwägung zwischen verschiedenen Interessen und alle heuchlerischen Versuche diese beiseite zu schieben sind Unfug. Eine funktionierende militärische Verteidigung ist tatsächlich wichtiger als Eishockeyplätze und Fahrradwege. Vermutlich bedeutet das Netz eine Gefahr für das materielle Urheberrecht.
Na und?
Intellektuelle und persönliche Integrität für Bürger, kurz gesagt ein Internet das nicht verwandelt worden ist in einen Behördenkanal von lobbyhörigen Gerichten und EU-Politikern in Halsschlingen, ist vernünftigerweise wichtiger als der Bedarf einer in der Hauptsache industriellen Literatur- oder Musikszene die bereits innerhalb der Lebenszeit der Urheberrechtsinhaber schnell zur Makulatur wird.
Der Bedarf gelesen zu werden, zu beeinflussen, seine Gegenwart zur formulieren braucht nicht, aber kann in Konflikt stehen mit dem Wunsch viele Exemplare zu verkaufen. Wenn es einen Konflikt gibt zwischen beiden, muss das industrielle Interesse weichen und sich die große intellektuelle Sphäre gegen alles was sie bedroht verteidigen. Das wesentliche Interesse für Künstler und Verfasser die ihre Tätigkeit intellektuell und moralisch ernst nehmen muss natürlich sein gelesen zu werden, sich Gehör innerhalb seiner Generation zu verschaffen. Wie man gelesen wird, oder anders formuliert wie man seine Leser erreicht, ist aus dieser Perspektive sekundär.
Die zunehmende Verteidigung der erweiterten Meinungsfreiheit des Netzes, also der immateriellen Bürgerrechte, wie wir sie nun Land für Land sehen, ist der Anfang zu einem - genau wie das letzte Mal im 18. Jahrhundert - technikgetragenem und deswegen befreiten Liberalismus.
Deshalb wähle ich die Piratenpartei.
Englische Vorbemerkungen des Übersetzers aus dem Schwedischen ins Englische
[der englische Text ist nun nicht mehr Grundlage der deutschen Übersetzung --JensSeipenbusch 10:02, 4. Jun. 2009 (CEST)]
Lars Gustafsson is probably Sweden’s most profilic living writer. Since the late 1950’s he has produced a steady flow of poetry, novels and literary criticism. At the same time, he has until recently been active as professor of philosophy at the University of Texas. Now he’s back in Sweden and just started publishing himself on a blog. He has also received a long list of literary awards, most recently – only two days ago – the Selma Lagerlöf award. Therefore, it is making quite an excitement in Sweden as Lars Gustafsson, in today’s issue of Expressen, explains why copyright must be left behind and declares that he is voting for the Pirate Party in the ongoing European elections.
As this text could probably be of interest for a few people also outside of Sweden, I made a very fast translation. It is certainly not perfect, but please do not complain on translation wrongs in the comments – make an updated version instead, and post the link to it! I could also add that I do not personally share every detail in Lars Gustafsson’s analysis. Especially, the dichotomy between “material” and “immaterial” is problematic, as digital technologies indeed lead to re-materializations everywhere – something we are right now exploring in the project Embassy of Piracy, culminating next week on the Venice Biennale. There are also good reasons to questions the status of Walter Benjamin’s concept of “reproducibility”. However, Lars Gustafsson – like Walter Benjamin – is powerfully formulating the ongoing conflicts in materialist terms and putting them in a very relevant historical perspective. Let this be a starting point for discussions. And once again, apologized for any translation wrongs…