Diskussion:Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 030
Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Antrag und seine Zielsetzungen richtig verstanden habe. Ich versuche einmal, die Essenz herauszuziehen, so wie ich es verstanden habe:
- Die Bürger sollen nicht nur über Personen, sondern mit einer separaten Stimme auch über Programme abstimmen, genauer über "in sich abgestimmte, fachlich fundierte Programme unter Einbeziehung des größtmöglichen Sachverstandes", "und [die] aus ihnen resultierende Haushaltspläne", mit denen "die gesellschaftlichen Auswirkungen in verständlicher, bürgernaher Weise deutlich gemacht" werden, sollen zeitgleich auch schon fertig sein. Und zwar mit ausreichendem Vorlauf vor der Wahl (ein Jahr).
- Egal, welche Personen gewählt werden, das Wahlprogramm mit den meisten Stimmen ist verbindlich.
Auch wenn ich extrem skeptisch bzgl. Umsetzbarkeit des Antrags bin und ihn daher nicht unbedingt unterstützen kann, finde ich die Grundidee charmant, dass dem Bürger rechtzeitig Wahlprogramme zur Auswahl vorgelegt werden, die 100% durchdekliniert sind. Ich finde, diese Grundidee sollte weitergedacht werden.
Dass so etwas prinzipiell möglich und auch sinnvoll ist, habe ich in meiner Zeit in Australien erlebt (allerdings sind Einnahmen und Ausgaben im dortigen Haushaltssystem auch sehr viel berechenbarer über Jahre im voraus). Ich kann mich an einen Zeitungskommentar im Wahlkampf 2004 erinnern: Wenn der Oppositionsführer Mark Latham nicht nachweisen kann, dass sein Vorschlag X gegenfinanziert werden kann, oder wenn die Regierung einen Fehler in seiner Gegenfinanzierung findet, dann ist seine wirtschaftspolitische Reputation "shredded". Wäre schön, wenn die politische Kultur auch in Deutschland diesen Grad an Seriösität erreichen könnte, eben mit durchdeklinierten Wahlprogrammen nebst ausgearbeitetem Haushalt wie im Antrag angedacht. Just my 2ct. KW
Eine kleine, aber nicht unbedeutende "Leerstelle" in meinem Antrag ist mir auch noch aufgefallen. Sie scheint mir nicht unüberwindlich, lädt m.E. aber zum Weiterdenken ein: Wie lässt sich die Zusammensetzung der durch den Wahlhof bestellten Expertenkommission demokratisch legitimieren? Ließe sich dies in einem ständigen parlamentarischen Ausschuss leisten? (neuer Punkt 2a) J.Stahr
Hab heute mal versucht, mein Papier auf dem LPT Bayern vorzustellen. Zustimmung hatte ich nicht erwartet, darum ging es mir auch gar nicht, dafür hapert es noch zu sehr an der Umsetzung. Aber ich wollte eine Diskussion anstoßen und war schon etwas enttäuscht, dass es nicht zu Redebeiträgen kam...
Ich wollte den LPT auch zu diesem Zeitpunkt nicht mit grundsätzlichen, nicht so leicht fassbaren Überlegungen überfordern, aber die Problembeschreibung spricht, glaube ich, vielen Wählern der unterschiedlichsten Coleur aus dem Herzen und wenn wir dazu Lösungsansätze finden, sind wir vielleicht wirklich mehrheitsfähig.
Einer Partei den Vorschlag zu machen, die Bedeutung der Parteien zu relativieren, ist allerdings nun nicht ganz einfach – genauso wie es schwer sein mag selbst hinter dem Allgemeinwohl zurückzustehen - aber wo sollte ich den Vorschlag sonst machen, wenn nicht in unserer Partei...
Und @twitter :-
...danke, dass ihr mich nicht gleich gekreuzigt habt! (ihr könnt es ja noch nachholen ;-) Aber sicherlich, ist mir nichts so sehr zuwider wie jedes diktatorische Element, auch und schon gerade eine „Expertendiktatur“! Die demokratische Legitimation des größtmöglichen Sachverstandes – und diesen werden wir leider nie bei Berufspolitikern finden, auch nicht bei der Piratenpartei - muss sichergestellt werden, keine Frage! Und zwar besser demokratisch legitimiert als im gegenwärtigen Willensbildungsprozess, in dem viele Wähler, ihr Kreuzchen nur noch aus Tradition, emotionaler Nähe zum Kanzlerkandidaten oder einem diffusen Lagerdenken heraus machen, ohne sich wirklich jemals ein Bild von politischen Inhalten gemacht zu haben.
...und selbstverständlich :-) ziehe ich meinen Antrag auf dem BPT nicht zurück – auch wenn er nicht zustimmungsfähig sein sollte, bitte macht was daraus, allein kann ich das nicht leisten...
PS: Ich bin an den BPT-Tagen übrigens auf der Konfirmation meines Neffen und daher verhindert – wenn sich also jemand findet, der meinen Antrag vorstellen mag, würde ich mich sehr freuen.
J.Stahr
Mit Blick auf meinen Antrag hat mich unser Wahlerfolg im Saarland nun doch auch etwas nachdenklich gemacht:
Ich möchte mit meinem Antrag - wie hoffentlich deutlich geworden - ja im Idealfall erreichen,
(1.) dass der Wähler wieder weiß, was er wählt. Dass er sich aktiv mit politischen Inhalten auseinandersetzt, die er mit seiner Stimme unterstützt. Dass ihm die Parteivertreter kein X für ein U vormachen können, nur um mehr Stimmen zu erhalten...
(2.) dass die zur Wahl gestellten politischen Programm, unter Einbeziehung des größtmöglichen Sachverstandes erarbeitet werden und - wenn auch ggf. nicht schmerzfrei - so doch echte Lösungsansätze für die Herausforderungen bieten, die sich unserem Land stellen...
So jetzt kommts:
Keiner stellt ernsthaft in Frage - wir ja auch nicht - dass unser Wahlerfolg im Saarland nicht unbedingt daran liegt, dass 7,4% der Bevölkerung die Piraten gewählt haben, weil wir ausgearbeitete Programmatiken in den wichtigsten Politikfeldern bieten, denen der Wähler auch noch vertraut. Nein, es ist ja gerade unsere (noch) weitgehende Positionslosigkeit, die uns derzeit als politische Alternative wählbar macht... Den etablierten Parteien werfe ich vor, dass diese zugunsten des Machterhalts/-übernahme ihre Partei- und Regierungsarbeit in erster Linie unter populistischen Gesichtspunkten betreiben. Aber wir? Uns müsste man ja erst recht unterstellen, dass wir im Kampf um Wählerstimmen nicht einmal mehr über politische Ziele und Wirkungen hinwegtäuschen, sondern gleich versuchen, mit Positions- und Inhaltslosigkeit zu punkten! Auf der Welle der Wählerresignation zu surfen - eines Wählers, der seine Erwartungen durch die etablierten Parteien enttäuscht sieht und deshalb eine Partei wählt, an die sich keine Erwartungen knüpfen lassen (höchstens die, dass bei uns irgendwie diffus irgendetwas anders sein) - darüber sollten wir so schnell wie möglich hinwegkommen, sonst ist die Chance für uns und unsere Demokratie vertan!!!
Also,lasst uns mal bitte wirklich anders sein. Lasst uns mal ein paar wirklich neue Politikentwürfe machen ...und nicht nur markige Sprüche und mehr oder weniger fundiertes Klein-Klein. Ich würde mir wünschen, dass wenigstens wir halten, was sich der Wähler von uns verspricht!
Ahoi und Leinen los ihr Seemänner, Piraten können doch mehr als Schiffe versenken,oder ;-)!
(Tschüss liebes Tagebuch, ich hoffe, dich liest nochmal jemand, der versteht, was ich meine... und vielen vielen Dank(!) KW: Dein Beitrag hat mich total gefreut - so etwas hätt ich mir auf dem LPTBY echt gewünscht!)
J.Stahr