Darmstadt/Nordbad

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Großprojekt durch die Hintertür – Nordbad Darmstadt

Seit Jahren ist bekannt: Das Darmstädter Nordbad ist marode, die Technik veraltet, das Dach statisch unsicher. Seit Jahren ist davon die Rede, dass hier massiv etwas getan werden muss - im Nordbad findet ein großer Teil des Schwimmunterrichts und des Vereinssports statt. Aber über Jahre tat sich nichts. Bis dann plötzlich im Frühjahr dieses Jahres davon die Rede war, die Sanierung könne beginnen. Und im Juni bekam das Stadtparlament dann auch eine Vorlage. Eine etwas überraschende Vorlage: Nicht von Sanierung war mehr die Rede, sondern von einem kompletten Abriss mit Neubau. Und es sollte nicht nur das Sport-und das Lehrschwimmbecken erneuert werden - sondern zusätzlich auch mit Millionenaufwand ein Spaßbad gebaut werden. Und im Nebensatz wurde auch noch öffentlich, dass gleichzeitig das Trainingsbad am Woog geschlossen und abgerissen werden soll. Kaum hatte die Öffentlichkeit von diesem Großprojekt erfahren, war es auch schon durch die Gremien. In völlig unüblicher Eile beschloss das Parlament, obwohl viele wichtige Fragen ungeklärt sind und keine öffentliche Diskussion über die Alternativen stattfinden könnte. Die FDP hat der Vorlage nicht zugestimmt und sieht große Risiken. Stadtverordneter Ralf Arnemann (Arheilgen) hat nachgerechnet und erhebliche Probleme gefunden.

Startpunkt 18 Millionen Was ist konkret geplant? Als Ersatz für das abzureißende alte Nordbad: • ein in zwei 25-m Becken unterteilbares 50-m Schwimmbecken (1,85 m Tiefe) ca. 600 m2 • 1 Lehrschwimmbecken mit ca. 115 m2 •1 Kleinkinder-Planschbecken ca. 30 m2

Und dann neu der " Erlebnisbereich" : • 1 Erlebnis-/Kursbecken innen mit ca. 215 m2 • 1 Rutschbahn, ca. 80m2 mit separatem Landebecken. Und separat für den Spaßbad¬bereich noch einmal Umkleiden, Duschen und Nebenräume, zusätzlich zu denen des Sportbereichs. Zu den bereits für die Nordbad-Sanierung angeplanten Mitteln von 1,5 Mio. Euro. sollen noch ausgegeben werden: • 2011 5,0 Mio. Euro • 2012 6,0 Mio. Euro • 2013 4,2 Mio. Euro •2014 1,3 Mio. Euro.

Das wäre dann eine Summe von 18 Millionen. Ein echtes Großprojekt also. Darüber würde man normalerweise auch eine ausführliche Diskussion führen - schließlich ist die Stadt hochgradig verschuldet und weiß nicht, wie sie ihre ausufernden Defizite in den Griff bekommen soll. Und die 18 Millionen sind na - die Annahme, man könne durch ein Spaßbecken und eine Rutsche eine Verdreifachung (!) der Einnahmen erzielen. Unterm Strich ist eher mit einem Defizit von 2-3 ' MiIIionen pro Jahr zu rechnen. Dazu kommen noch die Kapitalkosten von 1,5-2 Millionen Euro ¬ das hängt davon ab, wie sich die Baukosten wirklich entwickeln. Ralf Arnemann: "Von der Investition her liegt die Nordbad-Planung niedriger als die viel diskutierten GroßprQjekte Darmstadtium und Nord-Ost-Umgehung. Aber bei den Folgekosten liegt es in ähnlicher Größenordnung wie das Kongreßzentrum und deutlich höher als die Umgehung". Es ist auch nicht vertrauenerweckend, daß die Magistratsvorlagen schwere Fehler enthalten. So wird das Sportbecken mit 600 qm angegeben - in den Plänen taucht es aber doppelt so groß auf. Auch wird bei den Vergleichsrechnungen für die Kostendeckung das Nordbad alleine mit dem Gesamtkomplex incl. DSW-Bad verwechselt. Alle Angaben können im Internet unter httpsJldarmstadt. more-rubinl.de/ eingesehen und nachgeprüft werden. Es geht um die Magistratsvorlagen 2010/0056 und 2010/0208 mit ihren Anlagen, aus der Stadtverordnetensitzung am 26. Juni. Im Hinterzimmer Im Internet finden sich aber nur vergleichsweise wenige Angaben. Es fehlen die entscheidenden Grundlagen: Die Untersuchung des Büros Fritz-Planung und das Gesamtbäderkonzept - beide aus dem Jahr 2008! Diese Unterlagen hält der Magistrat seit 2 Jahren zurück. In der Vorlage aus 2010 heißt es: "Aus den von - der Fritz-Planung vorgeschlagenen~ vier Sanierungsvorschlägen wurde nach Politischer Abstimmung und Beschlussfassung in der Betriebskommission am 16. Juni 2008 die Sanierungsvariante "Erhaltung von 2 Hallenbädern" gewählt." Weder das Parlament noch die Öffentlichkeit wurden über diese 4 Varianten und den Grundsatzbeschluß informiert. Das "Gesamtbäderkonzept" ist bis heute geheim, es wurde nicht einmal der Stadtverordnetenversammlung vor dem Juni-Beschluß vorgelegt. Natürlich nur die aktuelle Schätzung. Alle wesentlichen Entscheidungen

- nach allen Erfahrungen ist eine deutlich höhere Endsumme zu erwarten. 

Schön gerechnet? Aber die Baukosten sind nur eine Seite der Medaille. Langfristig sind die laufenden Kosten viel entscheidender. In der Magistratsvorlage werden dazu erstaunliche Zahlen (in tausend Euro.) genannt: Nordbad 2009 Einnahmen 287 Ausgaben 1567 (davon Personal) (1185) Defizit -1280 Kostendeckung 18,3% Sport-und Spaßbad künftig dungen -auch die über die Schließung des Trainingsbades am Woog - wurden in nicht¬öffentlicher Sitzung der Betriebskommission des Eigenbetriebs Bäder gefällt. Einem Hilfsgremium, daß laut Gesetz nur die laufenden Geschäfte überwachen soll und keinerlei Befugnis für grundlegende Entscheidungen dieser Art hat. Im Gegenteil heißt es explizit im Eigenbetriebsgesetz des Landes Hessen: §5: "Die Gemeindevertretung entscheidet ... über die Grundsätze, nach denen die Eigenbetriebe der Gemeinde gestaltet und wirtschaftlich geleitet werden sollen." Insbesondere ist das Stadtparlament -Das würde also bedeuten, daß Personalkosten eingespart werden sollen -bei einer Vergabe an einen privaten Betreiber wäre das in Grenzen auch möglich. Aber gleichzeitig soll mit diesem Personal auch noch fast der doppelte Badebetrieb, nämlich zusätzlich zum Sportbad auch das Spaßbad mit erhofften 80.000 neuen • Besuehern abgewickelt werden! Diese Planung ist höchst unglaubwürdig. Und ebenso unrealistisch ist • Kern eine hervorragende Idee .. schlag ein Bad zu schließen und abzureißen ist eine .. wesentliche Umgestaltung" .. Es stellt sich die Frage, ob die Beschlüsse der Betriebskommission gesetzwidrig waren ¬die FDP wird das juristisch prüfen lassen. Darmbadium? Die bisherigen Vorgänge um die Nordbad-Planung erinnern fatal an die um das Kongreßzentrum vor einigen Jahren. Das Kongreßzentrum war im Eine Stadt wie Darmstadt braucht Tagungskapazitäten, der alte Saal im Luisencenter mußte ersetzt werden, der Standort und die Kooperation mit der TU waren hilfreich -die Planungen versprachen eine schnelle Realisierung ohne Folgekosten! Aber durch die amateurhafte Realisierung kam es dann zu Verzögerungen, Fehlplanungen und Mehrkosten. Selbst ein hervorragendes Management wird das nun in vielen Punkten unzureichend realisierte Zentrum nicht ohne jährliche Zuschüsse betreiben können. Ähnliches droht beim Nordbad. Die Grundidee ist ja gut ¬ natürlich braucht die Stadt ein großes Sportschwimmbecken, vor allem für den Schulbetrieb. Der Standort ist weiterhin bestens geeignet und im Sommer ist die Nachfrage nach Freizeitgestaltung im Schwimmbad groß. Aber die gute Grundidee wird schlecht umgesetzt. Die Spaßbad-Komponente ist dilettantisch geplant und wird erhebliehe Defizite einfahren. Die Finanzplanung ist auf Kante genäht und hat keine Reserven für zu erwartende Verzögerungen. Eine vernünftige Alternativenabschätzung hat es nicht gegeben. Die Arheilger FDP-Ortsvorsitzende Sandra Klein: "Wir haben alle unsere Erfahrungen mit solchen Projekten in Darmstadt. Zuerst passiert lange nichts -die übliche "Darmstädterei". Und dann wird alles überhastet betrieben und die Folgefehler müssen wir lange Jahre ertragen."

Wahlkampfgeschen Es ist schwer zu begründen, warum nach der internen "Grundsatzentscheidung" in 2008 so lange nichts passierte - und dann jetzt so überrasehend das Kaninchen aus dem Zylinder gezogen wurde. Passend für die Wahlprogramme zur Kommunalwahl nächsten März. Oder passend zur OB-Wahl ¬ interessanterweise wird das Projekt genau von den drei Parteien (rot/schwarz/grün) gestützt, die jede einen OB¬Kandidaten stellen. Offenbar soll dieser Wahlkampf in uralter Weihnachtsmann-Manier geführt werden: Den Wählern werden tolle neue Geschenke versprochen. Und den wahren Preis erfahren sie erst nach der Wahl. Interessanterweise ist die Fertigstellung des Projekts auch so geplant, daß es kurz vor der Kommunalwahl 2015 feierlich eingeweiht werden kann...

Nicht konkurrenzfähig Der kritische Punkt beim Konzept ist das neue Spaßbad. Es •' umfaßt zwar nur ein eher kleines Becken mit einigen Spielelementen und eine Rutsche ¬ erfordert aber die komplette Infrastruktur mit Umkleiden und Sanitärräumen etc. Und es soll enorme ' Erträge bringen -eine Zeitkarte soll 4,50 Euro kosten, eine Tageskarte 8 Euro. Und etablierten Bädern in der Region Kunden abnehmen. Diese Ideen hält die FDP für len Vergleich hätte das neue Nordbad die mit Abstand schlechteste Preis-Leistungs¬Relation. Die 'direkte Konkurrenz befindet sich vor der Haustür. In Griesheim kostet die Tageskarte 3 Euro, in Pfungstadt 3,50€. Und für diesen günstigen Preis bekommt man in Griesheim heute schon mehr geboten, als im projektierten Nordbad. Und noch viel mehr in Pfungstadt mit seinem großen, Freibecken und dem Wellenbad. Noch krasser ist der Unterschied zur regionalen Konkurrenz. Wie naiv die' Behauptung der Grünen im Parlament, die Besucher würden lieber nach Darmstadt kommen als ins Rebstockbad. In Frankfurt sind die Preise ähnlich wie die geplanten in Darmstadt -aber es wird deutlich mehr geboten. Riesige Wasserflächen, Blackhole-Rutsche und 2 Riesenrutschen, ein . Wellenbad und große Liegebereiche. Und nur wenige Minuten weiter Iockt das Seedammbad in Bad Homburg. Für einen Tagespreis von 6 Euro. finden sich dort Riesenrutsche, Strömungskanal, Whirlpool, Spaßduschen, Wasserfall, Sprungbecken und deutlich mehr Wasser-und Liegeflächen als im Nordbad. Der Vorschlag des Magistrats ist eine praxisferne Provinzlösung. Gerade groß genug, um erhebliche Kosten zu verursachen. Aber angesichts der Konkurrenz viel zu dürftig, um nennenswert Kunden anzulocken. Daher sind die angesetzten 80.000 Gäste pro Jahr völlig überhöht, entsprechend sind auch die Einnahmevorstellungen falsch. Ganz oder gar nicht Eine Stadt wie Darmstadt muß sich angesichts der bestehen¬den Konkurrenz in der Region entscheiden. Ein Spaßbad neben dem Nordbad muß deutlich größer und attraktiver sein, um genügend Publikum anzulocken. Und angesichts der Haushaltslage kann die Stadt so etwas weder finanzieren noch das Risiko tragen -es müßte ein privater Betreiber ins Boot, der die komplette Spaßbad-Komponente auf eigenes Risiko finanziert und betreibt. Oder aber man läßt es lieber bleiben. Und prüft stattdessen, ob nicht mit wenig Geld das bestehende Freibad etwas attraktiver gemacht werden kann. "Im Sommer ist es oft völlig üperfüllt" weiß der Kranichsteiner FDP-Ortsvorsitzende Alexander Thierteld aus eigener Erfahrung, "die Becken sind viel zu klein für den Andrang". Man könnte wenigstens mal prüfen, ob der benachbarte Baggerweiher mit seinem Freigelände nicht genutzt werden kann -in anderen Gemeinden wird das gemacht.

Was zu tun ist Die Hauptforderung der FDP ist deutlich: Schluß mit der Geheimniskrämerei, alle Fakten müssen auf den Tisch. pas Fritz-Gutachten, die vorgeschlagenen Varianten und das Gesamtbäderkonzept müssen der Stadtverordnete,versammlung und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Danach muß das Parlament grundsätzlich entscheiden, wie es weitergehen soll, ein offizieller Beschluß nach Diskussion der Varianten muß die ungültige Abstimmung der Bäderkommission ersetzen. Insbesondere müssen detaillierte Berechnungen vorgelegt werden, was eine Nordbad-Sanierung oder eine Neubau-Variante ohne Spaßbad kosten Einnahmen 879 lament zuständig für wesentli-utopisch. "Offensichtlich hat ' würden. Ausgaben 1925 ehe Aus-und Umgestaltungen. keiner der Verantwortlichen Und dann muß die Stadtver¬(davon Personal) (1007) Der Beschluß eines "Gesamt-. mal irgendein anderes ordnetenversammlung qualifi¬Defizit -1046 bäderkonzepts" ist selbstver-Schwimmbad der Region be-ziert entscheiden, der überhas¬Kostendeckung 45,7% ständlich eine solche "wesent-sucht" , vermutet Stadtverordnetete und undurchdachte Be¬ liehe Ausgestaltung" . Der Vor-• neter Arnemann. Im regiona-schluß vom Juni ist zu ersetzen.