Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Satzungsänderungsantrag - 036

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

S036

Einreichungsdatum

Antragstitel

Schaffung einer satzungsrechtlichen Grundlage für Geschäftsordnungen von Aufstellungsversammlungen

Antragsteller

Antragstyp

Satzungsänderungsantrag


Antragsgruppe

Satzungsabschnitt A - §10

Antragstext

Der Bundesparteitag der Piratenpartei Deutschland möge beschließen:

1. An den § 10 im Abschnitt A der Bundessatzung werden die Absätze 3 bis 7 mit folgendem Wortlaut angefügt:

(3) Sofern die Satzung der jeweils für die Aufstellung zuständigen Gliederung nichts anderes bestimmt, finden die Bestimmungen der folgenden Absätze 4 bis 7 für die Wahl eines Bewerbers in Aufstellungsversammlungen für die Wahlen zu Volksvertretungen Anwendung.

(4) Für die Wahl eines Bewerbers bedarf es bei der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei grundsätzlich die absolute Mehrheit, also mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen, erreicht werden muss. In den in Absatz 5 Satz 1 genannten Fällen kann durch Geschäftsordnung der Aufstellungsversammlung festgelegt werden, dass die relative Mehrheit für die Wahl eines Bewerbers auf einen Listenplatz genügt. Die relative Mehrheit ist errungen, wenn ein Kandidat, ohne die absolute Mehrheit erlangt zu haben, die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Sind sowohl Ja- als auch Nein-Stimmen zugelassen, so muss nach Abzug der Nein-Stimmen gleichwohl der höchste Stimmenanteil erreicht werden. Enthaltungen bleiben in allen Fällen außer Betracht.

(5) Das Genügen der relativen Mehrheit kann für folgende Fälle festgelegt werden:

a) bei wiederholtem Nichterreichen der absoluten Mehrheit - also, wenn der gleiche Listenplatz nach zumindest einer Wiederholung des Wahlganges nicht, aufgrund Erringens der absoluten Mehrheit durch einen Kandidaten, vergeben werden konnte; der Wiederholung steht es gleich, wenn ein anderer Wahlgang durchgeführt wurde, in den die Vergabe des Listenplatzes einbezogen werden sollte;

b) Bei der Vergabe von Listenplätzen, die in der Wahl zur Volksvertretung voraussichtlich nicht zur Wahl des Bewerbers führen (Nachrücker, Reserveliste); die Festlegung dieser Listenplätze erfolgt durch einen Beschluss der aufstellenden Versammlung, der der Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen bedarf.

(6) Im Übrigen sind folgende Wahlverfahren und -Modi zulässig:

a) Einzelwahl - die Vergabe eines Listenplatzes oder Wahl eines Wahlkreiskandidaten in einem Wahlgang;

b) Gesamtwahl - die Vergabe mehrerer aufeinander folgender Listenplätze, wobei die Reihenfolge der Listenplätze, beginnend mit dem aussichtsreichsten, durch die Anzahl der auf den Kandidaten entfallenden Stimmen bestimmt wird, in einem Wahlgang;

c) einfache Stimmabgabe - die Möglichkeit der Abgabe je einer Stimme für jeden in dem jeweiligen Wahlgang zu vergebenden Listenplatz durch ein Mitglied;

d) Approval-Voting (Wahl durch Zustimmung) - die Möglichkeit der Abgabe je einer Stimme für jeden in dem Wahlgang antretenden Kandidaten durch das Mitglied, wobei jedem Kandidaten nur eine Stimme gegeben werden kann;

e) Stichwahl bei Stimmengleichheit;

f) Entscheidung durch Losen bei wiederholter Stimmengleichheit.

Die Festlegung des gemäß Satz 1 litera a) bis d) für einen Wahlgang auszuwählenden Wahlverfahrens erfolgt durch die Geschäftsordnung oder den Wahlleiter, es sei denn, die Versammlung verlangt ein anderes. Grundsätzlich werden bei Wahlen nur Ja-Stimmen und Enthaltungen zugelassen. Durch die Geschäftsordnung kann jedoch festgelegt werden, dass sowohl Ja- als auch Nein-Stimmen abgegeben werden können; dies gilt insbesondere für den Fall, dass nur ein Kandidat antritt. Die Mitglieder können von ihren Stimmen freien Gebrauch machen.

(7) Das Nähere regeln die Geschäftsordnungen der Aufstellungsversammlungen.

Antragsbegründung

Kurzbegründung

I. Allgemeines

1. § 21 Abs 5 BWahlG und § 17 S 2 PartG weisen den Parteien die Aufgabe zu, das Verfahren über die Aufstellung von Bewerbern "durch Satzung" zu regeln. Diese Zuweisung enthält einen Regelungsauftrag,.der sich mit dem zivilrechtlichen Grundsatz deckt, dass alle wesentlichen, das Vereinsleben (die Parteien, auch die Piratenpartei, sind ihrer Rechtsnatur nach eingetragene oder nicht eingetragene Vereine) bestimmenden Grundentscheidungen in der Satzung festzulegen sind; um eine solche handelt es sich bei dem Verfahren über die Aufstellung von Bewerbern zu Volksvertretungen.

Bei reinen 'Wahl- und Geschäftsordnungen', die nicht mit der Satzung verbunden wurden, insbesondere solche, die durch die Aufstellungsversammlung jederzeit geändert werden können, handelt es sich regelmäßig um keinen Bestandteil der Satzung.


II. Inhalt

1. Bei diesem Vorschlag wurde sich für einen fakultativen Aufbau entschieden. Gemäß Abs 3 Satz 1 des Antrages können die Landesverbände eigene Regelungen für ihre Aufstellungsversammlungen schaffen. Insbesondere können Landesverbände weiterhin auf alternative Aufstellungsmethoden, wie die Schulze-Methode, zurückgreifen - sofern sie dies über ihre Satzung festlegen.

Für andere Gliederungen soll mit diesem Vorschlag eine satzungsrechtliche Grundlage für ihre Aufstellungsversammlungen geschaffen werden, die gegebenenfalls mit einer Mustergeschäftsordnung für Aufstellungsversammlungen ergänzt werden soll.


Exkurs: Satzungsbestimmungen der Piratenpartei

Hinsichtlich der drei in § 21 Abs 1 aufgeführten drei Arten von Aufstellungsversammlungen kommt für die Piratenpartei (im Grunde) nur die Mitgliederversammlung iSd § 27 Abs 5 iVm § 21 Abs S 2 BWahlG in Betracht. Die Bundessatzung weist die Aufgabe der Bewerberaufstellung in § 10 Abs 1 den Gebietsverbänden zu. Dies wurde von den Landesverbänden unterschiedlich umgesetzt. Einige Landesverbände weisen diese einer Mitgliederversammlung zu; andere Landessatzungen weisen diesbezüglich keine explizite Bestimmung auf.

Enthalten die Satzungen einer Partei keine Regelung ist für Aufstellung gemäß § 32 Abs 1 S 1 BGB iVm. § 9 PartG der (jeweilige) Parteitag zuständig; dieser muss sich aber als Aufstellungsversammlung konstituieren und alle diesbezüglichen gesetzlichen Anforderungen erfüllen[1]. Das heißt, dass anstelle von Satzungsbestimmungen gegebenfalls gesetzliche Regelungen ( Art 21 Abs 1 GG) treten. Dies betrifft beispielsweise das Stimmrecht. Auch nichtzahlende Parteimitglieder sind in Aufstellungsversammlungen stimmberechtigt[2]. Anders lautende Satzungsbestimmungen sind insoweit unwirksam.


2. Die beantragte Satzungsänderung erscheint zudem geboten, um für Aufstellungsversammlungen gemäß § 40 BGB abweichend von § 32 Abs 1 Satz 3 den Rückgriff auf die relative Mehrheit für das "Auffüllen" von Listen zu ermöglichen. Diesem Bedürfnis sollen die Absätze 4 bis 5 gerecht werden. Die Anwendung der relativen Mehrheit bei einem demokratischen Auswahlprozess erscheint nur gerechtfertigt, wenn sich trotz Wiederholung keine absoluten Mehrheiten herausbilden ( a) ) oder wenn die Liste "nur" aufgefüllt werden soll, um genügend Nachrücker zur Verfügung zu haben ( b) ).

Durch Geschäftsordnung kann die Versammlung gleichwohl festlegen, dass weitere Wahlgänge mit absoluter Mehrheit erforderlich sind oder die Nachrücker ebenfalls mittels absoluter Mehrheit bestimmt werden sollen.


Exkurs: Arten von Mehrheiten

a) Gemäß § 32 Abs 1 S 3 BGB entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Hiernach ist ein Antrag oder Wahlvorschlag angenommen, wenn die Zahl der gültigen Ja-Stimmen die der Nein-Stimmen um wenigstens eine übertrifft[3]. Dies schließt mit ein, dass mehr als die Hälfte der Abstimmenden für den Antrag oder Wahlvorschlag gestimmt haben. Entsprechungen finden sich in § 133 Abs 1 AktG, § 47 Abs 1 GmbHG, § 43 Abs 2 GenG.

Diese Mehrheit wird als einfache bzw. absolute Mehrheit bezeichnet[4].

b) Gibt es mehr als zwei Abstimmungsalternativen ( zB. Kandidaten), kann der Fall eintreten, dass die einfache bzw. absolute Mehrheit nicht erreicht wird. Entfallen dabei - trotz Nichterreichen der absoluten Mehrheit - auf eine Entscheidungsalternative die meisten Stimmen, so wird dies als relative Mehrheit bezeichnet[5]. Eine solche relative Mehrheit ist im BGB nicht vorgesehen; soll sie - zB. für eine Wahl - genügen, so bedarf es einer ausdrücklichen Satzungsbestimmung[6].


3. In Absatz 6 wird den in Piratenpartei üblichen Wahlverfahren die erforderliche Grundlage in der Satzung gegeben.




  1. Schreiber in BWahlG § 21 Rn 9, S.466
  2. BVerfG E 98, 257; Frommer / Engelbrecht Kennzahl 11.27 Rn 4.4; Schreiber in BWahlG § 21 Rn 12
  3. BGH NJW 1989, 1090
  4. Reichert in Hdb des Vereins- und Verbandsrechts Rn 1798; Sauter/Schweyer/ Waldner Rn 208; Schöpflin in Bamberger/Roth § 32 Rn 26
  5. Reichert in Hdb des Vereins- und Verbandsrechts Rn 1807; OLG München NZG 2008, 351, 352
  6. OLG München NZG 2008, 351, 352; Sauter/Schweyer/ Waldner Rn 208; Schöpflin in Bamberger/Roth § 32 Rn 26

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Datum der letzten Änderung

30.03.2012

Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft