Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 055

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P055

Einreichungsdatum

Antragstitel

Für eine zukunftssichere Energiewirtschaft

Antragsteller

AG Energiepolitik, vertreten durch Hartmut Ernst und AG Umwelt, vertreten durch Bernd Schreiner

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Wahlprogramm

Antragsgruppe

Umwelt und Energie„Umwelt und Energie“ befindet sich nicht in der Liste (Arbeit und Soziales, Außenpolitik, Bildung und Forschung, Demokratie, Europa, Familie und Gesellschaft, Freiheit und Grundrechte, Internet und Netzpolitik, Gesundheit, Innen- und Rechtspolitik, ...) zulässiger Werte für das Attribut „AntragsgruppePÄA“.

Antragstext

1 Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit

Die aktuelle energiepolitische Ausrichtung ist geprägt von Erzeugungs- und Verteilungsstrukturen, die zu einseitig Gewinnorientierung in den Vordergrund stellen. Die verfügbaren Ressourcen sind jedoch endlich und deren Verbrauch ist terminiert. Dies erfordert eine kurzfristige und vollständige Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energiequellen unter folgenden Prämissen:

- nachhaltig,
- umweltschonend,
- dezentral,
- transparent,
- volkswirtschaftlich sinnvoll,
- sozial und gesellschaftlich verträglich

Wesentlich sind dabei auch Energieeinsparung und Effizienzgewinne bei Erzeugung, Verteilung und Verbrauch.

Ein wichtiger Aspekt der Versorgungssicherheit ist die Dezentralisierung der Energiegewinnung und -verteilung. Wir setzen dabei auf kleinteilige Strukturen, da diese mehr Sicherheit schaffen, als große, zentralisierte Einheiten. Zugleich sind die Betriebs- und Ausfallrisiken geringer. Die Energiewirtschaft wollen wir zudem so organisieren, dass Beschaffung, Erzeugung und Verteilung möglichst diversifiziert und transparent erfolgen. Auch die Preisgestaltung wird öffentlich nachvollziehbar vorgenommen. Heterogene Strukturen und fairer Wettbewerb nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft unter staatlicher Aufsicht werden dieses Ziel gewährleisten. Unabdingbar ist dabei eine stärkere Bürgerbeteiligung bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Der Schwerpunkt auf Dezentralisierung schließt volkswirtschaftlich sinnvolle Großprojekte – beispielsweise grenzüberschreitende Verbünde von Windkraftanlagen und Verteilungsnetzen sowie internationale Forschungs- und Entwicklungsprojekte – grundsätzlich mit ein, sofern diese vor allem auf Kooperation und Nachhaltigkeit ausgerichtet sind und an realen Bedarfszahlen ermittelt werden. Infrastruktur, Kraftwerke und Netzausbauten zum reinen Zweck der Gewinnmaximierung und Bildung von Infrastrukturmonopolen lehnen wir ab.

Von der dauerhaften Verfügbarkeit einer bezahlbaren Energieversorgung hängt unser aller Zukunft wesentlich ab. Die Piratenpartei Deutschland setzt sich daher für einen mit allen Beteiligten abzustimmenden nationalen Energieplan zur Erreichung der oben genannten Ziele ein.


2 Energiegewinnung aus generativen und regenerativen Ressourcen

Die Piratenpartei Deutschland steht für eine langfristig gesicherte Energieversorgung. Daher werden wir die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und Atomkraft so schnell wie möglich durch nachhaltig verfügbare und umweltschonende Ressourcen ersetzen. Dazu gehört auch der adäquate Ausbau von Verteilungsnetzen und Energiespeichern. Dies wird ökologisch und ökonomisch durch wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse und wahrscheinliche Szenarios begründet, wobei sich die Planung an der messtechnischen Erfassung des Verbrauchs orientieren wird. In Frage kommen generative, also praktisch unbegrenzt verfügbare Ressourcen wie Wind, Sonne und Wasser, aber auch Gezeiten und Geothermie sowie in begrenztem Umfang Biomasse als regenerative Energiequelle. Wir wollen erreichen, dass innerhalb einer Generation durch (re-)generative Ressourcen der gesamte Energiebedarf in Deutschland gedeckt werden kann.

Wir wissen, dass auch die Umstellung auf erneuerbare Energien Risiken birgt. Dies gilt unter anderem für die exzessive Nutzung von Wasserkraft und Geothermie sowie für die Gewinnung von Biomasse aus Energiepflanzen in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Deswegen setzen wir auf umweltverträgliche Verfahren, welche die Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Naturgebieten minimieren. Beispiele dafür sind die integrierte Methanisierung und Kompostierung sowie die Gasgewinnung aus Biomüll und Grünschnitt.

Bis der Bedarf durch erneuerbare Energien voll gedeckt werden kann, werden für eine begrenzte Zeit auch Kernenergie und fossile Energieträger genutzt werden. Um auch dabei die Risiken für die Umwelt gering zu halten, lehnen wir Fracking-Verfahren zur Erdgasförderung sowie die CCS-Methode zur Kohlendioxid-Verpressung ab. Nicht zuletzt, da solche Technologien den Energiebedarf weiter erhöhen, die Macht der Oligopole festigen und die Energiewende verzögern.


3 Energiespeicherung, Netzausbau und Netzneutralität

Im Sinne der nachhaltigen Versorgungssicherheit und zur Vermeidung einer Konzentration auf wenige Anbieter wollen wir die Hoheit über Strom-, Gas- und Wärmenetze sowie deren Regulierung wieder in die öffentliche Hand übertragen. Unsere Politik wird gewährleisten, dass die Netzinfrastruktur den Systemwandel in der Energiewirtschaft unterstützt.

Der Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen bedingt eine Anpassung der Netztopologie und zugleich eine ökonomisch und energetisch effiziente Speicherung von Energie. Der gleichberechtigte Netzzugang einer Vielzahl von Erzeugern mit großen regionalen Unterschieden in Erzeugungskapazität und zeitlicher Verteilung erfordert den verstärkten Einsatz intelligenter Managementsysteme. Angebotene und abgenommene Energiemengen werden unter Wahrung des Datenschutzes auf kommunaler Ebene messtechnisch erfasst und optimal aufeinander abgestimmt. Generell soll stärker als bisher der Verbrauch der Energieerzeugung folgen und weniger die Energieerzeugung dem Verbrauch. Zusätzlich werden wir Maßnahmen zur Energieeinsparung fördern sowie eine effiziente Kraft-Wärme-Kopplung aktiv voran treiben.

Vor diesem Hintergrund treten wir für eine unter Partizipation der betroffenen Bürger genossenschaftlich organisierte, dezentrale und diversifizierte Energieerzeugung in kleinteiligen Kraftwerksverbünden und dementsprechend für kurze Netzwege ein. Dieses Ziel wird durch kommunale Energiekonzepte erreicht, die auf einheitlichen Standards basieren.

Zur Sicherstellung des gerechten Netzzugangs aller Marktteilnehmer ist außerdem eine neutrale, rekommunalisierte Netzinfrastukur erforderlich. So lassen sich für regionale Netze auf Stadt- und Landkreisebene im Jahresmittel ausgeglichene Energiebilanzen erzielen. Dazu kommt, dass kleinere, autarke Netze und dezentrale Anbieter die Versorgungssicherheit deutlich erhöhen und die Gefahr von Blackouts verringern. Außerdem wird so der Aufbau einer dezentralen Energiespeicherinfrastruktur neben großen, zentralen Lösungen gefördert. Dadurch werden Monopolstrukturen eingeschränkt und die Investitionen für den Ausbau von Fernleitungsnetzen reduziert. Dies bietet auch insofern ökologische Vorteile, als Seekabel und Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsstrecken (HGÜ) erhebliche Auswirkungen auf Ökosysteme und Landschaft haben können. Die bundesweite Koordination dieser Maßnahmen soll Aufgabe einer in ihren Kompetenzen gestärkten Bundesnetzagentur sein.

Die Konzentration auf rein dezentrale Strukturen erfordert den Ausgleich typischer Fluktuationen in Wind- und Solarenergie sowie das Abfangen von Bedarfs- bzw. Angebotsspitzen. Wir werden daher die lokalen Netze mit Nachbarnetzen und diese wiederum mit größeren regionalen und internationalen Einheiten koppeln und durch jeweils in die Region passende Energiespeicher puffern. Durch diesen Regionenverbund kann der aufwändige und Großanlagen bevorzugende Energietransport über große Entfernungen, etwa von Offshore-Windparks mit HGÜ-Trassen, auf wenige Punkt-zu-Punkt-Verbindungen reduziert werden.

Neben gängigen Speichermethoden sollen auch neue Möglichkeiten genutzt werden. Dazu gehört insbesondere die Erzeugung von Methangas durch Windenergie. Überschüssiger Strom kann so in reines Methan umgewandelt und in die bereits bestehende Speicher- und Verteilungsinfrastruktur für Gas umgeleitet werden.

In diesem Szenario nutzen alle Regionen Deutschlands ihre Potenziale für erneuerbare Energien weitgehend aus. Es findet bei Bedarf ein deutschlandweiter Stromaustausch statt, so dass nur zu einem geringen Anteil Strom aus Nachbarstaaten importiert oder in diese exportiert werden muss.

Insgesamt ist dieses Konzept kurzfristig umsetzbar. Es bringt zudem sowohl ökologische als auch regional- und volkswirtschaftliche Vorteile. Die Piratenpartei tritt daher für eine entsprechende Anpassung des Energieleitungsausbaugesetzes im Rahmen des nationalen Energieplans ein. Wir unterstützen auch die Beibehaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), allerdings mit einer stärkeren Fokussierung auf die Förderung kommunaler Vorhaben.


4 Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Atomkraftwerke

Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dafür ein, die Stromerzeugung durch Kernspaltung in Atomkraftwerken schnellstmöglich zu beenden. Ausgehend vom Status quo 2012 ist dies innerhalb von acht Jahren möglich. Anlagen für medizinische und wissenschaftliche Anwendungen sind davon ausgenommen. Wir begründen dies mit den Risiken bei Uranbergbau, Transport, Anreicherung, Betrieb, Wiederaufbereitung und insbesondere Endlagerung. Dazu kommt die Gefährdung durch potenzielle Katastrophen und Anschläge. Zu nennen ist ferner die überaus schlechte Gesamtenergiebilanz im Vergleich von erzeugtem Strom zu freigesetzer Wärme. Wir wollen daher die bestehenden Kernkraftwerke Hand in Hand mit dem Ausbau generativer Energiequellen abschalten. Laufzeitverlängerungen und Neubauten werden ausgeschlossen. Unabhängig davon ist die offene Frage der Endlagerung zu lösen, wobei die Betreiber von Atomkraftwerken von uns stärker als bisher eingebunden werden. Für einen begrenzten Übergangszeitraum können durch hocheffiziente GuD-Kraftwerke unter Einbeziehung von Kraft-Wärme-Kopplung Engpässe vermieden werden.


5 Förderprogramme

Den Umstieg auf generative Energien wollen wir weiterhin durch Förderprogramme unterstützen. Damit verbundene Zuschüsse, Einspeisevergütungen, Prämien und Steuervorteile werden in jedem Fall auf ökologisch und volkswirtschaftlich sinnvollen Einsatz hin überprüft. Soziale Ausgewogenheit sowie Wirksamkeit unmittelbar für den vorgesehenen Zweck und die Schonung von Ressourcen sind weitere Bedingungen. Wichtige Förderschwerpunkte sind dabei dezentrale Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung und der Fernwärme, Wärmedämmungsmaßnahmen, Verbesserung der Energieeffizienz sowie Verbrauchsvermeidung. Als flankierende Maßnahme werden kostenlose Angebote zur Energieberatung geschaffen.

Wir halten es für sinnvoll, Förderprogramme langfristig anzulegen und Planungssicherheit zu bieten. Andererseits sehen wir die Notwendigkeit, diese Programme nach Erreichung des Förderzwecks auch konsequent zurückzufahren. Speziell für die Photovoltaik ist eine angemessene Reduzierung der umlagefinanzierten Einspeisevergütung für Solarparks mit hohem Landschaftsverbrauch angebracht.

Grundsätzlich hat die steuerfinanzierte Förderung von Grundlagenforschung und Entwicklungsprojekten gegenüber der reinen Bezuschussung von Investitionsausgaben Vorrang.

Ergebnisse aus staatlich finanzierten Programmen sind der Öffentlichkeit verpflichtend allgemein zugänglich zu machen.

An der Umstellung unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsform auf erneuerbare Energien führt kein Weg vorbei. Mit den hier genannten Maßnahmen wird es gelingen, diese Herausforderung zu meistern.

Antragsbegründung

Die AG Energiepolitik hat seit 2009 ein Positionspapier zur Energiepolitik entwickelt und immer weiter optimiert, wobei viele Beiträge aus der Parteibasis berücksichtigt worden sind. Mittlerweile sind die darin formulierten Grundsätze in der Piratenpartei konsensfähig, so dass die Aufnahme sowohl ins Grundsatzprogramm als auch ins Wahlprogramm der logische nächste Schritt ist. Dies zeigt sich auch darin, dass in etlichen Landesprogrammen bereits Positionspapiere und Programmanträge verabschiedet worden sind, die in länderspezifisch abgewandelter Form inhaltlich dem hier vorgestellten Programm folgen. In unserem Antrag werden wichtige Grundsätze der Piratenpartei wie Nachhaltigkeit, Transparenz, Bürgerbeteiligung und soziale Ausgewogenheit sehr deutlich, so dass unser Profil dadurch gestärkt wird. Es ist dringend erforderlich, dass die Piratenpartei zu einem so wichtigen politischen Thema mit einen hohen Stellenwert in der Öffentlichkeit eindeutig Stellung bezieht.

Liquid Feedback

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Piratenpad

Antragsfabrik

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Datum der letzten Änderung

30.03.2012

Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft