Benutzer:Karlsruher
Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber soviel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg
Wir sollten uns nicht so gebärden, als ob das Erkennen volkswirtschaftlicher Zusammenhänge nur den Gralshütern vorbehalten bliebe, die auf der einen Seite wissenschaftlich, auf der anderen Seite demagogisch ihre verhärteten Standpunkte vortragen. Nein, jeder Bürger unseres Staates muss um die wirtschaftlichen Zusammenhänge wissen und zu einem Urteil befähigt sein, denn es handelt sich hier um Fragen unserer politischen Ordnung, deren Stabilität zu sichern uns aufgegeben ist.
Ludwig Erhard
Kurzprofil | |
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Persönlich | |
Name: | Karlsruher |
Nick: | Karlsruher |
Wohnort: | Karlsruhe |
Berufl. Qual.: | Ingenieur Elektrotechnik / Nachrichtentechnik |
Familienstand: | verheiratet |
Politisch | |
Partei: | Piratenpartei Deutschland |
Eintrittsdatum: | März 2012 |
Landesverband: | Baden-Württemberg |
Bezirksverband: | Karlsruhe |
AG: | Geldordnung und Finanzpolitik |
politischer Kompass: | |
Kontakt | |
Webmail: | Form-Mailer |
Inhaltsverzeichnis
- 1 AG Geldordnung und Finanzpolitik
- 1.1 Persönliche Positionen und Gedanken
- 1.1.1 Einleitung
- 1.1.2 Grundüberzeugungen
- 1.1.3 Symptome und Ursachen
- 1.1.3.1 Ständig steigende Staatsverschuldung
- 1.1.3.2 Ständige Inflation und Geldmengenausweitung
- 1.1.3.3 Geldschöpfung durch Privatbanken, Risikoabsicherung durch Zentralbank
- 1.1.3.4 Vermögenskonzentration
- 1.1.3.5 Zunehmende Spekulation
- 1.1.3.6 Langfristige, ökologische Investitionen rentieren sich nicht
- 1.1.4 Lösungsansätze
- 1.1.5 Politische Umsetzung
- 1.1.6 Referenzen
- 1.1 Persönliche Positionen und Gedanken
AG Geldordnung und Finanzpolitik
Persönliche Positionen und Gedanken
Einleitung
Aus der Anregung einer Forums-Diskussion der AG Geldordnung- und Finanzpolitik (https://news.piratenpartei.de/showthread.php?tid=136458&pid=654961&mode=threaded), die jeweils persönliche Position als AG Mitglied für die anderen AG Mitglieder zur Diskussion zu stellen, habe ich hier meine Positionen und Gedanken bezüglich der aktuellen Geldordnung und möglichen Verbesserungen zusammengefaßt. Ziel ist es einerseits die eigene Position in geschlossenener, umfänglicher Form als Referenz für Forumsdiskussionen zusammenzufassen und andererseits hier die Kritik der anderen AG-Mitglieder in Form von Kommentaren einzuholen. Bei neuen Erkenntnissen (soll ja vorkommen) werde ich diesen Text aktualisieren.
Die hier dargestellten Positionen und Meinungen sind meine eigenen und decken sich hoffentlich aber im Zweifelsfall nicht oder höchstens zufälligerweise mit den Positionen der AG Geldordnung- und Finanzpolitik.
Hinweis an Besucher: Bitte Kommentare am Ende unter FAQ als Frage oder Kommentar einfügen, nicht hier im Text, damit dieser lesbar bleibt. Ich werde im FAQ zu Kommentaren Stellung nehmen, falls sich meine Position dadurch ändert, dann werde ich meinen Text entsprechend anpassen und die Änderung im FAQ vermerken. Änderungen am Haupttext kann man ja durch die Historie des Wiki nachverfolgen.
Grundüberzeugungen
Vorab einige Grundüberzeugungen, die ich für relevant halte, die ich jedoch im Rahmen dieses Textes nicht weiter erläutern oder begründen werde, um den Umfang nicht zu sprengen.
Arbeitsteilung, Markt und Wettbewerb
Das Konzept des freien Wettbwerbs von Ideen und Produkten auf einem freien Markt hat sich über die Geschichte als bisher bestes System herausgestellt, um allgemeinen Wohlstand und kulturellen und technologischen Fortschritt zu erzeugen. Markt und Wettbwerb stehen als dezentrales Entscheidungskonzept im wesentlichen einer zentralistischen Planwirtschaft gegenüber.
Weiterhin hat sich durch die Spezialisierung der Arbeitsplätze eine detaillierte, differenzierte Arbeitsteilung herausgebildet. Wettbewerb findet auf mehreren Wertschöpfungsstufen statt. Die Kombination aus Arbeitsteilung, Wettbewerb und Markt erlaubte über Jahrzehnte eine ständige Steigerung der Produktivität die historische nie gekannte Werte erreicht hat.
Privateigentum
Um freien Wettbwerb von Ideen und Produkten zu ermöglichen, ist es notwendig, daß einerseits dezentral Entscheidungen getroffen werden können und andererseits die negativen und positiven Konsequenzen dieser Entscheidungen vor allem Auswirkungen auf den Entscheider haben. Durch Privateigentum ist dieser Mechanismus historisch entstanden, hat sich bewährt und sollte erhalten bleiben.
Ein kritisch zu betrachtender Punkt im Zusammenhang mit Privateigentum ist das Erben von Privateigentum bei nur geringer Teilhabe der Gesellschaft. Dies führt nachgewiesener Maßen zu einer Konzentration von Vermögen (s. [MPIfGF]), ohne daß dies eine spezifische Leistung der nachfolgenden Generationen voraussetzt (leistungsloses Einkommen). Die Gesellschaft ist jedoch die eigentliche Randbedingung, die eine Vererbung von großen Vermögen über Generationen hinweg sicherstellt (Recht, Innere und Äußere Sicherheit).
Geld
Geld ist eine gesellschaftliche Funktion als universelles Tauschmittel von unterschiedlichen Gütern, Dienstleistungen und Steuern. Weiterhin erlaubt Geld den Tauschzeitpunkt durch Kredit und Geldanlage zeitlich zu verschieben. Der Wert des Geldes entsteht nur in Form seiner gesellschaftliche Funktion als Tauschmittel. Die Sicherstellung des Wertes und die Kontrolle der Geldmenge ist durch eine Zentralbank sicherzustellen. Um die Funktion als Tauschmittel zu erfüllen muß die Geldmenge sich an die Größe des Wirtschaftssystems anpassen. Das Ziel eines Geldsystems sollte höchstmögliche Neutralität sein, das Zentrum der Wirtschaft sollte die Warenwirtschaft sein, nicht die Finanzwirtschaft.
Kapitalismus
Mit Kapitalismus verstehe ich im wesentlichen die Kombination der gesellschaftlichen und rechtlichen Elemente von Privateigentum, Wettbwerb, freiem Markt und Geld. Diese Kombination ist die Basis der bisher größten kulturellen und technologischen Entwicklung in der Menschheitsgeschichte.
Gleichzeitig ist mit dem Begriff Kapitalismus jedoch auch Ausbeutung, soziale Verwerfung und Zerstörung der Umwelt verbunden. Meiner Ansicht nach ist dies nicht im Grundkonzept des Kapitalismus angelegt, sondern in einigen strukturellen Defiziten der Elemente des heutigen Kapitalismus. Da der Begriff dadurch jedoch negativ belegt ist es wahrscheinlich empfehlenswert einen neuen Begriff zu schaffen, wenn man strukturelle Dinge ändern will, um eine breite politische Unterstützung zu erhalten.
Soziale Grundsicherung
Obwohl der freie Markt sich bisher im Mittel als bestes System bewiesen hat, um allgemeinen Wohlstand technischen Fortschritt zu schaffen, kann dieser im Einzelfall nicht eine menschenwürdige Existenz garantieren. Um dies sicherzustellen ist ein soziales Sicherungssystem auch in einem gut funktionierenden Markt notwendig.
Symptome und Ursachen
Ständig steigende Staatsverschuldung
In der EU sitzen ausnahmslos alle Staaten auf Bergen von Staatschulden. Dies obwohl die EU zu den reichsten, modernsten und leistungsfähigsten Regionen der Welt zählt. Weiterhin ist die Staatsverschuldung in den meisten Staaten im mittel ständig angestiegen (s. [BZ1]). In Deutschland ist die Staatsverschuldung von 2000 bis 2011 um ca. 75% angestiegen, die Wirtschaftsleistung jedoch nur um ca. 13%.
Ständige Inflation und Geldmengenausweitung
Eine Zielgröße für die Europäische Zentralbank (EZB) ist bereits heute die Geldwertstabilität gemessen an den Einzelpreisentwicklungen eines Warenkorbes (s. [EZB1]). Ziel der EZB ist es die jährliche Veränderung der gewichteten Summe der Warenkorbpreise (Inflation) unterhalb, aber nahe bei 2% zu halten. Das Inflationsziel von 2% wurde der EZB von der Politik nicht vorgegeben, sondern von dieser selbst gewählt (s. [EZB2]: "While the Treaty clearly establishes the primary objective of the ECB, it does not give a precise definition of what is meant by price stability. ").
Folgende Fragen stellen sich:
Wie kann es sein, daß eine zentrale ökonomische Zielgröße (Geldwertstabilität) auch heute noch so undefiniert ist und ohne Begründung bleibt?
Warum ist das Ziel der Geldwertstabilität nicht +/-0% Preisveränderung im Mittel, bedingt bereits das Stabilitätsziel mit einem ständig positiven Wert das Versagen des Systems?
Geldschöpfung durch Privatbanken, Risikoabsicherung durch Zentralbank
Ein Großteil der Kredite wird bei den Privatbanken durch girale Geldschöpfung geschaffen. Die privaten Banken müssen in Ihrer Bilanz nur genügend Einlagen bei der Zentralbank nachweisen (derzeit 1%, s. [DBB1]). Die Banken können also ein Vielfaches ihrer Einlagen verleihen (bis maximal 100fach, derzeit im Durchschnitt ca. 10 fach) und darauf Zinsen verlangen. Wenn jedoch im Mittel zu viele der Kredite ausfallen (Wirtschaftskrise), dann kann dies die gesamte Bank gefährden und auch die sicheren Kredite gefährden, da die vergebene Kreditsumme die Einlagen um ein Vielfaches übersteigt.
Wie sich in der letzten Wirtschaftskrise gezeigt hat, können Privatbanken Kreditvergabe nicht sicherstellen, wenn Unsicherheiten (s. [HB2], [HB3]) auftreten, in diesem Fall muß dann wieder die Zentralbank eingreifen. Es ist nicht ersichtlich, warum in Wachstumsphasen die Vorteile der privaten Geldschöpfung (Kreditzinsen) in privater Hand liegen, aber im Falle von Risiken diese zentralisiert und sozialisiert werden. Im Kapitalismus muß ein Eigentümer die Risiken seiner Entscheidungen selbst tragen (hier die Privatbanken), wenn dies nicht geschieht, dann werden falsche Anreize geschaffen, die die falschen Entscheidungsstrukturen am Leben erhalten.
Vermögenskonzentration
Weltweit und auch in Deutschland findet historisch und auch im letzten Jahrzehnt eine ständige Konzentration von Vermögen statt. Diese Vermögenskonzentration ist meiner Ansicht nach nicht nur durch Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Menschen zu Ihren Lebzeiten zu erklären (s. [MPIfG07]). Die Vermögenskonzentration entsteht meiner Ansicht nach im wesentlichen durch folgende, sich selbst verstärkende Faktoren:
- Geringe Erbschaftssteuer die dazu führt, daß Vermögen über Generationen hinweg bestehen, ohne daß die Erbengeneration eine besondere Leistung erbringen muß (leistungsloses Einkommen)
- Große Vermögen erlauben überproportionale Kapitalanlage des Vermögens, da prozentual ein immer geringerer Anteil für den Lebensunterhalt benötigt wird. Große Vermögen erlauben daher auch größeres Einkommen, dieses Einkommen ist jedoch im Falle von ererbtem Vermögen nicht ursächlich für das Vermögen, sondern dessen Folge.
Auf den Punkt gebracht: Frau Merkel kann die Position des Bundeskanzlers nicht vererben (Monarchie), warum garantiert die Gesellschaft den Nachkommen der Familien Quandt, Albrecht, Finck die Übernahme von Vermögen, die größer sind als manche Staaten? Der Milliardär Warren Buffet hat dies in einer Initiative gegen die Abschaffung der Erbschaftssteuer 2007 so tituliert: "Die Abschaffung der Erbschaftssteuer ist wie als würde man für die Olympischen Spiele 2020 die Söhne der Olympiasieger von 2000 antreten lassen" (s. [CNN1]).
Im Gegensatz dazu bin ich gegen eine Vermögenssteuer. Die Besteuerung von zu Lebzeiten erarbeiteten Vermögen stellt eine Doppelbesteuerung dar, da das Einkommen mit dem dieses Vermögen aufgebaut wurde, ja bereits versteuert wurde. Die Besteuerung im Falle einer Erbschaft stellt meiner Ansicht nach dagegen keine Doppelbesteuerung dar, da aus Sicht des Erbenden das Vermögen ja zum ersten mal eingenommen wurde. Da dieses Thema nicht direkt mit Geldordnung zu tun hat, wird dies hier nicht weiter ausgeführt. Weitere Erläuterungen in der LQFB Initiative: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/2804.html
Zunehmende Spekulation
Die zunehmende Spekulation u.a. von Nahrungsmitteln zeigt, daß Geldmengen nach kurzfristigen Investitionen suchen. Die Einschränkung solcher Vorgänge durch gesetzliche Regelungen oder Selbstbeschränkung (Dt. Bank) ist moralisch sicher vorbildlich, aber letztendlich ein Eingeständnis, daß der Markt versagt hat, da die falschen Anreizstrukturen existieren.
Langfristige, ökologische Investitionen rentieren sich nicht
In einem Geschäftsplan müssen Kapitalkosten entweder für Fremdkapital real oder für Eigenkapital kalkulatorisch berücksichtigt werden. Für einen Anleger oder Unternehmer stellt sich ständig die Frage: Mit welcher Investition kann ich die höchsten Renditen bei geringsten Risiken erziehlen? Diese Einstellung darf in einem wettbewerbsorientierten und marktwirtschaftlichen System nicht per se als unmoralisch betrachtet werden, denn diese Einstellung garantiert, daß Unternehmen, die eher bessere Entscheidungen treffen, belohnt werden und damit überleben.
Mit der Barwert-Methode wird üblicherweise bei Geschäftsplänen der Wert zukünftiger Erträge auf das Referenzjahr zurückgerechnet. In der folgenden Tabelle ist mit der Barwert-Methode die Dauer ermittelt, nachdem 90% des heutigen Barwertes einer Investition erreicht wurde. Aufgrund des Zinseszins Effektes (hier in Form der Abzinsung) wird in den Jahren danach nur noch 10% des Barwertes erwirtschaftet.
Rendite eines Waldes [FAZ2], ca. 1%, 84 Jahre
Rendite einer Solaranlage mit staatl. Förderung [ZEIT2], ca. 5%, 45 Jahre
Durchschnittliche, langjährige DAX Rendite, ca. 10%, 24 Jahre
Eigenkapitalrendite der Dt. Bank [HB1], ca. 25%, 11 Jahre
Daraus folgt, daß hohe Rendite-Forderungen und Rendite-Möglichkeiten leichter mit Projekten erzielbar sind, die kurze Laufzeiten aufweisen, da die Erträge von langfristigen Investitionen durch die Abzinsung in der Bewertung zum Entscheidungszeitraum eine umso geringere Rolle spielt je höher die Rendite-Forderungen sind. Ökologische Projekte erzielen Ihre Wirkung meist durch langfristige Effizienzsteigerungen, ohne staatliche Förderung können sich diese unter den derzeitigen Finanzierungsbedingungen nicht flächendeckend durchsetzen.
Lösungsansätze
Ziel: Geld als neutrales Tauschmittel
Grundsätzliches Ziel der Geldordnung sollte sein, daß Geld ein neutrales Tauschmittel darstellt, daß sich den Entwicklungen einer Wirtschaft anpasst. Geld sollte deshalb in der Gesellschaft folgende Funktionen erfüllen:
- Bezahlung von Steuern, Produkten und Dienstleistungen, kurz Güter
- Tausch von unterschiedlichen Gütern zu einem Zeitpunkt
- Geldanlage, mit dem Ziel den Konsum oder die Investition von Gütern zeitlich zu verzögern
- Kreditaufnahme, mit dem Ziel den Konsum oder die Investition zeitlich vorzuziehen
Geld sollte im Idealfall kein Anlageobjekt per se sein, um Gewinne zu erwirtschaften (auch wenn im Einzelfall durch schwankende Zinsen Gewinne und Verluste nicht auszuschliessen sind).
Mittel
Zentrale Geldschöpfung
Die Neutralität des Geldes sollte durch eine neutrale Institution des jeweiligen Staates oder Staatenbundes garantiert werden, ähnlich der Europäischen Zentralbank (EZB) heute für den Euro. Eine Zentralbank (ZB) sollte folgenden Zielgrößen verpflichtet sein:
- Geld wird von der Zentralbank durch Kredit an Staat(en) oder Privatbanken geschaffen.
- Ziel der Geldwertstabilität ist +/-0% eines Warenkorbes.
- Eventuelle Gewinne der Zentralbank werden an die Staaten oder deren Bürger ausbezahlt.
Umlaufsicherung
Als Steuerungsinstrument zur Erzielung der Geldwertstabilität wird der Zentralbank die Möglichkeit gegeben für das als Kredit ausgegebene Geld positiven Zins zu verlangen oder negativen Zins anzubieten.
Rechenbeispiel 1:
Bei +5% ZB-Zins muß auf 100€ nach 1 Jahr 105€ zurückbezahlt werden
=> Interesse an ZB-Kredit (=Geldschöpfung) wird gedrosselt.
=> Privatbanken verlangen ebenfalls höhere Zinsen für Kredite, ZB-Zins: 5% + Risiko-Aufschlag: 3% = 8%
=> Privatbanken geben Guthabenzinsen für Einlagen, z.B. 5% (vergleichbar ZB-Zins)
=> Barvermögen wird eher angelegt
Rechenbeispiel 2:
Bei -5% ZB-Zins muß auf 100€ nach 1 Jahr nur noch 95€ zurückbezahlt werden,
=> Interesse an ZB-Kredit (=Geldschöpfung) wird gesteigert.
=> Privatbanken senken Zinsen für Kredite, ZB-Zins: -5% + Risiko-Aufschlag: 3% = -2%
=> Privatbanken geben keine Guthabenzinsen auf Einlagen
=> Barvermögen wird eher ausgegeben
Bargeld sollte weiterhin in Form von Münzen, Scheinen und zukünftig auch elektronisch (e-Cash) zur Verfügung gestellt werden. Um eine Hortung von Münzen, Scheinen oder e-Cash zu vermeiden, hat die Bank die Möglichkeit Teilmengen der ausgegebenen Münzen und Scheine anhand einer Identifikation (z.B. Jahreszahl oder Serie) zu widerrufen. Der Umfang der mittleren Entwertung sollte dem Zentralbankzins entsprechen.
Politische Umsetzung
Aufklärung
Das Verständnis in der breiten Öffentlichkeiten für die bestehende Geldordnung ist nur sehr gering ausgeprägt. Man muß daher bei Änderungen auf Widerstand von allen Schichten rechnen, da viele Mißverständnisse verbreitet sind. Aus diesem Grund sollte, bevor überhaupt Änderungen politisch initiiert werden, eine breite Aufklärungskampagne über unser bestehendes Geldsystem und dessen Probleme erfolgen.
„Wir sollten uns nicht so gebärden, als ob das Erkennen volkswirtschaftlicher Zusammenhänge nur den Gralshütern vorbehalten bliebe, die auf der einen Seite wissenschaftlich, auf der anderen Seite demagogisch ihre verhärteten Standpunkte vortragen. Nein, jeder Bürger unseres Staates muss um die wirtschaftlichen Zusammenhänge wissen und zu einem Urteil befähigt sein, denn es handelt sich hier um Fragen unserer politischen Ordnung, deren Stabilität zu sichern uns aufgegeben ist.” Ludwig Erhard, 1962
Girale Geldschöpfung
Die Tatsache, daß 90% unseres Geldes durch private Banken mit Hilfe der giralen Geldschöpfung erzeugt wird ist nur sehr wenigen Menschen bekannt. Die privaten Banken verdienen also Ihr Geld nicht nur durch Dienstleistung, sondern auch durch das Recht mehr Geld in Form von Krediten zu vergeben und darauf Zinsen zu verlangen. Erst wenn in "Wer wird Millionär?" als 500 Euro-Frage nach den Mindesteinlagen einer Privatrivatbank für die girale Geldschöpfung gestellt wird, ist das Thema in der Öffentlichkeit angekommen (A: 0.1%, B: 1%, C: 10%, D: 100% ;-).
Kapitalkosten in den heutigen Produkten
Die Meinungen gehen weit auseinander welcher Prozentanteil in den Produktpreisen durch Kapitalkosten (Zins) bedingt sind (s. [Creutz97]). Jeder der einmal ein Haus oder eine Wohnung finanziert hat, kann leicht nachvollziehen, dass hier die Kapitalkosten leicht mehr als 50% der Miete ausmachen können. Selbst wenn keine Kapitalkosten vorliegen, wird die Untergrenze des Ertrages am Kapitalmarktzins festgemacht.
Durch die versteckten Zinskosten in den Produkten zahlen effektiv weit über 90% der Menschen Zinsen, auch ohne, daß eigene Kredite aufgenommen worden sind. Die Zinsen der eigenen Kapitalanlagen decken für über 90% der Menschen die Zinskosten in den konsumierten Produkten nicht ab. Reduzierung von Guthabenzinsen auf Giro-Konten werden daher oft fälschlicherweise als Verlust gesehen, da der Wegfall von verzsteckten Zins-Zahlungen, die in den Produkten enthalten sind, nicht bewußt wahrgenommen werden.
Umlaufsicherung durch Inflation
Wenn man negativen Zins und Umlaufgebühr mit bisher unbedarften Mitmenschen bespricht, dann kommt oft das Argument, daß ja bereits durch die Inflation eine Geldentwertung stattfindet. Dies ist richtig. Es wäre meiner Ansicht nach prinzipiell auch möglich die Umlaufsicherung vollständig durch Inflation sicherzustellen, jedoch müßte man sich an folgende Phänomene gewöhnen:
- Die Geldmenge wird weiter mindestens mit dem Inflationsziel (derzeit 2%) wachsen müssen
- Aufgrund der Geldschöpfung der Privatbanken und der darauf erwarteten Rendite muß bei Wirtschaftskrisen regelmäßig der Staat durch Ausgabenprogramme der Wirtschaft unter die Arme greifen. Dadurch müßten wir uns ebenfalls an ein exponentiell steigendes Wachstum der Staatsschulden gewöhnen. Diese Schulden sind nicht rückzahlbar. Weiterhin müßten auch die Zinsen durch Schulden abgedeckt werden, um die Einschränkung des Haushaltes aufzuheben.
- Verträge und Löhne müssen ständig und immer öfter neu verhandelt werden, da durch die Geldmengenausweitung die nominellen Verträge und Löhne nicht mehr den aktuellen Bedingungen gerecht werden.
- Bargeld-Sortierung (10.000 Euro Schein, 50 Euro Münze) müßte alle paar Jahrzehnte erweitert werden.
Wie gesagt: Rein mathematisch halte ich eine Geldordnung, die per Inflation den Geldumlauf sicherstellt für möglich, praktisch denke ich jedoch, daß Menschen die o.g. Randbedingungen nicht akzeptieren werden, da die Konsequenzen nicht vermittelbar sind (z.B. Staatsschulden können nie zurückbezahlt werden, trotzdem darf ein Staat nicht unbegrenzt Schulden machen, die Formel dazu wird ziemlich kompliziert und intransparent).
Begriff Kapitalismus
Der Begriff Kapitalismus ist verbrannt. Wie oben erläutert, ist dies meiner Ansicht nach zu Unrecht, jedoch wird es wohl leichter sein einen neuen Begriff zu schaffen, um sich gegen die aktuelle Form des Kapitals abzugrenzen.
Vorwurf: Struktureller Antisemitismus
Aufgrund des Zinsverbotes der Katholischen Kirche für Katholiken haben sich bekanntermaßen Juden historisch überproportional mit dem Geldverleih beschäftigt, bzw. wurden und werden damit in Verbindung gebracht. Durch diesen Zusammenhang geschieht es leider schnell, daß eine Zins-Kritik als Antisemitismus ausgelegt wird (s. [Dittfurth98], Gegendarstellung [Schmitt98]). Weiterhin haben in der Vergangenheit verschiedene Zins-Kritiker diesen Zusammenhang bewußt in Kauf genommen oder sogar genutzt, u.a. die Nazis mit der sog. "Brechung der Zinsknechtschaft". Letztendlich ist heute klar, daß die Nazis die Juden nur als Sündenböcke mißbraucht haben und aus einfachen Gründen an ihr Eigentum wollten (Krieg finanzieren), aus ideologischen Gründen ihre Vernichtung betrieben haben (Sündenböcke für innerpolitische Probleme).
Für ernsthafte Kritiker der aktuellen Geldordnung ist es deshalb meiner Ansicht nach wichtig, sich eindeutig gegen Antisemitismus zu positionieren und sich zu Art 1 und 4 des Grundgesetzes eindeutig zu bekennen. Es gibt leider aktuell immer wieder Systemkritiker die sich hier nicht eindeutig äußern und z.B. den Holocaust leugnen. Darüber hinaus hört man gelegentlich auch von nicht antisemitisch eingestellten Menschen relativierende Äußerungen, wie z.B. "... ja ich weiß dieser Autor hat komische Ansichten zum Holocaust, aber was er zum Zins sagt ist doch richtig". Dieser Denkweise scheint der Gedanke zugrunde zu liegen: Der Zweck heiligt die Mittel, wer für etwas Gutes eintritt (Zinsverbot) der darf auch mal schlechte oder zweifelhafte Dinge sagen. Wenn das die schöne neue Welt sein sollte die durch eine neue Geldordnung erreicht werden soll, dann verzichte ich freiwillig darauf.
Einführung neuer Steuerinstrumente
Grundsätzlich ist eine stufenweise Umsetzung von Maßnahmen (evolutionär) einer schlagartigen, radikalen Änderung (revolutionär) vorzuziehen. Eine evolutionäre Umsetzung läßt einerseits auf eine breitere Unterstützung hoffen und andererseits ist bei Risiken, die jeder Änderung innewohnen, ein Gegensteuern leichter.
Schrittweise Einführung von Vollgeld
Die Einführung von Vollgeld kann schrittweise erfolgen, es wird z.B. einfach die Quote der Eigenkapitaleinlagen stufenweise erhöht. Auswirkungen auf die Ökonomie können laufend beobachtet werden. Am Ende eines solchen Prozesses kann nur noch Geld verliehen werden, daß bei der Bank als Einlage vorliegt. Die Einlagen bei einer Privatbank sind dann entweder Eigenkapital, Zentralbankkredit oder Kundeneinlagen.
Durch eine stufenweise Erhöhung kann einerseits der Widerstand der Privatbanken reduziert werden, da jeder einzelne Schritt das Geschäftsmodell der privaten Banken nicht schlagartig in Frage stellt und andererseits können prinzipielle Kritiker minimale Änderungen eines Parameters leichter akzeptieren.
Geldschöpfung durch private Geschäftsbanken findet anfangs weniger und am Ende dieses Prozesses nicht mehr statt. Kreditvergabe durch Privatbanken findet weiterhin unverändert statt, Gewinn müssen dann jedoch aus dem Zins und anderen Gebühren erwirtschaftet werden, ein Gewinn aus der Geldschöpfung (direkt) oder daraus resultierenden Krediten (indirekt) ist dann nicht mehr möglich. Das Geschäftsmodell der privaten Geschäftsbanken muß sich diesem Prozess schrittweise anpassen (keine Geldschöpfung mehr), das Geschäftsmodell wird jedoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt (Kreditvergabe und Geldanlage).
Schrittweise Einführung von negativem Zins
Negativer Zins wurde durch Zentralbanken in den USA, Schweiz und Japan bereits in der Vergangenheit angewendet (s. [FAZ3]) und wird vereinzelt auch aktuell bereits durch die Bundesbank und die FED wieder angewendet (s. [WSJ1], [ARD1], [TIME1]). Dies bedeutet, die Instrumente sind heute bereits dazu da, es scheint, daß dies im wesentlichen eine Denkblockade der Volkswirtschaftslehre und Zentralbänker darstellt. Aus diesem Grund ist vor der Umsetzung von Maßnahmen eine breite öffentliche Debatte und Aufklärung über die Geldordnung notwendig. Ein einzelner Notenbänker oder Volkswirtschaftsprofessor wird diese Wende nicht hinbekommen.
Widerruf von Scheinserien oder Münzsorten ohne Währungsreform
Emotional ist dieser Vorgang wahscheinlich der sensibelste, da alle Menschen davon direkt betroffen sind. Auch aus diesem Grund ist vor der Einführung eine ausgiebige Aufklärung notwendig. Der Termin für den Widerruf von Bargeld-Scheinserien oder Münzsorten sollte terminiert erfolgen. Die widerrufene Scheinserie oder Münzsorte darf natürlich nicht bekannt gegeben werden, damit diese nicht vorzeitig ihren Wert verlieren. Dadurch haben Menschen die Möglichkeit Bargeld einzuzahlen, um den Effekt eines Widerrufs zu reduzieren. Eine Privatbank wird im Gegensatz von Einzelpersonen durch die Menge der Scheinserien und Münzsorten nur im gewünschten Maß getroffen, da bei großen Mengen an Scheinen und Münzsorten die betroffene Scheinserie oder Münzsorte gleich verteilt ist. Die Entwertung die durch den Widerruf erfolgt soll effektiv nicht höher ausfallen, wie der aktuelle Zentralbankzins.
Ein Nebeneffekt des teilweisen Widerrufs von Bargeld ist, daß Schwarzgeld wieder in Verkehr gebracht werden muß.
Referenzen
Bücher und Artikel
[Keynes36] "The General Theory of Employment, Interest and Money.", John Maynard Keynes, 1936
[Creutz97] "Das Geldsyndrom", Helmut Creutz, 1997
[MPIfG07] "Wie viel Erbschaftssteuern?", Jens Beckert, Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung, Oktober 2007, http://www.mpifg.de/pu/workpap/wp07-4.pdf
[Dittfurth98] "Entspannt in die Barbarei", Jutta Ditfurth, 1997
[Schmitt98] "Entspannen Sie sich, Frau Ditfurth!", Klaus Schmitt, 1998, http://userpage.fu-berlin.de/roehrigw/schmitt/entditfurth/
Zeitungsartikel
[EZB1] "The ECB's monetary policy strategy", EZB, http://www.ecb.int/mopo/intro/html/index.en.html
[EZB2] "The definition of price stability", EZB, http://www.ecb.int/mopo/strategy/pricestab/html/index.en.html
[DBB1] "Mindestreserven", Deutsche Bundesbank, abgerufen April 2012, http://www.bundesbank.de/gm/gm_mindestreserven.php
[CNN1] "Buffett: Tax my skin, please", November 2007, http://money.cnn.com/2007/11/13/pf/taxes/buffett_estate_tax/index.htm
[ZEIT1] "Die Rückkehr des Monetarismus", Zeit Online, Dezember 2011, http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-12/geldpolitik-wirtschaft-spekulation/seite-2
[ZEIT2] "Über sieben Prozent Rendite im Jahr", Zeit Online, August 2009, http://www.zeit.de/online/2009/33/finanztest-solarstromanlagen
[FAZ1] "Hohe Geldmenge deutet auf geringe Finanzstabilität", FAZ, März 2012, http://www.faz.net/aktuell/finanzen/strategie-trends/neuer-krisenindikator-hohe-geldmenge-deutet-auf-geringe-finanzstabilitaet-11694198.html
[FAZ2] "Stabiles Vermögen, aber kümmerliche Rendite ", FAZ, März 2007, http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region/waelder-stabiles-vermoegen-aber-kuemmerliche-rendite-1114943.html
[FAZ3] "Rendite in Japan auf Rekordtief", FAZ, Januar 2003, http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/anleihen-rendite-in-japan-auf-rekordtief-191346.html
[HB1] "Deutsche Bank erreicht 25 Prozent Rendite", April 2009, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/trotz-krise-deutsche-bank-erreicht-25-prozent-rendite/3165492.html
[HB2] "Bund erwägt offenbar Garantien für Interbank-Kredite", Handelsblatt, Dezember 2008, http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/laut-bericht-bund-erwaegt-offenbar-garantien-fuer-interbank-kredite/3067696.html
[HB3] "Euro-System-Bilanzsumme seit Krisenbeginn um 160 Prozent gestiegen", Handelsblatt, April 2012, http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/geldpolitik-euro-system-bilanzsumme-seit-krisenbeginn-um-160-prozent-gestiegen/6503778.html
[BZ1] "Die Grosse Illusion", Basler Zeitung, April 2012, http://blog.bazonline.ch/nevermindthemarkets/index.php/7483/die-grosse-illusion-2/
[WSJ1] "s this the Right Time for the Fed to go Negative?", Wall Street Journal, September 2010, http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704644404575481390712384072.html
[ARD1] "Wer spart, macht Miese", ARD Online, http://www.tagesschau.de/wirtschaft/negativzinsen100.html
[TIME1] "Why Germany is Making Money on Eurozone Fears", Business Time Online, Januar 2012, http://business.time.com/2012/01/11/why-germany-is-making-money-on-eurozone-fears/
FAQ
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