Benutzer:Entropy/Mitgliederentscheide

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Mitgliederentscheide

Im folgenden sollen Mitgliederentscheide als ein basisdemokratisches Mittel der Piratenpartei neben dem Parteitag vorgestellt werden und eine praktikable Lösung in Anlehnung an Schweizer Volksentscheide entwickelt werden.

Überblick

Mitgliederentscheide (aka Urabstimmung) sind bereits im Parteiengesetz (§6 (2) 11. PartG) zwingend für die Auflösung sowie die Verschmelzung mit anderen Parteien vorgesehen, und können auch für andere Abstimmungen genutzt werden. Der hier vertretene Ansatz unterscheidet sich von herkömmlichen Mitgliederentscheiden vor allem dadurch, dass

  • die Abstimmungen nicht per Briefwahl durchgeführt werden müssen (sondern z.B online), und
  • in regelmässigen Abstimmungszyklen mehrere Mitgliederentscheide, auch die von übergeordneten Verbänden, gebündelt und zusammen abgestimmt werden.

Nicht-verbindliche Mitgliederentscheide werden als Mitgliederbefragung bezeichnet und können vom Parteitag oder Vorstand für eigene Beschlüsse genutzt werden.

Ziel ist hier einen Baustein für die Satzungen von Verbänden der Piratenpartei zuschaffen, der ein rechtssicheres, faires, demokratisches, akzeptiertes und standardisiertes Verfahren für Mitgliederentscheide bzw. -befragungen ermöglicht. Die Entscheidung über der konkreten Einsatz, die Nutzung der Optionen (z.B. Themenspektrum, Wahlverfahren etc.) und andere Details bleibt den Mitgliedern des Verbandes überlassen. Dieser Entwurf versucht insbesondere Missbrauch durch Vorstand oder Mitglieder zu verhindern und Aufwand und Kosten zu minimieren.

Das Problem

Die Piratenpartei hat sich zum Ziel gesetzt die "Mitbestimmungsmöglichkeiten jedes Einzelnen zu steigern und die Partizipation jedes einzelnen Mitbürgers an der Demokratie zu fördern". Wer bereits von Mitgliederentscheiden überzeugt ist, kann diesen Abschnitt überspringen.

Parteitage

Parteitage sind nicht nur das höchste Parteiorgan, sondern stellen derzeit das einzige anerkannte basisdemokratische Instrument in der Piratenpartei dar. Laut Gesetz sind dem Parteitag die wichtigsten Entscheidungen vorbehalten, da nur in dieser Versammlung genügend Möglichkeit zur Aussprache und Partizipation angenommen wird.

Für einen kleinen Gebietsverband stellt ein Parteitag ein weitgehend praktikable Lösung von partizipativer Demokratie dar, da die Teilnehmer nicht weit reisen müssen und sich in begrenzter Zeit hinreichend aussprechen können. Nur Mitglieder, die keine Zeit finden, sind davon ausgeschlossen.

Je grösser das Gebiet und die Mitgliederzahl des Verbands, umso weniger können die Ziele umgesetzt werden (z.B. Bundesparteitage). Die Anfahrtswege, -dauer und -kosten nehmen immer mehr zu, so dass sich manche allein deswegen die Teilnahme nicht erlauben können. Die Aussprache von tausenden Mitgliedern lässt sich auch unter grossen Einschränkungen nur ansatzweise gewährleisten. Es stehen eine Unmenge an Abstimmungen auf dem Programm, von denen sich nur ein Bruchteil bewältigen lässt und die hinreichende Diskussion ist wegen grossem Zeitdruck kaum möglich. Entsprechend grosse Räumlichkeiten sind selten und sehr teuer. Der logistische Aufwand ist enorm. Eine erfolgreiche Anfechtung des Parteitages wäre eine Katastrophe.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber Vertreterversammlungen mit Delegierten vorgesehen, um die Anzahl der Teilnehmer in Grenzen halten zu können. An diesen können allerdings nur gewählte Delegierte in Vertretung für eine feste Anzahl von Mitgliedern mit gleichem Stimmgewicht nach eigenem Gewissen abstimmen, und nicht einzelne Basismitglieder. Die Meinung der Basis kann also nur eingeschränkt abgebildet werden und die Partizipation ist begrenzt.

Mit zunehmenden Mitgliederzahlen der Partei werden diese Probleme immer grösser und lähmen den ganzen Betrieb. Immer mehr wichtige Inhalte kommen garnicht mehr zur Abstimmung oder können nur oberflächlich behandelt werden.

Liquid feedback

Die Piratenpartei hat die Software Liquid Feedback (LF) eingeführt um Abstimmungen bzw. Meinungsbilder auch online durchführen zu können. LF soll die Mitglieder entlasten, indem sie ihre Stimme an andere Vertraute delegieren können, und weil sie online jederzeit und überall teilnehmen können. Auch Anträge sind recht einfach einzubringen. Die Befürworter erhoffen dadurch mehr Teilnehmer für Abstimmungsprozesse zu gewinnnen, auf mehr Expertenwissen zurückgreifen zu können und die Repräsentativität zu erhöhen. Bei der Kettendelegation kann allerdings nicht kontrolliert werden, in wessen Hände das Stimmrecht des Mitglieds gelangt.

In manchen Verbänden wird LF bereits verbindlich eingesetzt, andere sind sehr skeptisch oder nutzen es so gut wie garnicht. Viele können es auch garnicht nutzen, weil sie keinen Zugang haben oder zu schwierig zu bedienen ist. Als Onlineabstimmung hat es die üblichen Probleme von Wahlcomputern (Sicherheit, Fälschbarkeit, Nachweis, obskurer Quellcode) und wenn offene Abstimmung gefordert werden das Problem mit Datenschutz und mangelnder Geheimhaltung. Da die Teilnehmeranzahl idR nur einen sehr kleinen Bruchteil der Mitglieder ausmacht, sind die Abstimmungen nur selten repräsentativ. Da es für Onlineverfahren bisher noch keine rechtliche Basis gibt, sind die Abstimmungen nicht verbindlich, sondern können bestenfalls als Empfehlungen für Parteitage, Vorstände oder Mandatsträger herhalten.

Die Bedienung ist bisher so wenig intuitiv, dass viele Mitglieder erstmal eine mehrstündige Schulung zu Benutzung benötigen. Auch sind sie auf einen Computer angewiesen und müssen ihre Zugangsdaten parat haben.

Dezentraler Parteitag

Das Konzept des dezentralen Parteitags reduziert den Reiseaufwand für die Mitglieder und macht es ggf. leichter Räume zu finden, da diese kleiner sind. Allerdings hat er viele neue Nachteile: (Streaming)Technik muss überall installiert werden, zuverlässig funktionieren, Abstimmungen müssen unabhängig ausgeführt werden, es braucht überall extra Personal. Durch vermutlich noch höhere Teilnehmeranzahl werden die Probleme eine Grossparteitags weiter verstärkt.

Eine Lösung: Mitgliederentscheide

(Achtung: veraltete Information)

Eine andere Möglichkeit Mitglieder basisdemokratisch an Abstimmungen zu beteiligen, sind Mitgliederentscheide (auch Urabstimmungen genannt). Diese sind bereits in den Satzungen von vielen anderen Parteien (FDP, Die Linke, Grünen) vorgesehen und erprobt. Auch der KV Dresden der Piratenpartei hat schon erfolgreich einen durchgeführt. Sie basieren auf rechtlich anerkannten, etablierten und intuitiv benutzbaren Verfahren wie Urnen- oder Briefwahl basieren und sind damit einer amtlichen Wahl vergleichbar.

Gegenüber LF haben sie die Vorteile, dass sie geheim sind, rechtlich abgesichert, weitestgehend fälschungssicher und für jeden ohne grosse Erklärung bedienbar sind. Allerdings bedeuten sie mehr Aufwand durch Materialkosten, ggf. Briefporto, Auszählung und die Durchführung einer Urnenwahl. Die Mitglieder haben ebenfalls einen grösseren Zeitraum zur Abstimmung zur Verfügung und müssen keine weiten Wege zurücklegen.

Im Vergleich zum Parteitag erlauben sie eine Abstimmung ohne grossen Zeitdruck und Fahrtwege. Mehrere Mitgliederentscheide können an einem einzigen Termin durchgeführt werden, so dass mehr Abstimmungen als an einem Parteitag durchgeführt werden können. Der Aufwand dürfte meist deutlich geringer als der für einen Parteitag sein, welcher jedoch die Möglichkeit zur Aussprache und Diskussion beinhaltet. Allerdings sind sie durch den Parteitagsvorbehalt bezüglich der verbindlichen Themen eingeschränkt, können aber empfehlenden Charakter haben, so dass am Parteitag nur noch symbolisch von Delegierten das Ergebnis bestätigt werden könnte.

Mitgliederentscheide alleine sind reine Abstimmungen ohne Diskussion und Aussprache. Um also Mitgliederentscheide mit Parteitagen und LF vergleichbar zu machen, müssen sie Informationsveranstaltungen zur Entscheidungsfindung gekoppelt werden.

Mitgliederentscheide vereinen also die Vorteile von Parteitagen (Rechtsicherheit, Barrierefreiheit) und LF (grosser Abstimmungszeitraum, ortsunabhängig) und sind zusätzlich stets geheim. Wenn in Zukunft Onlineverfahren eine rechtliche Basis erlangen, wird der Aufwand noch weiter reduziert werden. Bis dahin ist schon jetzt durch geschickte Organisation der Aufwand in Grenzen zu halten.

Umsetzung

Mitgliederentscheide können sofort umgesetzt werden. Um sie für einen Verband verbindlich zu machen, müssen sie aber erst in der Satzung verankert werden (siehe Paragraph unten).

Um den Aufwand möglichst gering zu halten gehört, dass

  1. man mehrere Mitgliederentscheide an einem Termin durchführt. Das spart Papier, Zeit und sonstiges Prozedere.
  2. die Mitgliederentscheide in regelmässigen Abständen durchführt (z.B Abstimmungsende an einem Sonntag alle 2-3 Montate). Dadurch müssen Mitglieder nicht gesondert eingeladen werden und Abläufe incl. Informationsveranstaltungen können auf einen Rhythmus optimiert werden.
  3. persönliche Einladungen in der Satzung nicht vorschreibt und zusätzlich zur Ankündigung an Stammtisch oder auf der Homepage nur freiwillig per Email einlädt
  4. online Wahl mit etablierter Software (z.B limesurvey) durchführt
  5. Urnenwahl mit Stammtischen, Infoständen oder Ansprechpartnern vor Ort verbunden werden. Die Wahlhelfer oder Vorstände wären ohnehin vor Ort und die Materialien können direkt mit- und zurückgebracht werden.
  6. Briefwahl nur auf Antrag ggf. nur auf eigene Kosten geschieht

Für die Entscheidungsfindung kann neben klassischen Wegen wie Stammtischen, Infoveranstaltungen, Medien und Onlinekommunikation auch ausgefeiltere Werkzeuge wie Demat oder LF zum Einsatz kommen.

Die Antragstellung sollte wie in anderen Parteien an ein Quorum gebunden werden um irrelevante oder abwegige Themen zu unterbinden. Das Ergebnis sollte auch erst ab einem gewissen Quorum als repräsentativ gelten, wobei Stimmberechtigte sich explizit enthalten können sollten, damit sie angeben können, dass sie das Thema für wichtig halten, aber den anderen die Entscheidung überlassen wollen.

Um einen ordnungsgemässen Verlauf mit geringem Aufwand zu gewährleisten ist eine ausgefeilte Regelung in der Satzung notwendig.

Entwurf

Der Einwurf befindet sich hier.

Anmerkungen

  • Parteitagsvorbehalt: PartG §9
  • (3) Der Parteitag beschließt im Rahmen der Zuständigkeiten des Gebietsverbandes innerhalb der Partei über die Parteiprogramme, die Satzung, die Beitragsordnung, die Schiedsgerichtsordnung, die Auflösung sowie die Verschmelzung mit anderen Parteien.
  • (4) Der Parteitag wählt den Vorsitzenden des Gebietsverbandes, seine Stellvertreter und die übrigen Mitglieder des Vorstandes, die Mitglieder etwaiger anderer Organe und die Vertreter in den Organen höherer Gebietsverbände, soweit in diesem Gesetz nichts anderes zugelassen ist.
  • Willensbildung und Bindung: PartG §15 Willensbildung in den Organen
  • (2) Die Wahlen der Vorstandsmitglieder und der Vertreter zu Vertreterversammlungen und zu Organen höherer Gebietsverbände sind geheim. Bei den übrigen Wahlen kann offen abgestimmt werden, wenn sich auf Befragen kein Widerspruch erhebt.
  • (3) Das Antragsrecht ist so zu gestalten, daß eine demokratische Willensbildung gewährleistet bleibt, insbesondere auch Minderheiten ihre Vorschläge ausreichend zur Erörterung bringen können. In den Versammlungen höherer Gebietsverbände ist mindes- tens den Vertretern der Gebietsverbände der beiden nächstniedrigen Stufen ein Antragsrecht einzuräumen. Bei Wahlen und Abstimmungen ist eine Bindung an Beschlüsse anderer Organe unzulässig.
  • Delegationen in LD dienen nur dem Komfort des Stimmberechtigten (durch Wahlempfehlungen mit Demat ersetzbar) und sind nicht mit dem Gesetz vereinbar (Ausübung Stimmrecht, Stimmgleichgewicht)
  • BGB § 38 Mitgliedschaft: Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem anderen überlassen werden.
  • PartG §10 Rechte der Mitglieder: (2) Die Mitglieder der Partei und die Vertreter in den Parteiorganen haben gleiches Stimmrecht.
  • Entscheide mit mehreren Anträgen:
  • Anträge für Mitgliederentscheide können mehrere Wahlalternativen anbieten. Der Vorstand ist berechtigt konkurrierende Anträge zu einem Thema als Wahlalternativen in einem Mitgliederentscheid zu bündeln. Eine Wahlalternative wird nur dann in die Abstimmung aufgenommen, wenn sie vom Vorstand oder von mindestens 10 Mitgliedern unterstützt wird und diese Unterstützer keine andere Alternative unterstützen. Es wird stets die Möglichkeit angeboten, für die Ablehnung aller Wahlalternativen zu stimmen. Die Wahlalternative mit der relativen Mehrheit gewinnt.
  • Begründung für Unterstützer für Alternativen: stehen zwei Alternativen zur Auswahl, könnte eine Gruppe die Abstimmung missbrauchen, indem sie mehrere minimal veränderte Versionen der Konkurrenzalternative einbringt, die dann eine mögliche Mehrheit für die Alternative in viele Minderheiten zerstückelt.
  • Quorum: ein Quorum von 10% kann schwer erreichbar sein, wenn viele stimmberechtigte Mitglieder nur zahlende Unterstützer sind, die kein Interesse haben, ihr Stimmrecht zu nutzen. Diese würden auf Parteitagen auch nicht erscheinen. Man könnte das Quorum nur auf die Grundgesamtheit derer beschränken, die bei dem letzten Parteitag oder Mitgliederentscheid teilgenommen haben, oder die nicht mitzählen, die explizit bis auf weiteres auf die Ausübung ihres Stimmrechts verzichtet haben.

Diskussion

Links

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