Benutzer:Dr Yes/Transparenz
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Transparenz und Politik
Transparenz: Begriff und politischer Bedeutung
Transparenz ist ein Begriff aus der Physik, genauer gesagt der Optik. Das Wort ist lateinischen Ursprungs, transparere, zusammengesetzt aus trans (hindurch) und parere (scheinen). Verwendet wird meist das Adjektiv transparent oder die substantivierte Form Transparenz. Der Ausdruck ist als Eigenschaft immer mit einer Sache verbunden, der sie zu eigen ist, in der Physik mit einem Körper. Für den Zusammenhang der Politik bedeutet dies zunächst: a) Transparenz wird hier metaphorisch gebraucht. Denn im Wortsinne durchsichtig kann Politik nicht sein, da sie als kommunikativer Prozess nicht materieller Natur ist. b) Es gibt nicht die eine transparente Politik, sondern es ist für verschiedene Aspekte der Politik zu betrachten, wie es dort um die Transparenz bestellt ist.
Im Zusammenhang mit Politik wird Transparenz meist in der Bedeutung von Nachvollziehbarkeit gebraucht. In den Analyse der Politikwissenschaft und der Staatsrechtslehre wird sie oftmals als ein Kriterium für die kritische Beurteilungen von politischen Institutionen verwendet, insbesondere in Arbeiten zum politischen System der EU. Sie bildet dabei neben Demokratie und Effizienz eine klassischen Trias (siehe z.B. Werner Weidenfeld oder Christian Calliess). Diese war so wirkmächtig, dass sich der Europäische Rat in der „Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union" zu mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz als Ziele für zukünftige Reformen verpflichtet hat.
Diese politische Verwendung von Transparenz ist relativ neu. Doch was damit bezeichnet wird, ist mit Politik wesentlich verbunden, seit es diese gibt - also seit der griechischen Antike. Politik, als öffentliche Auseinandersetzung um die gemeinsamen Angelegenheiten der Bürger, löst die arkane (geheime) Herrschaft am Hof der archaischen Zeit ab. Öffentlichkeit ist konstitutiv für Politik im ursprünglichen Sinne. Doch im Gegensatz zum Geheimen erschöpft sich die Forderung nach Transparenz nicht. So werden z.B. die Entscheidungsverfahren der EU auch dann als intransparent kritisiert, wenn sie in allen Schritten ein hohes Maß an Öffentlichkeit aufweisen. Die Kritik richtet sich dann an die vielfältigen, komplizierten Entscheiungsprozesse, bei denen nur wenigen die Verantwortlichkeiten in den verschiedenen Fällen einfach zuordnen können. Informelle Verfahren, die reguläre Entscheidungswege begleiten und mithin konterkarieren machen die Situation noch unübersichtlicher.
In den modernen Staaten ist sie jedoch weit weniger selbstverständlich als in der unmittelbaren Bürgerherrschaft der attischen Polis. Die modernen staatlichen Institutionen gehen in großen Teilen aus den höfische Verwaltungen mit Geheimräten und Kabinetten hervor. Nach und nach erzwingen Adel und Bürger mehr Kontrolle über und Einfluss auf die Herrschaft und Verwaltung am Hof. Dies geschieht durch die Parlamente, die sich von Beratungsbeiräten der Krone zur Vertretung der Bevölkerung wandeln und zunächst über die Erhebung von Steuern mitentscheiden. (Die Stärkung der Parlamente beginnt in England mit der Magna Carta und wird dort mit der Bill of Rights von 1689 schon vergleichsweise früh recht weit getrieben.) Reflektiert wird dies in der Lehre der Gewaltenteilung, in der dem Parlament als Legislative zusätzlich die Gesetzgebung zugesprochen wird.
Im entwickelten Parlamentarismus ist also das Parlament die Instanz, die die Öffentlichkeit der Herrschaft gewährleisten soll. Die Sitzungen der Parlamente sind in der Regel öffentlich und es werden zeitnah Verlaufsprotokolle der Sitzungen veröffentlicht. Im Rechtsstaat sind zudem die Gerichtsverhandlungen und die -urteile in der Regel öffentlich. Bei garantierter Meinungsfreiheit ist die Presse eine weitere Instanz, die zur Kontrolle von Herrschaft und Verwaltung beitragen kann. Der Kontrolle durch die veröffentlichte Meinung unterliegen dann auch die Parlamente und Gerichte.
Die politische Forderung nach mehr Transparenz im Staatswesen ist also traditionell an die Exekutive gerichtet, die Regierungen und ihren nachgeordneten Behörden. Und dies auch heute noch mit Recht. Denn hier wird noch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden und gehandelt. So tagen die Kabinette in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Kabinettsprotokolle werden erst nach vielen Jahren veröffentlicht (Vom Bundeskabinett wurden zuletzt die Protokolle von 1967 veröffentlicht.), öffentliche Ausgaben werden nicht vollständig in den Haushaltsplänen ausgewiesen, sondern mithin aus Rundungsgewinnen oder Haushaltsresten bestritten, Datenbestände der Behörden werden nicht veröffentlicht, etc. Man muss kein krankhaft misstrauischer Mensch sein, um sich hier mehr Zugang zu Informationen zu wünschen. Ob man dies nun Open Government/Open Data oder sonst wie nennt, es ist eine aktuell wichtige politische Forderung.
Doch nicht nur die Entscheidungen und Handlungen der Exekutiven sind Gegenstand der Forderung nach mehr Transparenz. Diese wird vielmehr für politische Entscheidungsprozesse generell erhoben. Dabei sind dann auch die Gesetzgebungsverfahren im Fokus. Wenn diese intransparent verlaufen, wächst die Gefahr, dass nicht die sachlich vorteilhafteste Lösung gewählt wird, sondern die Partikularinteressen besonders einflussreicher Gruppen unangemessen bevorzugt werden. Der Eindruck, dass ressourcenstarken Lobbyverbänden in der Lage sind, die politischen Entscheidungen maßgeblich zu ihren Vorteil und zum Nachteil der Allgemeinheit zu beeinflussen, schadet der Akzeptanz des Repräsentativsystems.
Mehr Transparenz bei den verschiedenen Stadien des der Entscheidungsprozess könnte auch mehr Beteiligung der Bürger erleichtern. Denn wirksame Teilhabe braucht die relevanten Informationen. Von vielen wichtigen Entscheidungen erfahren die viele Bürger jedoch erst, wenn sie schon getroffen sind. Doch nicht nur die verschiedenen Stadien des Entscheidungsprozess' und die grundlegenden Informationen sind den Bürgen transparent zu machen. Diese haben auch ein berechtigtes Interesse daran, die Gründe für die Entscheidungen zu erfahren. Dies leistet im Idealfall die Debatte im Parlament. Doch diese werden oftmals als Scheindebatten erlebt, in denen sich Regierungsfraktionen und Opposition gegenseitig Unfähigkeit vorwerfen und wenig zur Sache gesagt wird. Es ist auch nicht wirklich etwas anderes zu erwarten, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass Akteure im Parlament ihre Entscheidungen in der Regel nicht im Plenum treffen, sondern mit festen Positionen in eine nur Scheinbar offene Debatte eintreten. Doch diese inszenierten Debatten werden nicht nur im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren gehalten, sondern durch sie werden auch die Kontroll- und Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments realisiert.
Mehr Transparenz im Parlament?
In den Debatten zu den unterschiedlichen Gelegenheiten machen die Fraktionen ihre Position deutlich, argumentieren für ihre Position und ggf. gegen die Positionen der Regierung oder der anderen Faktionen. So wird eine gewisse Öffentlichkeit der politischen Auseinandersetzung hergestellt. Doch die Beiträge zielen weniger darauf ab, die anderen Faktionen zur Zustimmung zur eigenen Position zu bewegen, sondern dienen dazu, die eigene Position in der (medialen) Öffentlichkeit in ein günstiges und die Position der Konkurrenz in ein schlechtes Licht zu rücken. Deshalb ist der Eindruck, im Rahmen von Plenardebatten die sachlichen Argumente für und wider eine Sache eher nicht zu erfahren, nicht von der Hand zu weisen. Verkündungsparlamenten mit ihren Schaufensterreden sind hierzu nur eingeschränkt in der Lage. Denn hier werden meist bereits gefallene Entscheidungen beworben.
Von den Debatten, die andernorts, v.a. innerhalb der Fraktionen um die Entscheidungen gerungen werden, erfährt die Öffentlichkeit in der Regel nichts. Dies begünstigt den Eindruck, dass in den Entscheidungen bestimmte Partikularinteressen eine übergebührliche Berücksichtigung finden. Denn wenn unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird, ist ungewiss, ob dabei die Förderung des Gemeinwohl ausreichende Berücksichtigung findet, oder ob Partikularinteressen übergebürlich berücksichtigung finden. Dies ist dann zu befürchten, wenn a) Positionen, die wenige begünstigen, aufgrund der Macht ihrer Vertreter Mehrheiten finden. Oder wenn b) im Stile des Kuhhandels Pakete mit Entscheidungen zu mehreren Gegenständen geschnürt werden. Dies könnte derart geschehen, dass sich Gruppen, die verschieden Interessen vertreten, wechselseitig mindestens einen für sich wichtigen Punkt zugestehen. Und dabei für den Erfolg in einem Punkt, in einer anderen Sache eine Entscheidung gegen ihre Überzeugung oder gegen die Interessen, die sie sonst vertreten, mittragen. In beiden Fällen wäre die kritische Prüfung der Vorhaben nur bedingt gewährleistet und sie stellen insofern eine Korrumption gegenüber dem Ideal des Parlamentarismus dar. Relativiert wird diese Gefahr im Rahmen der BRD dadurch, dass einzelne Fraktionen nur bei den seltenen absoluten Mehrheiten genug Stimmgewicht haben, um Entscheidungen alleine durchzubringen. Und selbst dann müssen sie sich mit ihren Vorschlägen der öffentlichen Debatte mit der Opposition und der Möglichkeit kritischer Kommentare in den Medien stellen. Schlechte Aussichten für das Gemeinwohl herrschen allerdings dann vor, wenn man ein großes Macht- und Meinungskartell annimmt, bei dem die führenden Köpfe mehrere Fraktionen und die Meinungsführer der Medienöffentlichkeit gemeinsam Partikularinteressen befördern.
Ob öffentliche Fraktionssitzungen ein geeignetes Mittel sind, die Transparenz der Entscheidungen in Parlamenten zu verbessern, ist durchaus fraglich. Zum einen besteht die Gefahr, dass die offnen Diskussionen in den Fraktionen dann in informelle Runden verschoben werden und in den öffentlichen Fraktionssitzungen nur noch die abgeschlossenen Aushandlungsprozesse offiziell bestätigt werden. Zum andern bleiben die informellen Aushandlungsprozesse zwischen den Fraktionen hiervon völlig unberührt.
Zum ersten: Die öffentliche Debatte in der Fraktion bringt einer einzelnen Fraktion nicht nur den Nachteil, dass sie den Anschein von Geschlossenheit kaum herzustellen vermag, die eine grundlegende Erwartung der (Medien-)Öffentlichkeit an Parteien und Fraktionen darstellt. Zudem nimmt eine Fraktion, die konsequent öffentlich arbeitet auch noch den taktischen Nachteil in Kauf, dass die Konkurrenz frühzeitig von den geplanten Initiativen erfährt und so viel Zeit für die Entwicklung von Neutralisierungsstrategien hat. Im Extremfall kann sich eine andere Fraktion sogar die Ideen zu eigen machen und sie selbst als parlamentarische Initiative einbringen. In solch einem Fall wäre es für die öffentlich arbeitende Fraktion sehr schwierig, öffentliche Anerkennung für die fraktionsinterne Diskussion dieses Themas zu bekommen, während sich die Konkurrenz mit fremden Lorbeeren schmücken kann. Im Wettbewerb wird sich in einer Fraktion, die eine Wiederwahl anstrebt, ein gewisses Interesse daran entwickeln, die eigenen Initiativen nur kurz vor der Einbringung öffentlich zu machen und einer öffentlichen Kontroverse über diese möglichst vorzubauen. Es wird ein Schutzraum gesucht werden, um Ideen unbeobachtet zu entwickeln und Mehrheiten zu organisieren.
Zum Zweiten: Wenn eine von mehreren Fraktionen in einem Parlament die Mühen und Nachteile der öffentlichen internen Aushandlung auf sich nimmt, ist dies für die Transparenz der Entscheidungen dieses Parlament kein großer Gewinn. Denn Erfolge bei ihren parlamentarischen Initiativen, v.a. von Oppositionsfraktionen, sind im Regelfall nur bei Verhandlungen und Kompromissen mit anderen Fraktionen möglich, also wenn sie Gegenstand einer informellen Abstimmung werden. Hierbei ist es denkbar, dass eine Fraktion, die ihre Initiativen öffentlich diskutiert hat, taktisch im Nachteil ist, da unter Umständen ihr Verhandlungsspielraum den Verhandlungspartnern bekannt ist. Da im allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Öffentlichkeit (v.a. die Wähler) den Eindruck von innerer Geschlossenheit der Parteien und Fraktionen gegenüber Dissens bevorzugt, sind generell öffentliche Fraktionssitzungen nur selten versucht worden, kurze Zeit von den Grünen und nun wieder von den Piratenfraktionen.
Damit soll nicht gesagt sein, dass in Hinblick auf die Transparenz in den deutschen Parlamenten nichts mehr zu erreichen wäre. Potential für mehr Transparenz im Parlament, dem sich die Fraktionen widmen können liegen vor allem in den Verfahrensweisen. So z.B. das Hinwirken auf den Verzicht auf nicht-öffentliche Ausschusssitzungen (wo immer möglich) und auf die Erleichterung des Zugangs zu Informationen zu den Vorgängen im Parlament wie der einfache Abruf von Tagesordnungen, Sitzungsprotokollen und Gesetzgebungsvorgängen im Web. Auch eine einzelne Fraktion könnte sich darum bemühen, aktuell und verständlich über die Arbeit und Arbeitsweisen im Parlament zu informieren. Die Kenntnisse hierzu sind längst nicht so verbreitet, wie sie es sein sollten und die Massenmedien zeigen wenig Interesse an einer sachlicheren Darstellung des parlamentarischen Geschehens.
Eine Versachlichung der Beiträge zu den parlamentarischen Debatten würde auch helfen. Damit ist nicht der Verzicht auf die Mittel der politischen Rhetorik gemeint. Aber es wäre wünschenswert, wenn die Bürger in den Reden generell eine nachvollziehbare Darstellung des Sachverhaltes und sachliche Argumente für und wider eine Initiative erfahren würden.
Die meisten Forderungen im Zusammenhang der Debatte um mehr Transparenz im Parlament richtet sich an die einzelnen Abgeordneten. Von ihnen erwartet man umfassende Informationen über Nebeneinkünften und ihren Kontakten mit Interessenvertretern (Lobbyisten). In den Piraten Fraktionen, die nicht immer geschlossen Abstimmen, bemühen sich einige Abgeordneten auch um die Veröffentlichung ihres Abstimmungsverhaltens. Und wenn sie gegen abgestimmte Positionen stimmen, bemühen sich manche um eine Begründung ihres Abstimmungsverhaltens.
Diese Ansätze zur Verbesserung der Transparenz als Mittel zur Verhinderung von Korruption (im Sinne von Entscheidungen zu Lasten des Gemeinwohls) sind im Hinblick auf ihre Wirksamkeit nicht zu optimistisch bewertet werden. Richtig ist zwar, dass die Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit bei vielen Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit versagt hat. Doch das Versagen beruhte meiner Meinung nach dabei weniger darauf, dass die Absichten hinter den Entscheidungen unbekannt gewesen wären. Vielmehr wurde kaum öffentlich sachliche Kritik an diesen Absichten geübt, und das wenige an Kritik wurde in Wissenschaft und Medien gleichermaßen marginalisiert. Die Gründe hierfür sind eine eigene Betrachtung wert. Eine erwägenswerte These ist es, dass es gelungen ist, die Beförderung von Partikularinteressen mit dem Anschein der Beförderung des Gemeinwohls zu versehen.
Transparenz und Partizipation
Hierzu gelegentlich mehr.