Auswirkung eines neuen Urheberrechts auf die IT-Branche
Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland. Hier wurde ein Essay von ? verfasst. |
Diese Argumentation macht plausibel, dass ein modifiziertes Urheber- und Patentrecht folgende Auswirkungen auf die IT-Branche hätte:
- Umstrukturierung des Softwareproduktionsprozesses zu Gunsten dezentraliserter, fallorienterer Entwicklung
- Steigerung von Offenheit und Interopatibilität von Computersystemen (und damit deren Wiederverwendbarkeit)
- dadurch bedingte Effektivitätssteigerung der Entwicklung befreit Ressourcen für höherwertige IT-Produkte und -Verzahnung
- Demonopolisierung des Softwaremarktes
- Reduzierung der Benachteiligung sozial Schwächerer durch mangelnde Software (Lernsoftware, Steuerberatungsprogramme)
- IT-Wohlstand für alle
Der Ausgleich ausfallender direkter Investitionen soll - neben der Effektivierung - durch alternative Investionsflüsse gegeben sind:
- verstärkte Softwareentwicklung bei der direkten Integration verschiedener IT-Komponenten unter Nutzung erhöhter Wiederverwendbarkeit
- Entwicklung von Software für Lehre und Forschung durch Universitäten (direkte Produzenten) und Schulen, wie Kindertagesstätten (im Verbund als Auftraggeber)
- Bildung von Konsortien zur Entwicklung von vielfach benötigter Software
Unschlüssig ist dabei jedoch die Zukunft von Softwarenischen. Im bisherigen Diskurs konnte noch kein Beispiel für einen Softwarezweig gegeben werden, der durch die Modifizerung des Rechtes von akuter Stagnation betroffen wäre, das Gegenteil - vollstände Abdeckung aller Zweige - kann aber aufgrund der vorherrschenden Argumentationsstruktur nicht garantiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Begründung & Argumentation
Motivation: Warum ein eigener Artikel ?
Im Gegensatz zu historisch präsenten geschützten Werken wie Bildern, Texten, Filmen und Musik, die alle ein breit gefächertes Reportoire an Verwertungsmöglichkeiten, (Kino, Vorführungen -> GEMA, Abdruck -> VG Wort, direkter Verkauf, ...) als auch Entstehungsformen haben, ist dies für Software nicht direkt gegeben.
Diese bei anderen Schaffensformen gegebenen Möglichkeiten rühren zum Teil von den unterschiedlichen Repräsentationen des Gutes in unserer Welt ab (ich kaufe keinen puren Text, sondern ein Buch; sehe keinen reinen Film, sondern besuche ein Kino; bekomme Musik nicht aus dem Nichts, sondern von einer dedizierten Quelle, wie z. B. der Band auf der Bühne).
Es wird argumentiert, dass der Software an sich jene Vielfalt fehlt. Sie bleibt digital und immateriell. Auch ihr Besitz ist binär: Man hat eine Software, oder nicht. Jegliche Zwischenzustände und teilweise eingeschränkten Nutzungsformen (z. B. ein einmaliges Nutzen a la Kinovorführung) lassen sich technisch nicht ohne totale Entmündigung des Computerbesitzer durchsetzen.
Während durch ein modifiziertes Urheberrecht den oben genannten Formen kreativer Schöpfung nur ein kleiner Teil der Verwertungsmöglichkeit reduziert wird, könnte eine uneingeschränkte, private Vervielfältigung von Software sehr viel größere Auswirkungen haben. Diese gilt es zu diskutieren.
Zusammensetzung der IT Industrie (Begriffsklärung)
Fälscherlicherweise werden oft die Begriffe Informationstechnologie, IT-Industrie und Softwareindustrie in einen Topf geworfen. Dies ist eine gefährliche Sprachform und unterstützt zahllose kausal falsche Argumentationen und Verallgemeinerungen, insbesondere im Hinblick auf Softwarepatente. Deswegen hier eine (hausgemachte) Definition für den Verlauf der Diskussion:
Informationstechnologie ist die Summe technischer und mathematischer Methoden der Datenverarbeitung sowie deren materielle Inkarnation. Zu ihr gehören physikalisch genutzte Effekte (z. B. Halbleiter), Hardwareentwürfe, Algorithmen, Abstraktionsschemen (z. B. Datenbankentwürfe), Schnittstellen (-defintionen), Formatstandards (z. B. RFC 791, XML), Software, Hardware... kurzum das gesamte computerbezogene Wissen.
Informationstechnologie wird von verschiedensten Gruppen generiert: Von der IT-Industrie, im universitären Bereich, von unbezahlten Entwicklern und den Benutzern der IT selbst (indem sie durch ihre Wünsche Anforderungen an die IT erzeugen). Diese Gruppen sind auf die verschiedenen Facetten der IT sehr heterogen verteilt.
Die IT-Industrie ist die Summe der Unternehmen, die durch Erschaffung von IT Geld verdienen. Unter den oben genannten IT-Generatoren deckt die breiteste Palette ab. Explizit bedeutet dies - neben anderen - auch folgende, in Diskussionen oft vernachlässigte Bereiche umfasst:
- Hardwareproduktion
- Produktspezifischer und allgemeiner Support (Hard- wie Software) und Training
- Hard- und Softwaredistribution (Computerläden)
- Systemintegration:
- Softwarelösung verbinden
- Hardwarelösung aufbauen (Komponenten suchen und zusammenstecken, Netzwerke planen und verlegen, ...)
- Systemadministration
- ...
Die Softwareindustrie ist ein kleiner Teil der IT-Industrie, die sich auf die Produktion des rein immateriellen Gutes Software spezialisiert hat. Sie weist sehr unterschiedliche Ausprägungen auf, mindestens:
- Produktion von alleinstehender Software für den Massenmarkt
- Produktion von alleinstehender Software für Nischenmärkte
- Spezialanfertigung für spezielle Nutzungszwecke
Die Softwareindustrie ist außerdem sehr inhomogen in Bezug auf die Nutzerzahlen, Preisausprägungen und Entwicklungskosten ihrer einzelnen Produkte, als auch die Größe der einzelnen Firmen überhaupt.
Gegenwärtige Probleme
Urheberrecht und Patentschutz in ihrer gegenwärtigen Form liefern eine keinem natürlichen Recht entsprechende Kontrollmöglichkeit der Hersteller über die Verwendung ihrer Software. Diese:
- fördert wirtschaftliche Monopole durch praktisches Interoperatibilitätsverbot sowie die Unmöglichkeit der fremden Weiterentwicklung von Software
- erzeugt rechtliche Monopole auf Algorithmen (z. B. Trivialpatente <nicht so stark in DE>)
- fördert Ineffizienz, weil die gleiche Software vielfach neu geschrieben werden muss
Dieses Monopol versetzt Softwarehersteller in eine hervorgehobene Machtposition gegebenüber (kleinen) IT-Produzenten (z. B. Systemhäusern), die so entstehende Ineffzienzen selbst ausgleichen, oder durch minderwertigere (als möglich) Gesamtsysteme weitergeben müssen. Die Gesamtkosten für IT werden so künstlich erhöht.
Diskussion einzelner Auswirkungen
- die oben dargestellte Transformation der IT-Industrie tritt nicht unbedingt ein. Sie setzt voraus dass es - zumindest in Teilbereichen - zu drastischen Umsatzeinbußen von Softwareherstellern durch gesunkene, direkte Verkaufszahlen kommt. Die Abfederung dieser scheinbar katastrophalen Auswirkung in einen gesamtgesellschaftlich deutlich positiven Effekt ist die Stärke der Argumentationslinie
- nehmen wir den beinahe komplementären Fall einer möglichen Situierung der IT-Industrie an: wegen des unbezahlten Vervielfältigens existieren keine Firmen mehr, die Software (als Vorschussleistung) erstellen und anschließend über den Markt absetzten können; diese Annahme ist natürlich völlig überspitzt, sie erleichtert aber die Argumentation, da so auf unzählige Zwischenzustände verzichtet werden kann:
- Firmensoftware wird weiter entwickelt, weil
- der Bedarf danach besteht und wächst; ist eine Software für einen gegebenen Zweck nicht vorhanden, dann:
- wird sie in Auftrag gegeben (Einzelanfertigung)
- wird ein Bündnis mit Gleichgesinnten (die diese Software auch brauchen) gegründet, um sie zu erstellen; mindestens binnen dieses Bündnisses wird die Software aus Effizienzgründen in Quellcodeform getauscht
- eine bessere IT den gesamten Geschäftsprozess optimieren kann; kapitalistischer Druck bewirkt in diesem Sinne ständige Investition in die IT, solange diese noch eine gesamte Effizienzsteigerung ermöglicht
- der Bedarf danach besteht und wächst; ist eine Software für einen gegebenen Zweck nicht vorhanden, dann:
- universell benötigte Software (Betriebssysteme, Netzwerksoftware, Officesuiten, Datenbanken, ... ... ...) wird von Behörden, Universitäten, Militär, Polizei (und allem Anderen, wo der Staat so kreucht und fleucht) sowieso benötigt; Erstellung und Betreuung kann dieser garantieren; das Resultat sollte dann quelloffen allen (Bürgern) zur Verfügung stehen, auch zur (kommerziellen) Weiterverarbeitung -> damit ist ein gigantischer Softwarefundus abgedeckt
- Softwaresonderanfertigungen haben dabei keine Einbuße: bei ihnen wird i. d. R. die Programmierung bezahlt (und der Quellcode gleich mit verkauft)
- Im Gegenteil: Diese profitieren von der großen Softwareallmende; dadurch wird Spezialsoftware günstiger, kann deswegen häufiger erstellt werden und mehr leisten
- Firmensoftware wird weiter entwickelt, weil
- die bis hierhin beschriebenen Tranformationsprozesse haben zur Wirkung:
- Softwarearchitektur geht über in Hände von Systemarchitekten, die ein funktionierendes IT-Gesamtsystem sehen und integrieren (statt bloß Insellösung mit <proprietären> Schnittstellen zu schreiben); da diese die Gesamteffizienz des Systemaufbaus analysieren müssen:
- bevorzugen sie wiederverwendbare, quelloffene Software => wachsende Softwareallemende
- bevorzugen hoch interoperatible Lösungen
- haben eine gewisse Kompetenz, den Stellenwert einzelner Komponenten in einem System einzuschätzen
- Verringerung redundanter Arbeit: durch Rückgriffe auf bereits Geschriebenes kann die Produktion auf den neuartigen Teil (oder die Vernetzung) von Software konzentriert werden
- die bestmögliche Software für alle
- dadurch eine sozial gerechtere Bildungsmöglichkeit (da Alle die guten Computerwerkezuge besitzen); das wiederum ermöglicht mehr (computerorientierte) Bildung überhaupt
- Reduktion der Zahl der aktiv entwickelten Programme, die das gleiche lösen.
- dadurch Konzentrierung des Entwicklungsaufwandes auf weniger, dafür besser betreute Lösungen
- evtl. von einen (quelloffenen) Programm viele Facetten mit gemeinsamer Codebasis, optimiert auf die unterschiedlichen Nutzungsmuster
- Verlust an Produktvielfalt ?
- Gegenargument: bereits jetzt oft geringe Vielfalt im kommerziellen Sektor (Bsp: Betriebsysteme, Officelösungen), dafür hohe Diversität im Open Source Bereich (insbesondere wegen des leichten Aufspalten des Entwicklungsbaums in verschiedene Lösungen möglich)
- Softwarearchitektur geht über in Hände von Systemarchitekten, die ein funktionierendes IT-Gesamtsystem sehen und integrieren (statt bloß Insellösung mit <proprietären> Schnittstellen zu schreiben); da diese die Gesamteffizienz des Systemaufbaus analysieren müssen:
- Von obiger, mittels Restrukturierung gesicherter, Finanzierung verschiedene Softwarelösung ist Software, die ausschließlich für den privaten Bereich entwickelt wird, argumentativ ausgeschlossen; dafür bieten sich Einzellösungen an; diese decken jedoch möglicherweise nicht die ganze Palette der momentan in diesem Bereich verfügbaren Software ab:
- Computerspiele: könnten binnen eines Kulturfonds / Kulturflatrate / ... (das was Musik, Texte & Filme auch als Ausgleich bekommen, falls) refinanziert werden. Zusätzlich können attraktive und exklusive Beigaben (Handbuch, T-Shirt, ...) den Kaufanreiz steigern.
- Lernsoftware: sollte (sowohl im Sinne frühen und kindgerechten E-Learnings als auch sozialer Gleichberechtigung bzgl. der Bildung) von Kindertagesstätten / Schulen / Bildungsministerien / ... in Auftrag gegeben werden und dann der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.
- was gibt es noch so ?
- Patente erzeugen rechtliche Monopole auf Algorithmen (Quellen: Heise Zusammenfassung über Softwarepatente in der EU Debatte; FFII über Softwarepatente - ein wahrer Argumentefundus)
- Patenteigentümer haben volle Kontrolle über die Nutzung der patentierten Sache durch Andere.
- sie setzen dadurch den optimierenden Druck des Marktes in einem Teilgebiet aus
- erzeugen Stagnation in der Softwareentwicklung
- Große Firmen besitzen Patentportofolien verschiedenster (zum Teil trivialer) Techniken
- sie schließen sich dadurch mit anderen großen Firmen zusammen, bilden auf diese Weise patentgestützte Kartelle
- diese erzeugen durch gegenseitige Lizenznahme riesige, virtuelle Patentpools
- kleine Entwickler können ihre Patente nicht durchsetzen, weil
- die Kosten des Rechtsstreites dafür zu hoch sind (grob: jenseits einer Million Euro)
- große Firmen sie im Gegenzug mit deren Patentpool bedrohen, so das eine Eigenvermarktung nicht möglich ist
- Patente verstärken die Nutzung der schutzwürdigen Technik (die Erfindung soll also irgendwie gut <für die Menschheit ?> sein) nicht, sondern inhibiert (hemmt) sie und wirken so als Fortschrittsbremse
- Patenteigentümer haben volle Kontrolle über die Nutzung der patentierten Sache durch Andere.
- Die Begründungen zur Einführung des Patentsystems sind in seiner heutigen Form ad absurdum geführt
- Die Rechtskosten zur Patentrecherche können die Entwicklungskosten von Software zum Teil überwiegen