Antrag:Bundesparteitag 2014.1/Antragsportal/WP024

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2014.1. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer WP024
Einreichungsdatum
Antragsteller

LunaLoof

Mitantragsteller
  • Ralf Pichler
  • Erich Sturm
  • Markus Münchberg
  • Martin Deutsch
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Außenpolitik
Zusammenfassung des Antrags Da nur die EU zuständig für Außenhandelspolitik ist, ist dies ein Thema für das Europawahlprogramm. Handelsabkommen regeln viele für uns PIRATEN wichtige Fragen verbindlich, insb. bei Patenten und Urheberrechten, so dass wir sie mitgestalten sollten.
Schlagworte Internationale Handelsabkommen, Handelspolitik, Grundsätze, ACTA, TTIP, WTO
Datum der letzten Änderung 06.01.2014
Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting keep-light-green.svg Angenommen

Antragstitel

Grundsätze für Handelsabkommen

Antragstext

__

Der Bundesparteitag möge beschließen, den folgenden Text im Wahlprogramm zur kommenden Europawahl unter "Außenpolitik" einzufügen. Falls der Antrag nicht im Ganzen angenommen wird, soll er modular abgestimmt werden. Dort, wo es ggf. zu Doppelungen mit dem Gemeinsamen Europäischen Wahlprogramm (CEEP) kommt, sollen diese redaktionell entfernt werden:

Grundsätze für Handelsabkommen

(Modul 0:)(*teilweise)

Wir PIRATEN machen es zur Auflage, dass bei allen Verhandlungen der Europäischen Union über Handelsabkommen die folgenden Bedingungen erfüllt sein müssen:

  • Stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments;*
  • Umfassender Zugang zu Informationen und öffentlichen Anhörungen;*
  • Privatisierungen nur nach Einholung eines Referendums;
  • Keine Absenkung von Schutzstandards;
  • Berücksichtigung der Interessen von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMUs);*
  • Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards;
  • Gewährung besonders günstiger Bedingungen für strukturell und wirtschaftlich schwache Handelspartner;
  • Ausländische Investitionen demokratiekonform und rechtsstaatlich schützen;
  • Kein Verbot der Regulierung von Finanzmärkten;
  • Beschränkungen bei Monopolen auf immaterielle Güter;*
  • Förderung von Gemeingütern ("Commons")* und die
  • Achtung der Selbstbestimmung und der Privatsphäre*.

(Modul 1*:) Stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments

Handelsabkommen enthalten wichtige politische Entscheidungen, die nach ihrer Verabschiedung nur noch schwer zu ändern sind. Daher sollte das Europäische Parlament als einziges Organ in der EU mit direktem demokratischen Mandat bei der Handelspolitik in gleichberechtigter Weise neben der Europäischen Kommission eingebunden sein.

Das Europäische Parlament sollte durch seinen Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) als gleichberechtigter Partner der Europäischen Kommission an den Verhandlungen von Handelsabkommen teilnehmen.

(Modul 2*:) Umfassender Zugang zu Informationen und öffentlichen Anhörungen

Alle Dokumente zu den Verhandlungen über Handelsabkommen sollen sowohl dem Europäischen Parlament als auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Alle Verhandlungen und Anhörungen der Interessengruppen sollen öffentlich durchgeführt werden. Wir fordern, dass alle Ergebnisse der Konsultationen, insbesondere Stellungnahmen von Interessengruppen, unverzüglich und vollständig veröffentlicht werden.

(Modul 3:) Privatisierungen nur nach Einholung eines Referendums

Anstatt durch Handelsverträge Druck zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen auszuüben, sollte die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Dienstleistung öffentlich oder privat betrieben wird, der demokratischen Kontrolle der jeweiligen Bevölkerung überlassen werden. Wir PIRATEN lehnen dementsprechend Privatisierungsbestimmungen, die sich allein aus Handelsabkommen ergeben, ab und fordern hierfür zwingend die Durchführung eines Referendums.

(Modul 4:) Keine Absenkung von Schutzstandards

Wir PIRATEN fordern, dass durch ein Handelsabkommen bei keinem der Handelspartner Standards in den Bereichen Verbraucherschutz, Umweltschutz, Klimaschutz, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, Datenschutz, Arbeitsschutz und der sozialen Sicherungssysteme gesenkt werden dürfen.

(Modul 5*:) Berücksichtigung der Interessen der kleinen und mittelgroßen Unternehmen

Im Moment berücksichtigen Handelsabkommen vor allem die Interessen der globalhandelnden großen Unternehmen, während die kleinen und mittleren Unternehmen selten davon profitieren. Stattdessen werden KMU's hierdurch zunehmend vom Markt verdrängt. Wir wollen das ändern.

(Modul 6:) Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards

Handelsabkommen sollen verbindliche soziale und ökologische Mindeststandards festlegen, deren Verletzung zur Erhebung von Strafzöllen und anderen Anti-Dumping-Maßnahmen berechtigt. Wir PIRATEN werden sich dafür einsetzen, dass diese Bestandteil der WTO-Abkommen werden und Verletzungen dieser Standards deren Gerichtsbarkeit unterliegen.

Wo schon internationale Standards der UN-Organisationen bestehen, wie beispielsweise die nach Wirtschaftsleistung abgestuften Arbeitsrechtrichtlinien der ILO (International Labor Organization), müssen sich beide Vertragspartner verpflichten, diese mindestens einzuhalten.

(Modul 7:) Gewährung besonders günstiger Bedingungen für strukturell und wirtschaftlich schwache Handelspartner

Handelsabkommen mit Entwicklungsländern müssen deren strukturelle und wirtschaftliche Schwäche durch besonders günstige Bedingungen beim gegenseitigen Handel berücksichtigen. Dies soll sich insbesondere in den Regelungen über den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Rohstoffen und bei Patentregelungen widerspiegeln. Hierfür wollen wir uns einsetzen.

(Modul 8:) Ausländische Investitionen demokratiekonform und rechtsstaatlich schützen

Wir PIRATEN fordern, dass ausländische Investoren beim Zugang zur Gerichtsbarkeit und der Möglichkeit Schadensersatz gegen einen Staat geltend machen zu können nicht gegenüber inländischen Investoren bevorzugt werden sollen.

Sofern eine unabhängige, faire und in angemessener Zeit zu einer Entscheidung gelangende inländische Gerichtsbarkeit besteht, soll diese nach dem Prinzip des gesetzlichen Richters auch für Schadensersatzforderungen gegen den Staat zuständig sein.

Ist dies nicht der Fall, müssen Schiedsgerichte so besetzt sein, dass kein Interessenkonflikt bei den Schiedsrichtern entstehen kann. Alle Verhandlungen müsen öffentlich stattfinden und die Schiedssprüche müssen online frei zugänglich veröffentlicht werden. Es muss immer die Möglichkeit geben, die Entscheidung durch eine zweite Instanz überprüfen zu lassen.

Beruhen die Schadensersatzforderungen auf einer im öffentlichen Interesse getroffenen, demokratisch legitimierten Entscheidung des beklagten Staates, soll kein Anspruch auf entgangenen Gewinn und Strafschadensersatz bestehen, sondern nur auf eine angemessene Entschädigung bei Enteignung materieller Güter.

(Modul 9:) Kein Verbot der Regulierung von Finanzmärkten

Handelsabkommen dürfen keine Regelungen enthalten, die es den Handelspartnern verwehren, ungebührliche Spekulation zu beschränken und zu besteuern. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es den Handelspartnern in Krisensituationen möglich bleiben muss, Kapitalabflüsse zu verhindern oder zu beschränken, wenn hierdurch die Stabilität des heimischen Finanzmarktes gefährdet wird. Das Gleiche gilt auch, wenn dies zur Sicherung der Erfüllung einer Steuerpflicht erforderlich ist.

(Modul 10*:) Beschränkungen bei Monopolen auf immaterielle Güter

Wir PIRATEN streben eine Revision des TRIPS-Abkommens an, durch die Monopole auf immaterielle Güter beschränkt werden sollen. Wir werden uns für solche Beschränkungen bei allen Handelsabkommen einsetzen, die vergleichbare oder sogar weitergehende Regelungen zu Patenten und Urheberrechten enthalten.

(Modul 11*:) Förderung von Gemeingütern ("Commons")

Wir PIRATEN wollen darauf hinwirken, dass Bestimmungen in Handelsabkommen aufgenommen werden, die den Einsatz und die Entwicklung von offenen Formaten und Freier Libre Open Source Software (FLOSS) unterstützen und die die gegenseitige Anerkennung von neuartigen Lizenzmodellen, wie z.B. Creative Commons, fördern.

(Modul 12*:) Achtung der Selbstbestimmung und der Privatsphäre

Wir PIRATEN betrachten das Recht auf Privatsphäre und Selbstbestimmung der Menschen als eine Selbstverständlichkeit. Daher muss es auch im Zusammenhang mit Handelsabkommen respektiert und gefördert werden.

Da diese Grundsätze für alle Menschen gelten, muss die EU sicher stellen, dass sie auch von ihren Handelspartnern nicht gebrochen werden dürfen.


(*Sind bereits im Gemeinsamen Europawahlprogramm (CEEP) wortgleich enthalten.)

Antragsbegründung

Der Antrag wurde aus den Anträgen 042 und 044 zur InigEUWP von Karl Schäfer und Ralf Pichler entwickelt, ergänzt und abgeändert. Er wurde in englischer Sprache auch als Teil des deutschen Vorschlags für ein Gemeinsames Wahlprogramm aller europäischer Piratenparteien eingereicht und zu großen Teilen auch Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Wahlprogramms. Für Bochum wurde er noch um drei weitere Punkte erweitert, die Bezug nehmen auf Regelungen in neueren Handelsabkommen, wie z.B. TAFTA/TTIP.

Die Außenhandelspolitik ist ausschließlich auf EU-Ebene angesiedelt, weswegen es sich hierbei um einen Punkt handelt, der in einem EU-Wahlprogramm nicht vernachlässigt werden sollte.

Leider hat derzeit das Parlament, wie auch in allen anderen Bereichen nicht die Rechte, die ihm in einer Demokratie als Volksvertretung zustehen sollten. Hier muss das Parlament lediglich konsultiert werden und ist von den Verhandlungen ausgeschlossen, nachdem es das Verhandlungsmandat, das regelmäßig sehr vage gehalten ist, erteilt hat. Dies muss sich ändern. Auch wenn dies nicht allein aus dem EU-Parlament heraus geschehen kann, sollte unser Ziel, dem EU-Parlament hier mehr Kompetenzen einzuräumen doch deutlich herausgestellt werden.

Bisher agiert die Kommission hier allein und intransparent, wobei Lobbyisten häufig Zugang gewährt wird, Bürgern und Bürgerrechtsorganisationen aber nicht. Als Beispiel sei hier nur ACTA zu nennen. Zudem dienen die Freihandelabkommen derzeit vornehmlich den Interessen der großen Konzerne, da nur diese von den neuen Zugangsmöglichkeiten im Welthandel großzügig Gebrauch machen können. Diese Abkommen sehen weder soziale (wie z.B. von der ILO ausgearbeitete) noch ökologische Mindeststandards vor, so dass hierdurch das Wohl der großen Mehrheit der Bevölkerungen und der Natur durch Ausbeutung gefährdet sind. Besonders hierunter zu leiden haben Entwicklungsländer, aber auch Sozialstaaten wie Deutschland geraten hierdurch unter Druck.

Ziel von (Frei-) Handelsabkommen ist es den Zugang zu den Märkten aller Vertragsstaaten weiter zu öffnen und Investitionen anzuregen. Hier muss verhindert werden, dass durch Regelungen in Handelsabkommen an der Bevölkerung vorbei öffentliche Güter und Dienstleistungen (z.B. Wasser, Energie, Militär) für private Investoren und ausländische Firmen geöffnet und damit privatisiert werden. Dies darf nur aufgrund entsprechender Ergebnisse von Volksabstimmungen passieren.

In Investitionsschutzabkommen werden zudem häufig Schiedsklauseln aufgenommen, die eine Entscheidung über die Haftung von Staaten für ihre eigene Gesetzgebung einer solchen außerstaatlichen Gerichtsbarkeit unterwerfen, die von großen Anwaltsfirmen, die regelmäßig dieselben Firmen auch als Anwälte vertreten dominiert wird. Diese Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und können hohe Schadensersatzsummen zusprechen, die die Parlamente daran hindern können politisch gewünschte Regelungen zu erlassen. Ihren eigentlichen Zweck, Firmen vor Enteignungen zu schützen, erfüllen sie schon lange nicht mehr, sondern sind Einfallstor zur Verhinderung höherer Umwelt- und Gesundheitsschutzstandards (z.B. bei einer Klage von Vattenfall gegen höhere Immissionsschutzanforderungen bei Kohlekraftwerken in Hamburg). Auch zum Schutz immaterieller Güter, wie z.B. von Marken (z.B. nach Kennzeichnungsverbot von Zigarettenschachteln in Australien), wurden solche Verfahren schon missbraucht.

Abgesehen von solchen indirekten Verfahren zur Verhinderung von höheren Schutzstandards werden Handelsabkommen auch dazu missbraucht, diese in von der Zivilgesellschaft hart erkämpften Bereichen, wie z.B. im Bereich der Lebensmittelsicherheit, beim Tierschutz, Verbraucherschutz und Datenschutz., am Parlament vorbei und nur schwer abänderbar zu senken. Das kann dann dazu führen, dass Chlorhühnchen oder genmais in Deutschland verkauft werden dürfen.

Um Investoren auch auf den Finanzmärkten besser vor den Parlamenten, also dem Volk, zu schützen, werden auch Regelungen erwogen, die Investoren garantieren, dass sie jederzeit, auch in Krisenzeiten, ihr Kapital aus einem Land abziehen können. So können sie sich auch Steuerpflichten entziehen. Zudem soll eine Regulierung der Finanzmärkte, z.B. durch eine Finanztransaktionssteuer oder ein Verbot von Spekulation auf Grundnahrungsmittel, mittels Festlegung in Handelsabkommen verhindert werden.

Bestandteil solcher Abkommen sind auch immer Regelungen zu Patenten, Urheberrechten und anderen immateriellen Gütern. Diese Regelungen werden mit Abschluss eines Handelsabkommens für alle EU-Staaten verbindliches Recht. Da diese im Paket beschlossen wurden und für eine Änderung immer die Zustimmung aller Vertragsparteien erforderlich ist, ist eine spätere Änderung einzelner Regelungen nur schwer möglich, so dass hier auch die Parlamente machtlos sind. Vielfach werden dort Regelungen zu Immaterialgütern getroffen, die sogar noch über die Regelungen in speziellen Abkommen hierzu, wie dem TRIPS hinausgehen und die Schutzstandards ausweiten. Wenn wir Patentrecht und Urheberrecht also nachhaltig ändern möchten, müssen wir insbesondere hier ansetzen und solche Regelungen in Handelsabkommen verhindern.

Um die Einhaltung solcher Schutzstandards sicherzustellen, enthalten Handelsabkommen oft auch Regelung zu deren Überwachung, die in die Grundrechte der Menschen eingreifen, z.B. durch invasive Durchsuchungsmaßnahmen bei Grenzübertritten. Solche Eingriffe gilt es zu verhindern, insbesondere da sie ohne jede parlamentarische Mitbestimmung zustande kommen und oft unverhältnismäßig sind.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


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