AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaUngleichverteilung3
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Vorbemerkung: Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel. |
Inhaltsverzeichnis
Ungleichverteilung der Vermögen
Einleitung
Die Verteilung des Vermögens hat einen ganz wesentlichen Effekt auf die Verteilung des Einkommens in der Bevölkerung und auf die Macht im Staat. Man vermutet ja oft, dass diese Verteilung in den Ländern der Dritten Welt höchst unausgeglichen ist, aber in den entwickelten Länder moderater wäre.
Das ist zwar qualitativ richtig, aber das Maß an Ungleichverteilung ist dennoch überraschend hoch und seit Jahren zunehmend.
Es ist erstaulicherweise nicht einfach, hierzu aktuelle und verlässliche Daten zu finden, obwohl grade die moderierte Verteilung der Einkommen und der Vermögen doch im Fokus des Sozialstaates stehen sollte. Man findet einiges zu den Einkommen, wenig zu den Vermögen, wenn, dann nur netto (nach Abzug der Schulden), und das bedeutende Perzentil der oberen 1% bis 5% wird regelmäßig ausgeblendet.
Warum das so ist, darüber kann man spekulieren; die offizielle Begründung ist oft, dass die Daten in diesem Bereich mangels Masse nicht so verlässlich sind. Das mag ein valider Grund sein...
Anbei eine Begründung, die mir naheliegender scheint: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-11/armutsbericht-bundesregierung-aenderungen
„Die Bundesregierung hat nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung kritische Passagen zum Auseinanderdriften der Einkommen aus dem Entwurf ihres Armutsberichts gestrichen. Während in einer ersten Fassung des Arbeitsministeriums noch die Formulierung "die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt" aufzufinden war, fehlt die Passage in dem überarbeiteten Entwurf vom 21. November.
Auch Aussagen zur Lohnentwicklung wurden offenbar gestrichen. Getilgt wurde etwa diese Passage: "Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken. Die Einkommensspreizung hat zugenommen." Diese verletze "das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung" und könne "den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden".
Die Süddeutsche Zeitung zitiert den FDP-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der Bericht habe nicht "der Meinung der Bundesregierung" entsprochen. Ein Ministeriumssprecher sagte, es habe bei der Ressortabstimmung Veränderungswünsche gegeben. Dies sei "ein ganz normaler Vorgang".“
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So kann man es auch ausdrücken.
Daten
Die nachfolgenden Darstellungen wurden aus Daten des Statistischen Bundesamtes und der Bundesbank abgeleitet. Leider sind sie nicht direkt in Beziehung zu setzen, weil sie aus verschiedenen Jahren stammen und die Daten anders konsolidiert wurden; ich habe dennoch den Versuch unternommen, sie halbwegs vergleichbar aufzuarbeiten.
Bruttogeldvermögen
Die Daten stammen aus dem Jahr 1998 aus folgender Studie: Einkommens- und Geldvermögensverteilung privater Haushalte in Deutschland
Ausgehend von der dort genannten Verteilung, sind die Zahlen auf die Verhältnisse in 2011 umgerechnet worden. Die relevanten Daten sind hier zusammengefasst worden:
- Die obersten 10% besitzen also rund die Hälfte des Bruttogeldvermögens
- Die obersten 20% besitzen rund zwei Drittel
- die "untersten" 50% so gut wie nichts
Aktien machen insgesamt nur 9% des gesamten Geldvermögens aus; man macht wohl keinen großen Fehler, wenn man annimmt, dass sie im wesentlichen von den oberen 3 Dezilen gehalten werden.
Siehe hier: DAI-Kurzstudie 1 / 2000
„Die Zahl der Aktienbesitzer in der Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 1999 weiter zugenommen. Im Jahresdurchschnitt besaßen 5,005 Millionen Einwohner Aktien; dies entspricht einem Anteil von 7,8 Prozent der über 14-Jährigen. Die Besitzer von Aktienfonds einbezogen, verfügten sogar 8,2 Millionen Anleger direkt oder indirekt über Aktien; dies entspricht einem Anteil von 12,9 Prozent an der Bevölkerung.“
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Immobilienvermögen
Die nachfolgenden Daten stammen aus der Studie der Bundesbank Das PHF: eine Erhebung zu Vermögen und Finanzen privater Haushalte in Deutschland von Januar 2012. Leider sind sie nicht nach Dezilen sortiert, sondern nach Einkommensklassen, allerdings wird ihr Anteil an den Haushalten angegeben.
Vergleich
In der nachfolgenden Darstellung ist die Aufteilung des Immobilienvermögens und des Geldvermögens gezeigt - und zwar von jenen, die tatsächlich Werte in der jeweiligen Vermögenklasse besitzen.
Die Verteilung sieht relativ ähnlich aus; allerdings berücksichtigt diese Darstellung nicht, dass zwar fast jeder (Brutto-)Geldvermögen hat, aber die Mehrheit gar keinen Immobilienbesitz; berücksichtigt man dies, ändert sich das Erscheinungsbild drastisch.
Wie man sieht, ist das Immobilienvermögen viel stärker konzentriert als das Geldvermögen.
Empirische Bestätigung
Im Juni 2013 hat die Bundesbank eine Studie zu den Vermögen und Finanzen privater Haushalte in Deutschland veröffentlicht, die die obigen Zusammenhänge bestätigen.
„In dem Aufsatz zu den Ergebnissen der PHF-Studie konnte nur eine kleine Auswahl von Kennzahlen zur finanziellen Lage der deutschen Haushalte präsentiert werden. Im folgenden Anhang werden weitere Tabellen zu den angesprochenen Themenbereichen zur Verfügung gestellt. Diese zeigen jeweils den Anteil der Haushalte, die einen Vermögensgegenstand besitzen oder verschuldet sind (Prävalenzraten), den bedingten Mittelwert und den bedingten Median. Ist keine Prävalenzrate angegeben, so liegt diese bei 100%, und die Mittelwerte und Mediane beziehen sich auf alle Haushalte. Diese drei Kennzahlen werden sowohl insgesamt als auch jeweils aufgegliedert nach dem Alter, der Nationalität, der sozialen Stellung, der schulischen sowie der beruflichen Bildung der Referenzperson, dem Haushaltstyp, der Region, in der ein Haushalt lebt, und dessen Wohnsituation dargestellt. Zusätzlich werden die Haushalte noch nach ihrer Position in der Nettovermögens- beziehungsweise Bruttoeinkommensverteilung unterschieden." “
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Betrachten wir uns also die obersten 5% (dieser Studie, natürlich - mal wieder - nicht die wirklich reichen...):
Bruttovermögen: 1.226.480 € x 100% = 1.226.480 €
Verschuldung: -141.290 € x 49% = -69.232 €
Nettovermögen: 1.157.248 € x 100% = 1.157.248 €
Gegenprobe: 1.226.480 € - 69.232 € = 1.157.248 €, OK
Damit können wir uns auch die Struktur anschauen.
Bruttorealvermögen: 1.023.950 €
Bruttofinanzvermögen: 202.530 €
Schulden: -69.232€
Nettofinanzvermögen: 133.298 €
Gegenprobe: 1.023.950 € + 133.298 € = 1.157.248€, OK
In der Studie wurden 3.656 Haushalte befragt, das Bruttovermögen betrug im Schnitt 222.220 € also insgesamt 812 Mio.€, davon sind im Schnitt 174.624 € Realvermögen und 47.496 € Finanzvermögen, also ca. 21%
Das Finanzvermögen macht also ca. 171 Mio.€ aus, davon besitzen die obersten 5% ca.37 Mio.€, also 21%, das Realvermögen beträgt 641 Mio.€, davon besitzen die oberste. 5% 187 Mio.€, also ca. 26%
Aus der Studie:
„So macht das Brutto-Realvermögen fast 80% des gesamten Vermögens aus, allerdings halten sich Real- und Finanzvermögen im Portfolio eines mittleren Haushalts etwa die Waage; mit anderen Worten, das Realvermögen ist stark bei den reicheren Haushalten konzentriert. ... Noch konzentrierter ist das Betriebsvermögen. Nur 10% der befragten Haushalte gaben an, dass sie über Betriebsvermögen verfügen, und ein Unternehmerhaushalt in der Mitte der Verteilung besitzt lediglich etwa 20 000 € an solchem Vermögen. Dagegen liegt der Mittelwert bei über 330 000 €. Insofern diese Anlageformen überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften, trägt dies selbst wieder zur Verfestigung der Vermögensverteilung bei. ... Beim Finanzvermögen dominieren Spar- und Sichtguthaben. Diese sind nicht nur die am weitesten verbreiteten Vermögensgegenstände, sondern machen auch fast die Hälfte des gesamten Finanzvermögens (44%) aus. Die andere Hälfte des Finanzvermögens teilt sich etwa gleich auf Wertpapiere (23% des gesamten Finanzvermögens) beziehungsweise private Rentenversicherungen und kapitalbildende Lebensversicherungen (27% des gesamten Finanzvermögens) auf. ... Bei den Wertpapieren sind vor allem Fondsanteile beliebte Anlageformen der Haushalte. Gut 17% der Haushalte legen Geld in dieser Form an. Direkt in Aktien haben dagegen nur 11% der Haushalte investiert, Schuldverschreibungen halten 5% der Haushalte. Für Aktien und Schuldverschreibungen zeigt sich also eine starke Konzentration, ähnlich wie für das Betriebsvermögen.“
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Die obersten 5% dominieren also beides - und die wirklich reichen sind wie gesagt noch gar nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für das Betriebsvermögen, das sich selbstredend auch am oberen Ende konzentriert.
High Net Worth Individuals
Neben den offiziellen Statistiken, die bewusst darauf verzichten, das obere Dezil genauer zu betrachten, gibt es auch Untersuchungen der Geschäftsbanken, die natürlich großes Interesse an ihren "relevanten" Kunden haben. Die Banken wissen, dass ein HNWI für sie interessanter ist als eine ganze Kleinstadt von Kleinsparern. Dankeswerterweise stellen sie diese Daten zur Verfügung, so dass man die offiziellen Zahlen ergänzen kann.
Darüber hinaus gibt es noch die Ultra High Net Worth Individuals mit einem Nettovermögen über 100 Mio.€
Es gibt in Deutschland lediglich 920.000 Personen mit einem Nettovermögen (Geldvermögen + Sachvermögen - Schulden) von mehr als 1 Mio. €
davon wiederum haben
- ca. 2.700 Personen zwischen 40 Mio. € und 80 Mio. €
- ca. 1.300 Personen zwischen 80 Mio. € und 400 Mio.€
- ca. 100 Personen zwischen 400 Mio. € und 800 Mio. €
- ca. 50 Personen zwischen 800 Mio. € und 20 Mrd. €
Quellen:
- Global Wealth Report 2011 (Credit Suisse)
- Einkommensverteilung (DIW)
- Billionaires in Germany (Forbes)
Wenn ich jetzt also mal grob ansetze, dass der Mittelwerk in jeder Klasse bei ca. 30% des arithmetischen Mittels der Klasse liegt (um der exponentiellen Verteilung Rechnung zu tragen), dann komme ich auf folgenden Wert:
- 1 Mio. € - 40 Mio. € : 923.000 x 0,3 x (40+1) Mio. € : 2 = 5,6 Bio. €
- 40 Mio. € - 80 Mio. € : 2.700 x 0,3 x (40+80) Mio. € : 2 = 48,6 Mrd. €
- 80 Mio. € - 400 Mio. € : 1.300 x 0,3 x (80+400) Mio. € : 2 = 93,6 Mrd. €
- 400 Mio. € - 800 Mio. € : 100 x 0,3 x (400+800) Mio. € : 2 = 18 Mrd. €
- 800 Mio. € - 20 Mrd. € : 193 Mrd. € (handaddiert)
Man kommt also ohne weiteres auf ca. 6,0 Bio. € Vermögen in der Hand von ca. 1% der Bevölkerung.
Führt man auf dieser Grundlage das obere Perzentil in die Graphik ein, ergibt sich nachfolgendes Bild.
Ich denke, dass diese Daten nicht publiziert werden, weil sie nicht "der Meinung der Bundesregierung" entsprechen.
FAZIT
Bezogen auf die jeweilige Vermögensart besitzen In Deutschland die obersten 30%
- 80% der Bruttogeldvermögens
- 85% des Immobilienvermögens
Man muss sich fragen, ob vor dem Hintergrund einer solchen Vermögenskonzentration in einem Land tatsächlich wirtschaftliche und politische Chancengleichheit - oder gar ein "freier" Markt - überhaupt möglich ist.
Da das Vermögen stark mit dem Einkommen korreliert, ist nur zu offensichtlich, dass die Gruppe der Vermögenden Sparmöglichkeiten hat, die ihr Vermögen permanent weiter anwachsen lässt, während die Lohnempfänger hierzu keine nennenswerte Chance haben. Dies hängt ganz maßgeblich mit den Vermögenseinkommen zusammen, die natürlich nur jenen zufliessen, die bereits Vermögen haben.
Angesichts dieser starken Konzentration ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Vermögenskonzentration automatisch immer weiter zunehmen muss, welches sich auch empirisch feststellen lässt: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-09/armuts-und-reichtumsbericht-2012
„Das Nettovermögen der Privathaushalte habe sich in den letzten 20 Jahren von 4,6 auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt. Allein in den letzten fünf Jahren zeigt sich ein Anstieg von 1,4 Billionen. Der Reichtum ist jedoch überaus ungleich verteilt: So besitzen "die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens". Ihr Anteil sei in den Jahren immer weiter gestiegen. Allein von 1998 bis 2008 ist ein Anstieg von acht Prozent festzustellen. Anders bei der unteren Bevölkerungshälfte: Sie besitzt nur ein Prozent des gesamten Nettovermögens.“
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Es ist kaum anzunehmen, dass sich dieser Prozess ohne ein entschlossenes Einwirken des Staates aufhalten lässt. Zielführend wäre meiner Ansicht eine Geldvermögenssteuer, weil sie direkt am Kern des Problemes ansetzt.
Fraglich ist, ab welchem Punkt die mit der Vermögenskonzentration einhergehende Machtkonzentration demokratiegefährdend wird.
Quellen
JEDER, der weitere Daten beizutragen hat, möge sie bitte hinzufügen.
Vielen Dank,
Fakten
- Vermögensbilanzen (Destatis)
- Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung (Bundesbank)
- Fakten zur Vermögensverteilung (Sachverständigenrat)
- World Wealth Report 2011 (Cap Gemini)
- World Wealth Report 2012 (Cap Gemini)
- Global Wealth Report 2011 (Credit Suisse)
- Global Wealth Report 2012 (Credit Suisse)
- Billionaires in Germany (Forbes)
- Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung Wikipedia-Artikel
- Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung 2010 - Die Verteilung der Vermögen in Deutschland - Empirische Analysen für Personen und Haushalte
Beiträge von Querschuesse.de
- Wohlstand der Nationen in der Krise (querschuesse.de)
- Der unsichtbare Teil der Vermögensschere (querschuesse.de)
- Einkommenskonzentration in den USA, UK und D (querschuesse.de)
- Die Welt der Einkommenskonzentration (querschuesse.de)
- Wer sind die top 1% der Einkommenspyramide (querschuesse.de)
- Entwicklung und Begründung des drastischen Anstiegs der Einkommen im US Finanzsektor (querschuesse.de)
- Das brüchige Fundament (querschuesse.de)
Zur (Geld-)Vermögenssteuer
- Asset distribution, Inequality and Growth (Worldbank)
- Definition des Geldvermögens (Bundesbank)
- BVerfG-Urteil zur Vermögenssteuer (BVerfG)
Presse
- Soziale Kluft in Deutschland (Zeit)