2007-06-07 - Pressemitteilung zu den Überwachungsforderungen der Bundesratsausschüsse
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Pressemitteilung | |
Thema: | Überwachungsforderungen der Bundesratsausschüsse |
Ersteller: | ? |
Status: | versendet |
Verantwortlicher Redakteur: | ? |
geprüft durch diese Lektoren: | ? |
Gliederung: | Bund |
verschickt am | 07.06.2007 |
Faktengrundlage
Ich schlage vor neben dem polemischen Teil auch die konkreten Forderungen der Ausschüsse auseinander zu nehmen (auch wenn das langatmig wird). Anders als durch Kompetenz wird es schwer für uns in dieser Sache Gehör zu finden. Also bieten wir berichtenden Journalisten klare Fakten zum ganzen geforderten Gruselkabinett. In Zukunft kann dies auch als Quelle für Copy&Paste dienen. --Jan Huwald 20:25, 31. Mai 2007 (CEST)
Quellen
- Empfehlung der Bundesratsausschüsse (53 Seiten) (auf Heise war nur folgender 3-seitiger Ausschnitt verlinkt)
- Newsmeldung von Heise
- Informationen zur Vorratsdatenspeicherung (inkl. Historie)
Pressemitteilung
Einleitung
In der Drucksache vom 27.5. haben mehrere Ausschüsse des Bundesrates ihre Forderungen an die TKG-Novelle gestellt. Diese soll der Bundesrat am Freitag, 8.6. beschließen. Den Forderungen fehlt dabei das Verständnis eines freiheitlichen Rechtsstaates in mehreren Dimensionen. Die Piratenpartei Deutschland hat sie im Einzelnen analysiert.
Die Ausweitung der Überwachung, unter anderem durch Vorratsdatenspeicherung, wird durch die Piratenpartei bereits seit ihrer Gründung vehement abgelehnt. Für weitere Information dazu verweisen wir auf vergangene Pressemitteilungen und auf die Seiten des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. In der vorliegenden Pressemitteilung möchten wir ausschließlich die Fakten - die Empfehlungen der Bundesratsgremien - sprechen lassen. Sollte ihnen die Verfassungsfeindlichkeit und Unmäßigkeit der Forderungen nicht deutlich genug bzw. zu wenig begründet sein, oder sollten sie weitere Statements der PIRATEN benötigen, so stehen unsere Pressesprecher zur Verfügung.
Jan Huwald, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland: "Wenn der Bundesrat die Vorlage der Ausschüsse beschließt, demonstriert er, dass in Zeiten einer Großen Koalition die föderale Trennung der Legislative nicht dem Volke, sondern allein der Salamitaktik (Scheibchen für Scheibchen) und Verantwortungsdiffusion der regierenden Parteien zu Gute kommt. Durch das Anheizen des Rüstungswettlaufes in die Überwachungsgesellschaft, stellen die Pläne der Großen Koalition aktuell die größte Triebfeder der Selbstradikalisierung unbescholtener Bürger dar, deren Bekämpfung sie vorgeben. Ohne diesen Wahnsinn in der Regierung hätten sich die PIRATEN nie gegründet."
Stellungnahme bezüglich einiger Einzelforderungen
Verdoppelung der Speicherfristen auf 12 Monate
Konkret gefordert wird, dass alle zu erhebenden Daten für 12 Monate vorgehalten werden. Das durch die EU-Richtlinie geforderte Minimum beträgt nur 6 Monate. Gegenwärtig ist die Speicherung in Deutschland aufgrund geltender Datenschutzbestimmungen sogar illegal. Durch die Bundesregierung wurde zuvor beteuert keinesfalls mehr als die Mindestspeicherfrist zu implementieren. Hier wird die Taktik der gezielten Verantwortungsdiffusion besonders deutlich: die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kam auf Initiative der Bundesregierung zu Stande. Diese sah sich im Anschluss außer Stande, den EU-Entwurf abzuweisen und schlug scheinheilig die minimale Speicherdauer vor. Die Möglichkeit, auf die anhängige Klage gegen die Richtlinie vor dem europäischen Gerichtshof zu warten, wurde dabei gezielt übergangen. Die Vorlage der Bundestagsausschüsse wird die Bundesregierung dankend annehmen, um sich mit fremder Verantwortung den vorher gegebenen politischen Versprechen zu entledigen.
Vollständige Speicherung der Mitschnitte aus dem Intimbereich
In der vorliegenden Empfehlung wird argumentiert, dass mit der bestehenden Überwachungsinfrastruktur eine Löschung von jenen Teilen, des durch Überwachung aufgenommenen Materials, welches die Intimsphäre betrifft, nicht möglich sei. Die Doppelmoral hinter dieser Aussage, sowie Grundgesetzferne ihrer Intention ist schwer zu überbieten:
- Durch das Bundesverfassungsgericht wurde bereits die Aufnahme von Material aus der Intimsphäre explizit verboten. Gemäß Empfehlung soll aber sogar die dauerhafte Speicherung erlaubt sein.
- Die TKG-Novelle erzwingt millionenschwere Investitionen privater Unternehmen in Überwachungstechnik, ohne diese Hilfssheriffstätigkeit zu entschädigen. Gleichzeitig soll aber aus Kostengründen ein hochgradig verfassungswidriges, staatliches Spitzelsystem aufgebaut werden, obwohl es mit im Vergleich dazu geringen zusätzlichen Investitionen möglich wäre wenigstens den Anschein von Datenschutz zu implementieren.
- Die Verneinung der technischen Machbarkeit einer teilweisen Löschung ist eine dreiste Lüge, oder der Beweis umfassender technischer Inkompetenz. Sachverständige der Piratenpartei, hierunter Ingenieure, Informatiker und Physiker, haben dies einstimmig festgestellt. Und stehen für Rückfragen diesbezüglich zur Verfügung.
Ausweitung des Zugriffs
Es wird nun Zugriff auch bei Verstößen gegen "Vereinsgesetz, dem Grundstoffüberwachungsgesetz, zusätzlichen Sexualvergehen oder schweren Diebstahls" gefordert. Diese Salamitaktik (Scheibchen für Scheibchen) wurde schon im Vorfeld von Kritikern der EU-Richtlinie als starkes Gegenargument aufgeführt. Die Piratenpartei lehnt aus eben diesem Grunde große Datensammlungen prinzipiell ab, da vorhandene Daten immer ausufernde Begehrlichkeiten hervorrufen, so dass die strengen Auflagen bei der Einführung solcher Datensammlungen letztlich nicht mehr gegeben sind. Und die Prämisse der Datensammlung in diesem Fall eigentlich als nicht mehr gegeben zu betrachten wäre.
Im aktuellen Entwurf zählen für den Bundesrat Vergehen gegen das Vereinsgesetz zu den besonders schweren Straftaten, die laut Grundgesetz Artikel 13 erst einen Eingriff in die Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigen können.
Führt man die Forderungen in die nächste Runde fort, so nähert man sich schnell der immer dementierten Totalüberwachung an. Im Falle eines Auskunftsanspruchs Aufgrund von Ordnungswidrigkeiten (Urheberrechtsdelikten bzw. Unterlizensierung) seitens der Privatwirtschaft, welche ebendieses ohne Richtervorbehalt fordert, wäre eine Verhältnismäßigkeit, die in den Augen der PIRATEN niemals bestand, vollends pervertiert.
Verbot pseudonymer Nutzung
Es wird gefordert, alle Prepaiddienste mit einer Registrierungspflicht zu belegen. Dazu muss beim Verkauf Ausweis oder Pass vorliegen - eine Kopie reicht nicht aus. Der Verkäufer muss vom Ausweisdokument selbst eine Kopie anfertigen und diese aufbewahren. Dies kommt einem Verbot anonymer und pseudonymer Nutzung kostenpflichtiger Dienste gleich, denn für alle anderen Nutztungsformen ist eine Authentifikation durch den Zahlungsweg bereits zwingend notwendig. Die unregistrierte Nutzung ist aber im Rahmen der informationellen Selbstbestimmung im Grundgesetz verankert. Wer auf seine Privatsphäre bedacht ist, wird so wohl oder übel auf die florierenden Schwarzmärkte zurückgreifen müssen.
Einführung der Onlinedurchsuchung
Die Ausschüsse des Bundesrates fordern die Einführung der bereits illegal durchgeführten "Onlinedurchung". Als notwendige Schranke des Einsatzes verlangen sie lediglich, dass der Zugriff auf den, oder die Ortsfeststellung des Verdächtigen "aussichtslos oder wesentlich erschwert" ist. Diese Bedingung trifft, sobald die Onlinedurchsuchung überhaupt möglich ist, praktisch immer zu. Sie greift derart tief in die unmittelbare und vergangene Privatsphäre des Überwachungsopfers ein, dass eine Ermittelungserleichterung immer erwartet werden kann. Das Problem, dass zu lange oder die falsche Personen observiert werden fließt in diese Überlegung genauso wenig ein, wie die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Sie ist außerdem nicht auf den Verdächtigen selbst beschränkt, sondern auch auf dessen soziale Peripherie anwendbar. Als besonderes Schmankerl lässt die Empfehlung technische Details des "Bundestrojaners" explizit offen. Damit bleiben wichtige Aspekte der Computersicherheit unbeteiligter Nutzer, forensische Anforderungen und die eigentliche Tiefe des Eingriffs ungeklärt.
Ausdehnung des Überwachungsbereiches
Gemäß dem Vorschlag muss Abhörhardware bereits ab 1.000 Teilnehmern statt 10.000 (Bundesregierung) angeschafft werden. Dabei ist der Teilnehmerbegriff nicht scharf definiert und es ist z.B. bei einem Chat-System nicht klar, ob diese Vorschrift gilt sobald mehr als 1.000 Teilnehmer dort registriert sind oder ob diese erst gilt, wenn mehr als 1.000 Nutzer gleichzeitig online sind.
Das Betreiben von offenen Diensten, wie z.B. Anonymisierungsservern, wird dadurch völlig ad Absurdum geführt, da dort die Teilnehmerzahl nicht sicher zu bestimmen ist. Ebenfalls ist fraglich, ob jedes Internetforum mit mehr als 1.000 Nutzern unter diese Auflagen fällt. Die Konsequenzen für den freien Meinungsaustausch wären in den Augen der Piratenpartei in diesem Falle katastrophal.
Es bleibt bei Beurteilung der Wirksamkeit dieser Methode ferner der Hinweis, dass sie nur inländische Betreiber von Telekommunikationsdiensten betrifft. Bereits heute verlagern viele IT-Unternehmen ihren Firmensitz aus Deutschland in IT-freundlichere Staaten. Das Erhöhen der Vorschriftenlast wird dieser Abwanderung nur zusätzlichen Antrieb geben und den Hightech-Standort Deutschland nachhaltig schädigen.
Mehrfache Abschwächung des Richtervorbehalts
Zum einen fordert die Empfehlung das Streichen eines höherinstanzlichen Richtervorbehalts bei Überwachungsmaßnahmen deren Dauer sechs Monate übersteigt. Damit reicht ein einziger Richtervorbehalt um die Maßnahme auf beliebige Dauer auszudehnen. Im Zuge dessen können auch umfangreiche Maßnahmen gezielt an überwachugsfreundliche Richter delegiert werden. Eine weitere Kontrolle ist nicht möglich.
Zum anderen wird die Berichtspflicht umfassend eingeschränkt. Nach Abschluss einer Maßnahme hätte nach bisherigem Entwurf ein Bericht an den bewilligenden Richter abgefasst werden müssen. Dieser hätte darauf hin die Effektivität und Grundrechtsfestigkeit der Maßnahme einschätzen können und in zukünftige Vorbehalte einfließen lassen. Gefordert wird aber die ersatzlose Streichung der Berichtspflicht. Doch ein solches soziales System ohne Feedback gerät automatisch außer Kontrolle: Ist Richtern das Wirken ihres Handelns nicht bewusst, können sie keine rationalen Entscheidungen treffen, da ihnen die Urteilsgrundlage genommen ist. Durch die Einschränkung der Berichtspflicht verwandelt sich die Überwachung zunehmend in eine geheimdienstähnliche Tätigkeit, bar jeder Rechenschaft.
Überwachungsnotdienst
Durch die Forderung, der ununterbrochenen Erreichbarkeit von Zuständigen für Überwachungsmaßnahmen in der Wirtschaft werden insbesondere kleine Firmen enorm belastet. Ein solcher Verantwortlicher ist ab einem Stamm von 1.000 Kunden nötig. Dienste dieser Größe (z.B. E-Mail- und Webspaceprovider) werden oft bereits von Ein-Mann-Firmen betrieben.
Da diese Pflicht wohl als Bereitschaftsdienst aufgefasst werden muss, welcher dann auch entsprechend bezahlt werden sollte, erzwingt diese Forderung so eine Kostenverdopplung in kleinen Unternehmen.
Die Vorschrift zum elektronischen Blockwart stellt nach Ansicht der PIRATEN ausschließlich eine "innovative" Arbeitsbeschaffungsmaßnahme dar. Allerdings werden für diese Tätigkeit wohl eher Fachkräfte, an denen es ohnehin mangelt, benötigt.
Verringerung der Mindestkundenzahl für strengere Überwachungspflicht
Vorgesehen war bisher, dass Hardwarelösungen zur geforderten Überwachung, ab einer Kundenzahl von 10.000 vorgeschrieben sind. Die Empfehlung fordert die Reduktion dieser Grenze auf 1.000 Kunden. Damit vervielfachen sich für kleine Anbieter die Kosten, der Markt wird zu Gunsten großer Unternehmen verzerrt. Die Anschaffung der Hardware kostet ca 40.000 €. Regionale Anbieter werden von dieser Regelung besonders schwer getroffen. Durch den unscharfen Begriff des Kunden, werden gemeinnützige und werbefinanzierte Angebote, mit Ausnahme einer Hand voll großer Firmen, gänzlich vom Markt verbannt.
Durch die Abwälzung der seit der TKÜV nochmals gestiegenen Überwachungskosten auf die Telekommunikationsunternehmen stiehlt sich der Staat dabei aus der Verantwortung, hoheitliche Aufgaben selbst finanziell zu tragen. Gleichzeitig wird so verhindert, dass die Bevölkerung, die diese Kosten letztlich trägt, die Gesamtkosten für ihre eigene Überwachung, wie dies im Fall eines Haushaltspostens der Fall wäre, erkennen kann.
Piratenpartei Deutschland
Bundespressesprecher
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Die Piratenpartei hebt sich von den traditionellen Parteien durch ihre Ansprüche an die Transparenz des politischen Prozesses ab. So kann jeder interessierte Bürger bundesweit an allen Angeboten und Diskussionen der politischen Arbeit im Internet (https://www.piratenpartei.de) und bei den regelmäßigen Stammtischen in seiner Region (https://wiki.piratenpartei.de/Treffen) teilnehmen. Damit ist gesichert, dass Interessen und Probleme der Wähler aufgenommen und vertreten werden können und nicht an ihren Bedürfnissen vorbeigeplant wird.
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