AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaDerWertdesHortens
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Vorbemerkung: Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel. |
Inhaltsverzeichnis
Der Wert des Hortens
Es wird immer wieder darüber debatiert, ob Sparen (verstanden als der Teil des Einkommens, der nicht für Konsum ausgegeben wird) vorteilhaft ist oder nicht. Darüber hinaus wird auch oft von "Horten" gesprochen, welches dem Wirtschaftskreislauf Zahlungsmittel entzieht und so die wirtschaftliche Aktivität behindert oder gar reduziert.
Vor diesem Hintergrund wird sowohl "Sparen" und insbesondere das "Horten" abgelehnt. Siehe auch: Sparen und Investitionen
Ich will im folgenden nachweisen, dass nicht nur Sparen sinnvoll sein kann, sondern auch das Horten bis zu einem gewissen Grade seine Berechtigung hat und daher (wie so oft) nicht richtig oder falsch ist, sondern eine Frage der Optimierung ist.
Sparen
Für das Sparen gibt es zahlreiche Definitionen, die einfachste (und grundlegenste) ist einfach, dass man weniger für Konsum ausgibt als man verdient und dieses "zurücklegt". Siehe auch: Sparen und Horten
Dies kann in realer Form erfolgen, indem man entweder in eine Realanlage investiert, die Einkommen bringt, bspw. ein Mietshaus, eine Windkraftanlage oder eine andere Produktionsstätte (und zwar direkt und nicht als Beteiligung in Form eines Wertpapiers) oder in einen Wertgegenstand, von dem man sich erhofft, dass er zumindest wertstabil bleibt, wenn nicht gar mit der Zeit wertvoller wird - also bspw. Gold, (selbstgenutzte) Immobilien oder Kunst. Auch besteht die Möglichkeit dafür immaterielle Vermögensgegenstände zu erwerben, also Namensrechte, Patente, usw.
Weiterhin kann das Ersparte auch in Geldvermögen verwandelt werden, indem man die Zahlungsmittel (Bargeld oder Sichteinlagen) in Spareinlagen verwandelt oder damit Wertpapiere jeglicher Art (Anleihen, Aktien, Zertifikate, etc.) erwirbt - letztlich also die Überführung einer Geldvermögensform in eine andere.
In all diesen Fällen, in denen das Geld angelegt wird, um daraus zukünftige Erträge zu erzielen - sei es kontunierlich oder einmalig - spricht man gemeinhin auch von "Investieren". So gesehen ist es naheliegend anzunehmen, dass sämtliche Ersparnisse letztlich Investitionen sind.
Horten
Strittig ist, wie es zu beurteilen ist, wenn jemand statt dessen sein Geld einfach in Bar abhebt und unter die Matratze legt oder seine Zahlungsmittel schlicht nicht verwendet.
Im ersten Fall handelt es sich um klassisches Horten, also dem faktischen Entzug von Zahlungsmitteln aus dem Wirtschaftsverkehr, während man im zweiten Fall zumindest unterstellen kann, dass zwar das Individuum sein Geld nicht investiert, aber die Bank das ein seiner statt tut, so dass es sich nicht wirklich um Horten handelt.
Diese Vorstellung basiert auf der Annahme, dass Banken nur Geld verleihen, welches vorher eingezahlt wurde; diese Annahme ist aber falsch. Banken können auch ohne vorherige Einzahlung "investieren", de facto sind Einlagegeschäft und Kreditgeschäft zwei weitestgehend unabhängige Bereiche. Geld, das vom Eigentümer nicht verwendet wird, "liegt" - sei es unter der Matratze, sei es auf dem Bankkonto.
Nun wird unterstellt, dass Sparen hinnehmbar ist, weil es zumindest in irgendeiner Form mit Ausgaben verbunden ist - mithin also für den Empfänger ein Einkommen schafft - aber Horten an sich zu vermeiden ist. Ich denke aber, dass auch Horten bis zu einem gewissen Grade sinnvoll sein kann - und zwar sowohl privatwirtschaftlich als auch volkswirtschaftlich.
Horten als Realoption
Horten stellt in gewisser Weise eine Realoption dar; dies bedeutet, dass man Kosten hinnimmt, um zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage zu sein, eine Entscheidung treffen zu können.
Die Tatsache, diese Möglichkeit zu haben, stellt für sich allein genommen einen ökonomischen Wert dar, für den Menschen sogar bereit sind einen Preis zu zahlen - am bekanntesten sind die Optionen aus dem Wertpapierhandel. Eine Option bedeutet nämlich nichts anderes als sich eine Handlungsmöglichkeit (ein Recht) in der Zukunft zu sichern.
Optionen im Wertpapierhandel
Beispiel: Jemand besitzt Aktien und will sie in einem Jahr zu einem Preis von mindestens P verkaufen, allerdings kennt er die Zukunft nicht, noch hat er die Möglichkeit auf den Preis einzuwirken. Es gibt jedoch einen ganz einfachen Weg, dieses sicherzustellen - er muss einfach jemanden finden, der sich verpflichtet die Aktien in einem Jahr zum Preis von P zu kaufen.
Üblicherweise passiert nun folgendes:
Derjenige, der die Aktien verkaufen will, sichert sich also das Recht dieses tun zu dürfen, während der andere sich verpflichtet es zu tun. Das "Recht" impliziert aber, dass es eine Wahlmöglichkeit gibt, während eine "Pflicht" bedeutet, dass man es auf jeden Fall tun muss. Derjenige, der ein Recht bekommt, hat also einen Vorteil, während derjenige, der eine Pflicht auferlegt bekommt, einen Nachteil hat; ersterer hat die Initiative, letzterer muss folgen. Für dieses Recht muss man nun bezahlen; man kauft also eine Option und bezahlt dafür an denjenigen, der sich verpflichtet.
Es ist in gewisser Weise eine Wette: liegt der Aktienkurs am Stichtag unter P, wird der Käufer von seiner Option Gebrauch machen und einen Verlust vermeiden, liegt der Kurs darüber, wird er mit Gewinn verkaufen. Der Erwartungswert hat sich also erhöht - und diese Erhöhung ist der Preis für die Wette.
Beispiel: Jemand hat einen Geldüberschuss und will ihn für ein Jahr anlegen, allerdings will er keinen Verlust erleiden. Er kauft also Aktien zum Preis von P und will sich diesen Kurs in einem Jahr sichern. Er schätzt persönlich die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs niedriger liegt und er Verlust machen wird bei p ein, im erwarteten Mittel liegt der Verlust bei V, andernfalls erwartet er einen Gewinn von G. Der Erwartungswert E für das kommende Jahr ist also
E = p x V + (1-p) x G
Nun will er aber auf gar keinen Fall einen Verlust erleiden; also will er eine Option erwerben, nur wieviel ist die Wert?
Nunja, die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs höher als P liegt ist (1-p), der mittlere Gewinn G; sollte er mit einer Wahrscheinlichkeit von p darunter liegen, wird sein Verlust 0 betragen, denn dann darf er ja trotzdem zu P verkaufen. Der neue Erwartungswert ist also
E' = p x 0 + (1-p) x G
Zieht man nun beide Erwartungswerte voneinander ab, bleibt p x V übrig - und das ist der "Wert der Option"
Realoptionen
Was sind nun aber Realoptionen, im Gegensatz zu Optionen im Wertpapierhandel?
Nun, das sind Ausgaben, die man tätigt, oder Kosten, die man hinnimmt, um sich zu einem späteren Zeitpunkt eine Handlungsoption zu sichern.
Stellen wir uns vor, dass jemand ein Gebiet in den Bergen kauft, um dort eine Skianlage zu installieren. Die Sache ist nicht ohne Risiko, es kann gut oder schlecht laufen. Wenn es schlecht läuft, wäre es gut gewesen ein kleine Anlage gebaut zu haben; sollte es gut laufen, wäre es aber schön, die Anlage ausbauen zu können. Man muss aber davon ausgehen, dass in diesem Fall auch weitere Anleger auftauchen und sich Gebiete gesichert haben.
Eine Realoption wäre es also zum Beispiel, eine Skianlage zu bauen und sich darüber hinaus ein Gebiet zu sichern für den Fall, dass es gut läuft. Das ist natürlich mit zustätzlichen Kosten verbunden, allerdings sichert man sich damit die Möglichkeit später ein höheres Einkommen erzielen zu können als wenn man sich hinsichtlich der Größe seiner Skianlage festgelegt hätte; denn dann kann man die zusätzliche Nachfrage schlicht nicht bedienen. Man erhöht also den Erwartungswert und nimmt dafür Kosten (Kapitalbindung oder Pacht) hin.
Für das Individuum
Was hat das denn nun mit Horten zu tun?
Stellen wir uns vor, dass der Geldhalter nun zu einem beliebigen Zeitpunkt vor die Frage gestellt wird, ob er sein Geld konsumieren oder investieren soll. Je nach wirtschaftlicher Entwicklung kann das eine oder andere sinnvoller sein - man weiss es aber nicht.
Man könnte nun eine einsame Entscheidung treffen und hoffen, dass es die richtige war; alternativ kann man auch einfach sein Geld liegen lassen, welches möglicherweise mit einem Verlust an Rendite, ganz sicher aber mit einem Verlust von Gegenwartsnutzen verbunden ist (außer man findet allein schon die Tatsache toll, DASS man Geld hat - was es durchaus gibt), dafür hat man aber die Möglichkeit, vor dem Hintergrund einer verbesserten Informationslage diese Entscheidung später zu treffen.
Wie hoch diese Realoption zu bewerten ist, hängt von vielen Faktoren ab und kann a priori nicht bestimmt werden, da spielen sowohl objektive wie auch subjektive Kriterien eine Rolle, aber man kann qualitativ wohl sagen, DASS es - zumindest für das Individuum - einen gewissen Wert hat.
Für die Volkswirtschaft
Wie ist das ganze nun Volkswirtschaftlich zu beurteilen? Kann es sinnvoll sein, einen gewissen Geldbestand zu halten, ohne dass er konsumiert oder investiert wird?
Ich denke schon. Zum einen ergibt sich aus der Summation des individuellen Nutzens, dass es auch einen Gesamtnutzen gibt - auch wenn man ihn schwer quantifizieren kann - zum anderen gibt es auch auf übergeordneter Ebene einen volkswirtschaftlichen Nutzen, den ich "Reaktivität" einerseits und "Stabilität" andererseits nennen will.
Mit einem gewissen Geldbestand in privatwirtschaftlicher Hand kann das Wirtschaftssystem schneller auf Veränderungen reagieren, einfach, weil das Geld, welches benötigt wird, schon da ist und nicht erst geschöpft werden muss.
Geldschöpfung ist nämlich nur theoretisch ein augenblicklicher Vorgang, tatsächlich entsteht zusätzliches Geld immer aus einem Vertrag heraus, der erst ausgehandelt werden muss; teilweise ist es hierfür - ab einer gewissen Größenordnung - auch erforderlich den Rechtsrahmen zu ändern. Es wäre sicherlich von Nachteil, wenn ein neuer Geldbedarf immer erst festgestellt, der Höhe nach bestimmt, dann zwischen Vertragsparteien - die sich erst finden müssen - ausgehandelt und schliesslich verteilt werden müsste; einfacher ist es, wenn das Geld schlicht "da" ist.
Gleichzeitig, dient ein gewisser Geldbestand auch als Puffer. Der Bestand an Zahlungsmittel bildet für sich genommen ein Aggregat, das wachsen und schrumpfen kann, ohne dass es hierfür spezifischer Eingriffe bedürfte. Tatsächlich ist es so, dass oft der Aufbau und Abbau von Zahlungsmittelbeständen simultan abläuft, so dass in der Gesamtheit wenig passiert, obwohl es auf Mikroebene vielleicht eine hohe Aktivität gibt. Das Gesamtsystem ist deshalb also träger und damit stabiler als jeder einzelne Teilnehmer und dieses Wissen allein reduziert Aufwendungen für die Risikovorsorge (wie bspw. o.g. Optionen).
FAZIT
Auch wenn es schwerfällt, den Wert des Hortens bis ins letzte zu quantifizieren, ist hoffentlich klar geworden, dass ein gewisser Bestand an Zahlungsmittel sinnvoll ist, so dass man sich überlegen muss, ob man ihn auf jeden Fall minimieren sollte.
Es kann a priori nicht gesagt werden, dass "so wenig wie möglich" die optimale Lösung ist; insofern müssen alle Vorschläge, die dieses implizit oder explizit voraussetzen, zumindest hinterfragt werden.