AG Geldordnung und Finanzpolitik/Bankor

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Christoph Ulrich Mayer vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Der Keynes Bancor Plan - eine Lösung für heute?

Quellen:

  • J.M. Keynes: Proposals for an International Clearing Union (engl. Originaltext). In: K. Horsefeld (ed.): The International Monetary Fund 1945-1965. Washington 1969, S. 19-37.
  • John Maynard Keynes: Collected Writings, Vol. 25. Activities 1940–1944. Shaping the Post-war World: The Clearing Union. Cambridge 1980
* Deutsche Übersetzung von Keynes’ „Proposals for an International Clearing Union“ von Werner Liedke


Presse:


Wissenschaftliche Artikel:


ders. Vortrag auf dem "Macht Geld Sinn Kongress 2012"
* Text in: Maria Cristina Marcuzzo (Hrsg.): Speculation and Regulation in Commodity Markets: The Keynesian Approach in Theory and Practice. Rom 2010, S.225-242 (Volltext online)
* Vortrag auf der Jahreskonferenz des International Network for Economic Research 2014 (Video)
* Reuniting the monetary union: a proposal to counter the eurozone’s imbalances (2014)


ders.: Emerging Markets and the International Financial Architecture: A Blueprint for Reform. (Working Paper, 26 S.)
dies.: An Institutional Approach to Balancing International Monetary Relations: The Case for a US-China Settlement Facility. World Bank Policy Research Working Paper 5188, 2010
* In: Stijn Claessens, Simon Evenett and Bernard Hoekman (eds): Rebalancing the Global Economy: A Primer for Policymaking, London 2010

Bücher:

dies. (2013): Saving the Market from Capitalism.



Geschichte

Das Konzept wurde von John Maynard Keynes auf der Bretton Woods Konferenz 1944 vorgestellt. Keynes war Leiter der englischen Delegation, konnte sich aber gegen die amerikanische Position nicht durchsetzen. Statt dessen kam der White-Plan der US-Delegation zum Zuge, da die USA damals die wirtschaftlich stärkste Macht war. Ein System fester Wechselkurse mit Dollar als Leitwährung und Goldbindung (Anmerkung: Letztere wurde 1971 von Präsident Nixon aufgehoben und damit das "White/ Bretton Woods"-System faktisch aufgegeben).

Keynes zum Ergebnis von Bretton Woods: "Das ist kein Währungssystem mehr, sondern eine Kneipe, in der der Wirt seine Gäste verführt, mitzuhalten. Wer unangemessen nüchtern bleiben will, fliegt raus. Der beschwipste Wirt setzt ihn eigenhändig vor die Tür." Keynes verbürgte sich für die Umsetzbarkeit seines Planes "unabhängig von der jeweiligen Regierungsform und den Prinzipien der Wirtschaftspolitik der betreffenden Mitgliedstaaten".

Der Bancor-Plan war lange Zeit selbst bei Keynesianern weitgehend in Vergessenheit geraten. 1988 erfolgte die erste Übersetzung ins Deutsche durch den Ökonom Jan Kregel in der deutschen Ausgabe von 'Lettre Internacional' [1].



Eine übergreifende Parallelwährung

Der Bancor ist als eine Weltwährung angedacht, in der nicht gehandelt oder bezahlt werden kann. Andere Währungen werden in einem zum Start festgelegten und später anpassbaren Verhältnis zum Bancor gehandelt.

Absicht:

Für eine Währung, die nicht gehandelt werden kann (Bancor), müssten auch keine Rücklagen gebildet werden, da er nicht zusammenbrechen kann. Auch auf Fondeinlagen durch die teilnehmenden Länder kann verzichtet werden. Bei diesem Konzept wäre man nicht von Gold, einer Leitwährung usw. abhängig, die Leitwährungsproblematik (Dollar, China-USA, Ölhandel, ...) wäre vom Tisch.



Ausgleichsmechanismus

Es wird zum Zweck des internationalen Handels und Ausgleichs eine Union für internationalen Zahlungsverkehr (Clearing Union) gegründet. Jedes teilnehmende Land hat ein Konto in Bancor, jede Zahlung zwischen den Ländern läuft über das Konto. Es ermöglicht die Aufstellung einer Zahlungsbilanz.

Bancor-Guthaben und -Soll

Die Mechanismen wirken einem unausgeglichenen Stand entgegen. Eine maximale Verschuldung wird pro Land festgelegt (Quote), diese wird regelmäßig angepasst.

Staaten mit Handelsbilanzüberschuss (Gläubigerländer)

Überschreitet ein Land 1/4 dieser Quote, so wird sowohl bei Haben als auch bei Schulden (Handelsbilanzdefizit oder -überschuss) vom Differenzbetrag eine Gebühr von 1% an die Clearing Union bezahlt.
Bei Überschreiten von 1/2 der Quote wird eine Gebühr von 2% fällig.

"Sie legt die Verantwortung für die Herstellung eines Ausgleichs nicht nur dem Schuldnerland, sondern zum Teil auch dem Gläubigerland auf. Dabei zielen die Maßnahmen darauf ab, die Gläubiger aus ihrer rein passiven Rolle zu locken. Solange das nicht gelingt, stehen die Schuldnerländer, die ohnehin in der schwächeren Position sind, unter Umständen vor einem unlösbaren Problem."

Gläubigerverantwortung

"...das System auf überhöhte Guthabenkonten ebenso kritisch blickt, wie auf überhöhte Schulden, die ja tatsächlich beide unvermeidlich miteinander verbunden sind." (S.5)

"Die vorgeschlagenen Bestimmungen unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt vom Vorkriegssystem: Sie zielen nämlich darauf ab, nicht nur dem Schuldnerland, sondern auch dem Gläubigerland eine Mitverantwortung für die Wiederherstellung der Ordnung aufzuerlegen." (S.8)

"Für jeden Mitgliedsstaat wird die Höhe seiner maximal erlaubten Verschuldung gegenüber der Union festgelegt und als seine Quote bezeichnet." z.B. als Durchschnitt der Importe und Exporte des Landes der letzten 3 Jahre.
(Anm.: in Deutschland läge der Wert 2012 bei ca. 1 Mrd. Euro)

Staaten mit Handelsbilanzdefizit (Schuldnerländer)

Schuldnerstaaten können nun bei der Clearing Union einen Kredit aufnehmen, der aus den Gebühren finanziert wird. Die Zinsen lägen unter 2% bzw. 1%, da sonst die Clearing Gebühr günstiger wäre.

"Übersteigt bei einem Mitgliedsstaat das Guthaben die Hälfte seiner Quote, dann verständigt er sich mit dem Vorstand darüber, welche Maßnahmen geeignet erscheinen, um einen Ausgleich seiner internationalen Zahlungsbilanz herbeizuführen."

Diese Maßnahmen zum Ausgleich können sein
1. Steigerung der Inlandsnachfrage 
2. Aufwertung der Landeswährung gegenüber dem Bancor, o.a. ergänzend Anhebung der Geldlöhne
   (Löhne so lange erhöhen, bis es keine Exportüberschüsse mehr gibt)
3. Reduzierung von Importzöllen und -hemmnissen
4. Darlehen für die Entwicklung zurückgebliebener Länder

Möglich auch: Internationale Körperschaften für Wiederaufbau, Ordnungsmacht für Friedenserhalt, int. Investitionsgesellschaft, int. Rohstoffgesellschaft mit Lagerung gegen Spekulationen.

Erläuterungen

Keynes sah den Währungsmarkt damals schon kritisch: "In der Vergangenheit ist man ohne stichhaltigen Grund davon ausgegangen, dass sich die wirksame Nachfrage stets weltweit zufriedenstellend anpasst. Ebenso ohne stichhaltigen Grund neigen wir heute dazu, anzunehmen, dass das nicht der Fall ist."

Hortung auf internationaler Ebene

Ein Kreditmechanismus, statt Horten, würden auf internationaler Ebene den Hortungsprozess beenden. Wer eine Überschuss erzeugt, wird gezwungen, diesen wieder in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. "Die Weigerung, Kredite zu vergeben, würde entweder durch einen negativen Zins auf Einlagen oder deren Konfiszierung sanktioniert."
(Anm.: Dies beruht wohl auf den Erkenntnissen von Silvio Gesell, die Keynes kannte. Gesell wandte diese auf personeller Ebene an, Keynes weitete sie auf Landesebene aus)

Ausgleichsmechanismen

Es geht bei den Ausgleichsmechanismen auch um die Verhinderung der Hortung auf internationaler Ebene:
"Kurz gesagt, es besteht eine völlige Übereinstimmung mit einem nationalen Banksystem. Kein Kontoinhaber einer lokalen Bank leidet darunter, dass die Guthaben, die er brachliegen lässt, benutzt werden, um das Geschäft von irgendjemandem Anderen zu finanzieren.
Ebenso, wie die Entwicklung der nationalen Banksysteme dazu geführt hat, einen deflationären Druck auszugleichen, der sonst die Entwicklung einer modernen Industrie verhindert hätte, so können wir durch die Ausdehnung des gleichen Prinzips auf die internationale Ebene hoffen, der Stagnation entgegenzuwirken, die sonst durch soziale Unruhen und Enttäuschung die guten Hoffnungen unserer modernen Welt zunichte machen könnte.
Der Ersatz der Kapitalhortung durch ein Kreditsystem könnte auf internationaler Ebene das gleiche Wunder noch einmal hervorbringen, das auf nationaler Ebene schon stattgefunden hat, nämlich Steine zu Brot verwandeln."



Anerkennung heute

Viele Wissenschaftler haben den Keynes-Plan wiederentdeckt und beschäftigen sich damit, Attac und auch internationale Regierungen fordern ein neues Leitwährungssystem:

"Die Russen wollen, die Chinesen auch, die Araber sowieso, doch im Westen hört bisher kaum jemand hin. Es geht um ein neues Weltwährungssystem, das unabhängiger vom Dollar ist... Ignoriert der Westen weiter die Vorschläge der neuen Wirtschaftsmächte, riskiert er einen unkontrollierten Wechsel zu einer neuen Leitwährung. Eine plötzliche Flucht aus dem Dollar würde in der jetzigen Krise zu weiteren Verwerfungen führen. Niemand wüsste in solch einem Fall, welches Geld sich am Ende durchsetzen würde. " [SZ "Dollar - Weg von dem Schwächling"]

"Als Alternative hat Chinas Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan einen Plan hervorgeholt, den der Ökonom John Maynard Keynes bereits auf der legendären Bretton-Woods-Konferenz im Jahr 1944 präsentiert hatte. Keynes hatte damals angeregt, eine Weltleitwährung namens Bancor an den Wert von 30 Rohstoffen zu koppeln. Er konnte sich mit seinem Vorschlag aber nicht durchsetzen. Auch durch solch eine Rohstoff-Währung könnte man ein Aufblähen der Geldmenge verhindern. Russlands Präsident Medwedjew bläst ins gleiche Horn." [SZ "Dollar - Weg von dem Schwächling"]



Transformation auf heute (CU_Mayer):

Einen Bancor als weltweite Leitwährung durchzusetzen, wird sicher eher ein langfristige Projekt sein. Ein besseres Währungssystem zu bauen, scheint aber angesichts der Probleme einer Landeswährung (Dollar) als Leitwährung notwendig.

Innerhalb der Euro-Zone jedoch könnte das Ausgleichsystem des Keynes-Planes einen Durchbruch bringen.
Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit kann heute nicht durch Währungskurse innerhalb der EU korrigiert werden, weil der Euro die gemeinsame Währung darstellt. Zudem ist die einzige Sanktion bei Verstößen heute eine Strafzahlung des überschuldeten Landes. Diese Maßnahme aber verschlimmert die Situation und wird deswegen entweder nicht angewendet oder trägt zur Problemeskalation bei.

Mit dem Ausgleichsystem sind aber Mechanismen verfügbar, Gläubigerstaaten in die Verantwortung zu ziehen, Verschuldungen rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern sowie strukturschwache Länder zu fördern.

Die Vergabe von Krediten statt dem Kauf von Staatsanleihen hätte auch den Vorteil, das Kreditprüfungen vollzogen werden müssten.
Der Staat muß nachweisen, dass das Geld rentabel angelegt wird und nicht für Steuergeschenke an einzelne Bevölkerungsgruppen oder Erhöhung von Sozialgeldern verwendet wird. Es kann für Förderungen, Subventionen, Aufbau von Industrie und Dienstleistung usw. verwendet werden, was handelsbilanzverbessernd wirkt.
Ein Kredit wird nicht für Verwendungen vergeben, die rein Ausgaben oder Konsum fördern, es sei denn, es würde nachgewiesen, dass dieses Geld zu einem hohen Anteil im Inland zirkulieren und somit die Handelsbilanz verbessern wird.

Ebenso ist es notwendig, frühzeitig Maßnahmen zu etablieren, bevor Staatsschulden ein kritisches Maß erreichen. Dafür ist der Bancor-Plan ein bereits existierendes Modell.

Keynes anwendbar auf die Euro-Krise

Auch zum Thema Staatsüberschuldung/ Staatsinsolvenz hat Keynes Maßnahmen vorgesehen:
"Wenn das Schuldenkonto eines Mitgliedsstaates im Durchschnitt mindestens eines Jahres drei Viertel seiner Quote übersteigt oder in Relation zu den insgesamt ausstehenden Forderungen in den Büchern der Union überhöht ist (gemessen nach Formeln, die der Vorstand festgelegt hat), so kann der Vorstand von dem Mitgliedsstaat verlangen, dass er Maßnahmen ergreift, um seine Situation zu verbessern. Gelingt es dem Schuldnerstaat nicht, sein Schuldenkonto innerhalb von zwei Jahren unter die betreffende Marke zu senken, so kann ihn der Vorstand für zahlungsunfähig erklären und ihm die Berechtigung entziehen, sein Konto zu belasten, es sei denn mit der Erlaubnis des Vorstandes."

Lösung für die Griechenland-Krise:
"Es wäre sehr viel einfacher und ganz gewiss auch befriedigender für uns alle, in eine übergeordnete und gemeinschaftliche Verantwortung einzutreten, die alle Länder gleichermaßen betrifft, dass also ein Land, das sich in einer Gläubigerposition gegenüber dem Rest der Welt als Ganzes befindet, einem Abkommen beitritt, das es diesem Gläubiger-Guthaben nicht erlaubt, einen Schrumpfungsdruck gegen die Weltwirtschaft und, durch Rückwirkung, auch gegen die Wirtschaft des Gläubigerlandes selbst auszuüben. [...] Denn wenn er das ist, wird dem Schuldnerland, das aus diesem Grund sowieso schon in der schwächeren Position ist, eine nicht zu verantwortende Last aufgebürdet."

Es geht aber nicht ohne die aktive Mitwirkung der Staaten:
"Wenn allerdings einem Land tatsächlich die Produktionskapazität fehlt, um seinen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, dann ist eine Verringerung dieses Standards unvermeidbar. Wenn sein Lohn- und Preisniveau gegenüber anderen Ländern in Unordnung gerät, ist eine Änderung seines Wechselkurses nicht zu umgehen. Wenn es aber die Produktionskapazität besitzt und es nur aufgrund von Restriktionen, die es in der ganzen Welt gibt, keine Absatzmärkte findet, dann liegt das Heilmittel darin, dass man seine Exportmöglichkeiten ausweitete, indem man die Restriktionen beseitigt."

Organe der Clearing Union

Folgende Voraussetzungen/ Maßnahmen müssen erfüllt sein:

1. demokratische Legitimation 
2. juristische und fiskale Kontrolle
3. transparente Arbeitsweise
4. wirtschaftliche Unabhängigkeit und Unbeeinflussbarkeit



Keynes zum Hintergrund

"Wir brauchen ein Instrument für eine internationale Währung, das von den Nationen allgemein anerkannt wird, so dass Sparguthaben und bilaterale Verrechnungen überflüssig werden." (S.2)

"Wir brauchen eine sachgemäße und anerkannte Methode zur Bestimmung der relativen Wechselkurse der nationalen Währungseinheiten, so dass einseitige Aktionen und konkurrierende Abwertungen verhindert werden."

"Wir brauchen ein Verfahren, durch das die Guthabenüberschüsse, die sich aus den internationalen Handelsgeschäften ergeben und die der Empfänger vorläufig nicht verwenden will, zugunsten internationaler Planung, Hilfeleistung und wirtschaftlicher Gesundung eingesetzt werden können, ohne dadurch die Liquidität dieser Guthaben zu beeinträchtigen und ohne ihre Eigentümer daran zu hindern, von ihrem Guthaben Gebrauch zu machen, wenn sie es wünschen."

"Allgemein gesprochen: Wir brauchen ein Mittel der Beruhigung für eine von Sorgen geplagte Welt, durch das jedes Land, das seine eigenen Angelegenheiten mit der nötigen Umsicht regelt, von den Sorgen befreit wird, die es nicht selbst zu verantworten hat und die es in seiner Fähigkeit, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen. Ein Mittel also, das die Methoden der Restriktion und der Diskriminierung unnötig macht, die die Länder bisher angewendet haben, nicht um Vorteile für sich zu erlangen, sondern um sich von störenden Einwirkungen von außen zu schützen."

"Das prinzipielle Ziel läßt sich mit einem Satz erklären: dafür zu sorgen, dass Geld, das man durch Verkauf und Güter in einem Land erhält, dafür ausgegeben werden kann, Produkte eines anderen Landes zu kaufen. In der Fachsprache ein System des multilateralen Clearings (eine universelle Währung) gültig für Gütergeschäfte " (Keynes vor dem Britischen Oberhaus)